75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
Kremsmünster. Orts= und Landschaftsbilder aus meinem Lebensbuch, gleichsam Dariationen zu einem festlichen Thema Von Arthur Fischer=Colbrie. Festliches Thema: „Kremsmünster ist ein stattliches Benediktinerkloster, unweit Wels auf einem Hügel gelegen, zu dessen Füßen das Flüßchen fließt, wovon das Münster den Namen trägt. Es hat eine schöne Aussicht, gen Morgen auf goldene und blumige Felder, gen Abend auf stolze Gebirge die auch im Sommer Schnee haben; gen Mittag auf Wiesen und Gärten, gen Mitternacht auf eine waldige Hügelkette. Hart an den Klosterberg, wie die Küchlein an die Henne, schmiegen sich die sauberen Häuser des Marktes. (Enrica von Handel-Mazzetti in „Meinrad Helmpergers denkwürdiges Jahr“.) Die Heimat meiner Eltern ist Kremsmünster. Im Notarshaus, dessen zier¬ licher Säulenerker ein Kleinod der einstmals von den weltlichen Beamten der Stiftsherrschaft bewohnten Herrengasse ist, wuchs mein Vater auf. In einem der nächsten Nachbarshäuser, dem der bürgerliche Selcher Franz Xaver Greck durch eine geniale Tüchtigkeit in seinem Fache zu einem landberühmten Namen verholfen hatte, wurde meine Mutter groß. Ein schmaler Steig, der das Greckhaus vom Felsengärtlein eines einst beliebten Kaffeehauses trennt, führt von der Herrengasse auf den Tötenhengst, wie bilderschaffender Volksmund die alte Fahrstraße nennt, die sich in jähem, das Leben lastenziehender Rosse gefährdenden Anstieg zu den Mauern des hochgelegenen Klosters emporschwingt. Den Tötenhengst beherrscht das burgartige Theatergebäude, das stattliche Heim einer von dem Marktrichter Joseph Ferdinand Margelik im Jahre 1812 ins Leben gerufenen Liebhabergesell¬ schaft, die, von wahren Künstlernaturen geführt, mehr als ein Jahrhundert lang der schönen Aufgabe gedient hat, die Bürger des Marktes nicht nur mit Unter haltungsstücken zu erheitern, sondern sie auch durch Vorführung großer Bühnen¬ dichtung zu erheben und zu bilden. Zuweilen gefiel es Thalien, sich vor oder hinter den Kulissen des kleinen, aber mit allen Zaubern einer richtigen Guckkasten¬ bühne versehenen Dilettantentheaters mit Eros zu verbinden, um die Herzen unger Spieler tief füreinander erglühen zu lassen. Auch meine Eltern, beide begeistert für die Schauspielkunst und reich begabt, ihr als Liebhaber zu dienen fanden sich dort fürs Leben. 30
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