75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

zur Wiedererrichtung einer neuen Ostmark führte, die aber keineswegs mit dem großen Naum, den Karl d. Gr. zur Grenzsicherung einbezogen hatte, verglichen werden darf. Die neue, von dem deutschen König Otto I. eingerichtete Mark, welche bereits im Jahre 996 mit dem deutschen Namen „Ostarrichi“ genannt wird, entsprach hinsichtlich ihrer Ausdehnung etwa dem alten baierischen Grenzabschnitt im Osten, also dem Dreigrafschaftsgebiet, jedoch ohne den Traungau, der jetzt inmittelbar bei Baiern verbleibt. Zum Markgrafen wurde ein Angehöriger des Geschlechtes der Babenberger bestellt, die nun durch fast drei Jahrhunderte die Geschicke Österreichs leiteten. Auch in den inneren Verhältnissen bringen die Folgen des Ungarnkrieges eine starke Umschichtung mit sich. Maßgebend für den weiteren Ausbau des Landes werden hier nun die reich mit Kolonialland begabten Fürstbischöfe des Reiches, neben Passau und Salzburg noch Bamberg, Regens¬ burg und Würzburg, dann aber auch der hier seßhafte hochfreie Adel; diese waren die Gründer und Inhaber der großen Grundherrschaften, welche ja nicht bloß Grundbesitzer im heutigen Sinne waren, sondern in Verbindung mit ihren Herr¬ schaften auch weitgehend jene Rechtsbefugnisse ausübten, die wir jetzt als Auf¬ gabe der staatlichen Verwaltung und Rechtspflege ansehen. Unter all diesen Herrschaften, welche die alte Gaueinteilung und Grafschafts¬ verfassung zur Auflösung brachten, gewann auf dem Boden Oberösterreichs die von der 977 erwähnten Steyrburg ausgehende Entwicklung zur Bildung eines neuen Fürstentums die größte und für die Zukunft einflußreichste Bedeutung. Das hier sitzende Geschlecht der Otakare bekam nebst dem Großteile des Traungaues um 1050 auch noch die vom Herzogtum Kärnten abhängige Mark als Erbherr¬ chaft in seine Hände, die deshalb nach ihrem Hauptsitze als Steiermark bezeichnet wurde. So wurde der Einfluß des baierischen Herzogtumes immer mehr zurück¬ gedrängt und der Traungau zum Ausgangspunkt einer selbständigen staatlichen Entwicklung. Auch im inneren geistigen Leben tritt mit dem weltgeschichtlichen Kampf zwischen Kaiser und Papsttum im Investiturstreite (1074 —1122) eine gewaltige Erschütterung und Umschichtung der Verhältnisse ein. Die von dem neuen Orden der Cluniacenser ausgehende Kirchenreform hatte in Papst Gregor VII. einen streitbaren Vertreter gefunden, der sich mit der ganzen Kraft seiner Persönlichkeit gegen die bisher übliche Verleihung kirchlicher Amter durch den Kaiser und andere weltliche Herren wehrte. Die zweite Seite der Neform berührte das innerkirchliche Leben und suchte die in den alten Klöstern vielfach eingerissene Verweltlichung und Zuchtlosigkeit durch eine strenge von Ehelosigkeit und Askese bestimmte Negel zu beseitigen. Beide für unsere Heimat maßgebenden Kirchenfürsten Erzbischos Gebhard von Salzburg und Bischof Altmann von Passau sowie der dem hiesigen Geschlechte der Grafen von Lambach entstammende Bischof Adalbero von Würz¬ burg waren entschiedene Anhänger der Reform und daher erbitterte Gegner Kaiser Heinrichs. Da auch die weltlichen Fürsten, voran führend der Baiernherzog, dann auch Markgraf Leopold von Österreich und der steirische Markgraf Otakar An¬ hänger der Neformbewegung waren und so das ganze Land nur von einer Nichtung beherrscht wurde, kam es hier zu keinem Bürgerkrieg, vielmehr zeigte sich eine unerhörte Blüte im geistlichen und klösterlichen Leben. Erst die zahl¬ reichen Klostergründungen zur Zeit des Investiturstreits haben Oberösterreich 43

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