75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
Das Hirtenlied. Julius Zerzer. Immer irgendwo zwischen Fels und Meer Schwingt sich ein Hirtenlied auf. Und der Wind trägt es hin und her, Webt aus den vielen Stimmen den einen Chor, Der sich durch die Jahrtausende nie verlor. Bräunlicher Hirte am blau umfluteten Strand, Im Schatten des Lorbeers, dem sich die Myrte verband, Setzt du noch die Flöte zur Weise an, Die einst der arkadische Gott ersann? noch Locken die schwirrenden Halme die Schafe Im Dunkel der Schluchten, auf waldigem Bergesjoch, Wo die Steineiche flüstert, die Kastanien wehn, Wenn sich auf schmeichelnden Sohlen die lauen Winde ergehn? Horch, über Meere und Fernen tut sich dir Antwort kund Mund Schwellend löst sich ein Lied von des träumenden Knaben Der auf grünender Kuppe gelagert ruht, Von Rebenhügeln umglänzt in verströmender Abendglut. Sehnsüchtig streift sein uferloser Gesang Gleich einer bebenden Frage die Hügelketten entlang, Wo unter bleichendem Laube die Traube reift, Wo die zärtliche Ranke die Säume des Himmels streift, Der in die jenseits verdämmernden Berge sinkt, Ach, auf deren Almen das Lied des Sennen erklingt. Himmelnächster Hirte, wie schwebt dein Gesang, Dem der höchste jauchzende Aufstieg gelang, Auf rüttelnden Falkenschwingen, so frei und leicht, Über den Triften, die rings schon der Ather umbleicht Oder starrende Felsenhäupter umstehn Die dichten Gestirne mit blinkendem Schein umwehn. Über die Almen verhallender Hirtengesang Sanft verwoben dem wandernden Glockenklang, Wenn an den Himmelsrändern die Herde zieht, In den Schoß der Klüfte das schweifende Echo entflieht. Hirtenlieder zwischen Felsen und Meer Heiliger Laut aus den Tagen der Urzeit her, Über Asiens Steppen, über des Nordens Moor Endlos ergießt sich euer allumfassender Chor. 19
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