75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

wird in einem Kapitulare des Jahres 804 als einer der Hauptgrenzmärkte für den Handel mit dem Osten erwähnt. Herzog Tassilo war es im Jahre 763 gelungen, sich von der Oberhoheit der — fränkischen Könige zu befreien, und er konnte im Jahre 772 die slawischen Karan¬ tanen aus eigener Kraft der baierischen Herrschaft neuerdings unterwerfen. Doch Karl der Große wollte die Entstehung einer selbständigen Großmacht im Osten nicht dulden und vermochte mit der Beschuldigung, daß Tassilo mit den Awaren ein verräterisches Bündnis abgeschlossen hätte, die Absetzung und Verbannung des baierischen Herrscherhauses durchzusetzen (781/88). Das baierische Stammes¬ herzogtum wurde als Reichsland zu einer Provinz verwandelt, die alten baierischen Gaue in fränkische Grafschaften, die von absetzbaren Beamten geleitet wurden, verwandelt. Solche altbaierische Gaue auf dem Boden Oberösterreichs waren: der Traungau, ungefähr dem Traun- und Hausruckviertel entsprechend jedoch ohne den Bezirk Vöcklabruck, dessen Umfang beiläufig dem Attergau entspricht. Das nördliche Innviertel (Bezirk Schärding) war ein Teil des auch westlich des Inns ausgedehnten Notagaues, das südliche entspricht dem Mattiggau. Im groß angelegten Feldzug des Jahres 791 führte Karl den entscheidenden Schlag gegen die Awaren; sein erster Vorstoß kam bis an die Naab; fünf Jahre später drang Karls Sohn Pippin bis an die Theiß vor. Die Gliederung des neu eroberten Gebietes nahm Karl d. Gr. in der Weise vor, daß er in auffallender Anlehnung an die spätrömischen Verhältnisse die Grenzen der von ihm errichteten „Ostmark“ mit den Provinzen Pannonien und Karantanien absteckte. Dem Mark¬ grafen der Ostmark wurde außerdem der „Baierische Grenzabschnitt im Osten“ welcher nach wie vor staatsrechtlich bei Baiern verblieb, unterstellt; er setzte sich aus den drei Grafschaften des norischen Uferlandes zusammen. Für den Bereich der staatlichen Einteilung gibt uns die Raffelstettner Zollordnung von 903/05, für die kirchliche die Mistelbacher Synode von 971 Aufschluß über die Abgrenzung dieser drei Grafschaften, die im Wesentlichen mit den altrömischen Stadtbezirken von Wels (Traungau), Lorch (Ennsgau) und Mautern übereinstimmen. Die West¬ grenzen des Dreigrafschaftsgebietes verliefen also am Hausruck und nicht mehr am Inn wie zur römischen Zeit. Der Regelung der Staatsgrenzen folgte die Neueinteilung der kirchlichen Missionsgebiete, die von einem noch nachhaltigeren Einflusse auf die spätere Geschichte war; im Jahre 798 erhob Karl d. Gr. Salzburg zum Erzbistum und wies ihm ganz Pannonien und Karantanien bis zur Drau zu, während Passau das norische Uferland bis zur großen Tulln erhielt und damit das Erbe des untergegangenen Lorch antrat Nach einem ungefähr hundert Jahre anhaltenden Aufbau drohten in den eiterhorden des östlichen Nomadenvolkes der Ungarn dem Abendlande und damit auch unserer Heimat neue große Gefahren. Durch die Errichtung der Enns¬ burg, die um 900 nicht mehr auf dem alten Platze des Römerlagers sondern auf der Höhe der heutigen Stadt angelegt wurde, suchte man den Feind am Über¬ chreiten dieser wichtigen strategischen Linie zu hindern. Im Jahre 907 erlitter jedoch die Baiern bei Preßburg eine derart vernichtende Niederlage, daß die Ungarn über das ganze Dreigrafschaftsgebiet hinweg und trotz eines erfolgreichen Widerstandes am Inn (910) noch darüber hinaus vordringen konnten. Dreißig Jahre später (943) gelang es zwar den Baiern, die Ungarn bei Wels zu besiegen, die Entscheidung brachte aber erst die große Schlacht am Lechfeld (955), welche 42

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