75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

jenen Charakter als „geistliches Land“ verliehen, der sich stets wieder, den je¬ weiligen Zeitformen angepaßt, als eine wesentliche Eigenschaft erwiesen hat Von den alten Klöstern wurde Kremsmünster einer durchgreifenden Reform unterzogen, in dem um 800 entstandenen St. Florian 1071 regulierte Chorherren eingeführt. Die Neugründungen setzten mit der Gründung Lambachs durch Adalbero von Würzburg (1056) ein, dessen Beispiel Otakar von Steyr mit Garsten 1082 folgte. Weitere Neugründungen auf dem Boden Oberösterreichs sind: Suben um 1060, Reichersberg 1084, Gleink 1122, Nanshofen 1125, Wilhering 146, Baumgartenberg 1141, Waldhausen 1146, Traunkirchen um 1160 (als Nachfolger der um 900 erwähnten Abtei Trunseo?). 3. Dom Traungau zum Land ob der Enns. Waren seit dem Jahre 1056 die auf der Steyrburg sitzenden Otokare zur beherrschenden Macht im Traungau geworden, so tritt mit dem Übergang des baierischen Herzogtums an die Babenberger im Jahre 1139 eine Wendung ein: von nun an ist dem österreichischen Herrscherhaus die Gelegenheit gegeben, seinen Machtbereich westlich der Enns und des Haselgrabens zu erweitern und damit das einst zusammengehörige Donauland, das alte Dreigrafschaftgebiet, wiederum in einer Hand zu vereinen. Die Babenberger wurden zwar schon zwanzig Jahre später von dem staufischen Kaiserhause um den Preis der Versöhnung mit den mächtigen Welfen des baierischen Herzogtums wieder beraubt, ihnen jedoch als Ersatz dafür die Erhebung der bisher von Baiern abhängigen Markgrafenschaftt Österreich zu einem selbständigen Herzogtume zugestanden (1156). Diese Ent¬ chädigung war eine ausgesprochene Kompromißlösung und man hat sich augen¬ cheinlich infolge der schwierigen Lage gescheut, alle damals getroffenen Verein¬ barungen schriftlich festzulegen, und darauf beschränkt, in der Verleihungsurkunde nur die lehenrechtlichen Verhältnisse gegenüber dem Reich zu bestimmen. Aus den kurzen nicht ganz klaren Angaben des Bischofs Otto Freising, des bedeutendsten Geschichtschreibers seiner Epoche — übrigens eines Bruders des österreichischen Herzogs —, dann der um 1180 abgefaßten Melker Chronik sowie den Ausführun¬ gen Hermanns von Niederaltaich (um 1260) und auch der späteren österreichischen Geschichtstradition zufolge wurde im Jahre 1156 gleichzeitig mit der Erhebung Österreichs zum Herzogtume eine über das Gebiet der Markgrafschaft hinaus¬ gehende Grenzerweiterung bis zum Hausruck (Salletwald), also im Ausmasse des alten Traungaues, vorgenommen Nun war bisher und blieb auch bis zum Aussterben der steirischen Otokare der Traungau praktisch in der Hand dieses Fürstengeschlechtes, ja es zeigen sich ogar Versuche des baierischen Herzogs, hier noch an den ehemaligen Hoheits¬ rechten festzuhalten. Die staatsrechtliche Lage des Traungaues war daher offen¬ ichtlich einige Zeit hindurch umstritten; sie änderte sich erst dadurch zugunsten der österreichischen Ansprüche, daß — wohl in Fortsetzung der Verhandlungen von 1156 — im Jahre 1186 auf dem Georgenberge zu Enns der erbenlose steirische Fürst, welcher übrigens im Jahre 1180 die Herzogswürde erhalten hatte, dem Babenberger testamentarisch die Nachfolge in seinem Herrschaftsbereich zusicherte. Nach seinem im Jahre 1192 erfolgten Tode fiel dann die ganze Steiermark und 44

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