75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

bewegung gemeint, die sich die sozial- revolutionären Gedanken der Bauern erhebung zu eigen gemacht hatte und religiöse Mystik mit Kommunismus verband. Im Lande ob der Enns verlief die Täuferbewegung jedoch durchaus friedlich, wurde aber dennoch entsprechend dem auch von den Protestanten in Bezug auf ihre Gegner anerkannten Ketzerverfahren blutig unterdrückt. Bezeichnenderweise bildet die Stadt Steyr mit der revolutionären Schichte des in seinen wirtschaft¬ lichen Grundlagen erschütterten Handwerkertums den Mittelpunkt der oberöster¬ reichischen Täuferbewegung, die in den Jahren 1527/29 ausgerottet wurde Die Berufung des Hauses Habsburg auf den ungarischen Thron war haupt¬ sächlich deshalb erfolgt, weil niemand anderer imstande war, der immer drohender werdenden Türkengefahr wirksam zu begegnen. Die erste Belagerung Wiens im Jahre 1529 hatte für das Land ob der Enns noch keine unmittelbare Bedrohung zur Folge gehabt, doch drei Jahre später drangen die Scharen des türkischen Paschas Kasimbeg über Enns und Steyr hinaus vor und verschwanden erst beim Anzuge eines großen Heeres in Richtung Gaflenz und Weyer. Der Aufstieg des Protestantismus hängt nicht wenig mit der schwierigen politischen Lage zusammen, in der sich Ferdinand I. infolge des vereinten Bünd¬ nisses der Franzosen und Türken befand. Der gewaltige Erfolg, den die Eroberung Ofens 1541 für die Türken bedeutete, wirkte sich auf dem Prager Generallandtag — 1542 der ersten Manifestierung der Gesamtstaatsidee der österreichischen Monarchie — auch in der Religionsfrage aus, die damals im Mittelpunkt der Erörterungen stand. Den langsamen aber sicheren Übergang von der parlamenta¬ rischen Opposition zur offenen Auflehnung zeigt die seit 1545 übliche Abhaltung von Ständeversammlungen, die ohne Zustimmung seitens des Landesfürsten selbständig einberufen wurden. Der Schmalkaldner Bund hatte im Land ob der Enns einen starken Anhang, wobei die finanziellen Beziehungen der Steyrer Bürger mit dem Auslande keine unwesentliche Rolle spielten. Überhaupt zeigte sich eine zunehmende Überfremdung Oberösterreichs mit Ausländern und Emi¬ granten aus dem Reich, welche die nirgends in diesem Ausmaße zu findende religiöse Freiheit dazu bewog, sich hier anzusiedeln. Die Niederlage des Schmal¬ kaldener Bundes bei Mühlberg (1547) ermöglichte den Abschluß des Augsburger Neligionsfriedens 1555, der zwar die Glaubensspaltung reichsrechtlich anerkannte, die Wahlfreiheit aber nur den Reichsständen, nicht aber deren Untertanen zu¬ billigte und damit dem österreichischen Protestantismus die rechtliche Grundlage entzog. Eine neue Epoche in der Geschichte der österreichischen Länder setzt mit dem Tode Ferdinand I. im Jahre 1564 ein. Sein Erbe wird in drei Ländergruppen aufgeteilt und erst hundert Jahre später wiederum in einer Hand vereint. Maximilian II. erhielt außer Böhmen und Ungarn auch Österreich ob der Enns, Ferdinand Tirol und Vorderösterreich, Karl die innerösterreichischen Länder Steier¬ mark, Kärnten und Krain. Zwei wichtige Ereignisse in der religiösen Entwicklung Oberösterreichs fallen in die Regierung Maximilian II., nämlich die Gründung des protestantischen Landhauses an Stelle des aufgehobenen Minoritenklosters (1563) und die auf Grund einer außerordentlich hohen Steuerbewilligung ge¬ währte Ausdehnung der den adeligen Ständen Niederösterreichs gewährten Religionskonzession auf das Land ob der Enns (1568). War das Landhaus von nun an das politische Zentrum, so bildete die 1543 zu Enns gegründete, 1564 nach 52

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2