75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

rugischen Staat (487 u. Chr.), dessen Erbe die Heruler antraten. Letzten Endes mußte er aber doch, von Osten und Westen zugleich bedrängt, Ufer-Norikum auf¬ geben und die Verteidigung Italiens auf den Hauptkamm der Alpen zurückziehen. Er forderte deshalb die führende römische Bevölkerungsschichte auf, sich unter seinem Schutze nach Italien zu begeben; bei ihrem Abzuge nahmen die Nömer auch die Leiche des von ihnen hoch verehrten Severin († 482) mit. Nicht alle Romanen verschwanden damit aus unserem Lande, vielmehr blieben die unteren Schichten, Bauern und Handwerker meist zurück; ihre Spuren finden wir in manchen Ortsbezeichnungen (Walchen). 2. Die baierische Besiedlung, Nach dem Abzuge der Römer fällt unsere Heimat für längere Zeit in tiefes geschichtliches Dunkel. Während man früher die Meinung hegte, daß die Baiern als Nachkommen der Markomannen aus Böhmen in unser Land kamen, neigt die neueste Forschung zu der Annahme, daß ihre frühere Heimat im Osten, am Schwarzen Meer und in den Karpathen lag. Die erste sichere Kunde über die Baiern bringt Venantius Fortunatus zum Jahre 575; er berichtet über Kämpfe, die zwischen den Baiern und den ihnen längs der Drau nachdringenden Slawen im Pustertale in Osttirol stattfanden. Die Baiern wurden dadurch genötigt, sich der Oberherrschaft der in Westeuropa herrschenden Franken zu unterwerfen und sich um 620/40 zum Christentum zu bekehren. Lorch bei Enns war damals in Anknüpfung an die römischen Verhältnisse noch die Metropole der Baiern; erst die vernichtende Niederlage, welche die Baiern um das Jahr 700 seitens der Awaren erlitten, zwang sie, ihren Hauptstützpunkt weit nach Westen bis Regens¬ burg zurückzuverlegen. Das ursprüngliche Stammesgebiet der Baiern hatte ganz Ufer-Norikum umfaßt, reichte also bis zum Wiener Walde hinab. Jetzt trat als nächste Sicherungslinie nach der Enns die Traun; diese bildete auch die Westgrenze für die vor den Awaren fliehenden Slawen, die sich den Baiern unterwerfen mußten und im Wege der Christianisierung schon sehr früh im baierisch-österreichischen Volkstum aufgingen; von ihrem einst sehr ausgedehnten Siedlungsgebiet künden die ziemlich häufigen slawischen Ortsnamen Nachdem es den Baiern gelungen war, an der Traunlinie eine feste Stellung zu beziehen, führte eine zweite Welle der christlichen Missionierung zu den ersten Klostergründungen auf dem Boden des Landes ob der Enns. Um das Jahr 748 übergab der baierische Herzog Odilo das von ihm gegründete Kloster Mondsee an Mönche, die nach der Regel des Iren Kolumban lebten. Die größte Stiftung des alten Stammesherzogtums Baiern, mit Landschenkungen gewaltigen Ausmaßes bedacht, war die von Herzog Herzog Tassilo im Jahre 777 vorgenommene Gründung von Kremsmünster; der heute noch dort verwahrte Tassilokelch, die älteste Goldschmiedearbeit auf baierischem Boden, ist ein einzigartiges Denkmal, wie es kein anderes Ordenshaus besitzt. Die baierische Siedlungstätigkeit schreitet bald über die Traunlinie zur Enns vor, an der die Angriffe der im Jahre 782 und 788 vorstürmenden Awaren vergebens anrennen. Im Hinterlande begannen sich im Schutze der alten Römerfestungen in Wels (erwähnt 776) und Linz (erwähnt 799) die ersten Spuren neuen städtischen Lebens zu regen; Lorch-Enns 41

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