75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

seiner ursprünglichen Grenzen, indem sein Gebiet im Osten und Süden verringert, dafür aber im Westen bis zum Inn ausgedehnt wurde und sich nunmehr von diesem Flusse bis zum Wiener Walde erstreckte; damit waren die künftigen Grenzen Österreichs vorgezeichnet Zur selben Zeit beginnt auf dem Boden Österreichs das römische Städte¬ wesen emporzublühen, vor allem im südlichen Kärnten, dann auch in Salzburg Wien, St. Pölten und Wels in Oberösterreich. Jeder Stadt war ein großer Bezirk Landgebiet zugewiesen, der von ihr politisch und wirtschaftlich beherrscht wurde odaß sich also kleine Stadtrepubliken ausbildeten, in denen sich der Bürgersinn der einheimischen Bevölkerung bewähren konnte. Eine starke Nomanisierung der Bevölkerung ist die Folge und so entsteht eine immer größer werdende kulturelle Kluft zu den nördlich der Donau gelegenen germanischen Vasallenstaaten. Nach einem fast 160 jährigen Frieden beginnen mit der Einigung der Germanenstämme (160 —180 n. Chr.) wiederum stärkere Einfälle ins Römer¬ reich, denen sogar im Osten der Durchbruch bis ins Alpenvorland herein gelingt. Die Römer versuchen darauf in einem Gegenstoß die Königreiche der Marko¬ mannen und Quaden einzugliedern, begnügen sich aber dann mit der Abtretung eines schmalen Grenzstreifens im Norden der Donau. Eine politische Aufsicht überwacht die Volksversammlungen, eine Grenzsperre setzt für das früher freie Betreten des Südufers bestimmte Tage und Übergangsstellen fest. Vor weiteren Überraschungen soll der von Kaiser Marc Arel stark ausgebaute Grenzschutz an der Donau bewahren; je ein großes Legionslager wird am Oberlauf der Donau in Regensburg, am mittleren in Lorch-Enns (Lauriacum, 205 n. Chr.) errichtet. War man damit gegen Osten und Norden gesichert, so nötigte der Ansturm der Alemannen im Westen (213 u. Chr.) zum Ausbau einer verstärkten Festungslinie längs der oberösterreichischen Donau, deren Ufergebiet sich jetzt zum wichtigsten Verteidigungsabschnitt entwickelte. Daher verlagerte man jetzt das ursprünglich jenseits der Alpen in Kärnten gelegene Schwergewicht der Verwaltung nach Norden in die Stadt Ovilava — Wels, die vermutlich unter Kaiser Caracalla zur Kolonie erhoben wurde. Wels erhielt damals eine stark bewehrte Befestigung, deren Umfang auffallend weit gezogen wurde, damit im Notfalle eine große Anzahl von Flüchtlingen darin Schutz finden konnte. Um dieselbe Zeit erfolgt die letzte Verleihung eines autonomen Stadtrechtes auf österreichischem Boden an Lauriacum — Enns, rund tausend Jahre vor der mittelalterlichen Stadtrechts¬ urkunde von 1212. Ein völliger Umbau der Organisation des römischen Weltreiches erfolgte unter Kaiser Diocletian (284 — 305 u. Chr.); er hob die bisher übliche Ver¬ einigung von Militär- und Zivilverwaltung auf und unterteilte die alten großen Einheiten in kleinere Bezirke. Norikum wurde in je eine nördlich und südlich des Alpenkammes gelegene Hälfte zerschnitten, die als Binnen-Norikum (N. medi¬ terraneum) und Ufer-Norikum (N. ripense) bezeichnet wurden. In militärischer Hinsicht wurde Ufernorikum selbst in zwei Teile gegliedert, deren Grenze der Enns¬ fluß bildete, der seitdem immer wieder in der Geschichte Oberösterreichs eine be¬ deutsame Rolle gespielt hat; an die Stelle von Wels - Ovilava tritt jetzt Enns¬ Lauriacum als Mittelpunkt der römischen Provinzverwaltung. Der Festungsgürtel an der Donau erfährt eine neue Verstärkung durch die Anlagen in Lentia-Linz und Joviacum-Eferding (?), zwischen denen noch kleinere Wachtürme errichtet 39

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