75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

zwei Flüsse, die unter dem Burgfelsen ineinander strömen, so das Brunnen¬ rieseln im Hof des Schlosses, in dessen großem Saal Kaiser Matthias zur Tafel saß, durch die gläserne Altantür auf den Tabor blickend, wie er leuchtete in Juli¬ sonnenglut * * * * „Seht doch, wie die Schönheit unseres gelobten Landes mitgedichtet hat, als ich Stephana schuf“, bekennt die Dichterin in ihrem geist- und seelenvollen Essay „Die Heimat meiner Kunst“. Fürwahr, die gnadenschöne Landschaft Steyrs hat mitgedichtet nicht nur an der erhabenen Großlegende „Stephana“, sondern auch an der herzbestürmenden Prosaballade von der armen Margaret. Der grüne Tabor, der mit seinem alten Feuerwachtturm in die Straßen Steyrs blickt, grüßt hold die evangelische Dulderin, da sich Klänge süßer Vogellieder aus den Kronen seiner Bäume in die Kammer ihrer Armut niederschwingen. Der Dachsberg, des Tabors nachbarlicher Freund, schenkt der im Bruderhaus krank und erschöpft Darniederliegenden mit dem Schneeglanz seiner blühenden Kirschenbäume ein üßes Licht des Trostes. Und Stephana wiederum sieht, als sie im Zug der Pest¬ wallfahrt Mariens Fahne trägt, den Turm der Kirche von St. Ulrich auf grünem Hügel wie einen Finger gegen den Himmel weisen, sieht das Kloster Garsten wunderschön wie eine Insel auf dem Wasser schwimmen, dort, wo die Enns die große Schlinge macht, sieht im trunkenen Morgenlicht die südlichen Bergesketten aus den Nebeln schweben und die lichten Schatten der steiermärkischen Gipfel vor ihrem Blick erscheinen, während sie die Würze des Morgenwindes kostet, der aus dem Gesäuse stürmt. Mit keinem schöneren Ausblick in die Landschaft Steyrs, die mich aus diesen Bildern der Dichterin mit dem reinen Atem ihres großen Lebens anweht, könnte ich Abschied nehmen von der Stadt der leidverklärten Margaret, von der Stadt der Heldenjungfrau Stephana. 37

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