75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
* während sie in der „Stephana“ sich dann deutlich auf die katholische Seite senkt. Bald hat der Protestant, bald der Katholik unter der Unduldsamkeit der Gegner zu leiden. Bekenntnisgegensatz legt das Motiv der Bekehrung nahe. Und dieses wird reichlich verwendet, wenn auch nicht immer im konfessionellen Sinn des Glaubens¬ übertrittes, sondern manchmal im weiteren menschlichen der Einkehr und Umkehr, der Schuld-Erkenntnis, wie schon im „Meinrad“, dann im „Jesse“, der „Stephana“, und greift über den Barockrahmen hinaus in das Prinz-von Hom¬ burg-Problem des „Deutschen Helden“, auf Sand und Günther, sowie Graf Reichard. Und damit ist ein zweites großes Problem der Dichterin umrissen: „Der deutsche Held“ Held ist ihr nicht der Vollbringer großer, auffälliger Taten, Held ist der sittliche Sieger, der sich selbst bezwingt, der nicht ansteht, seinen Fehler zuzu¬ geben und für sich einzustehen in oft tödlicher Sühne. Es ist im weiteren Sinn der miles christianus. Der deutsche Held ist Erzherzog Karl, der untadelige, ge¬ rechte, sittlich bestimmte. Es ist aber auch Tessenburg darunter zu begreifen, der ich zum sittlichen Heldentum emporringt, so daß Erzherzog Karl über ihn sagen kann: „Ich sage, Tessenburg ist ein Zerrbild deutscher Heldenschaft. Aber heute nehme ich dieses Wort zurück. Tessenburg war ein deutscher Held. Er fiel in Sünde Und er büßte herrlich Nicht der Selbstgerechte, nicht der Bewunderte ist der * * Erste im Heldentum, sondern der Starke, der siegte, fehlte, in Christo büßte und in Christo aufersteht.“ So wächst auch Günther, der liederliche Poet, auf dem Totenbette zu Heldengröße empor. Und Sand, der politische Mörder, wird erst zum wahren Helden, als er sein Unrecht erkennt und zu büßen bereit ist: Von diesem Standpunkt aus gesehen, ist der Leutnant Herliberg in der „Armen Margaret“ ein Vorläufer des Jenenser Studenten. Auch der Vagant Schubarth in „Frau Maria“ wird zur Einsicht seiner Schuld gebracht, und schließlich kommt nioch Graf Reichard dadurch, daß er Unrecht tut, in schwersten Konflikt mit seinem Vater und lädt Schuld auf sich, die gesühnt werden muß. So ist der deutsche Held in doppelter Auffassung gesehen, als der untadelige deutsche Mann, der durch seine Taten ein Vorbild und Muster deutscher Jugend wird, es ist aber auch der ein deutscher Held, der sich durchkämpft zur Klarheit und sittlichen Festigkeit, und da überschneidet sich das Motiv mit dem Bekehrungs¬ motiv. Da nun mancher dieser Helden seine Umkehr mit seinem Tode bezahlt, so spielt auch das Märtyrer-Motiv herein. Sie werden Blutzeugen für ihre Taten, wenn auch nicht immer. Glaubenszeugen im engeren Sinn. Märtyrertum aber, das war das auffallende Thema, das die Dichterin von vielen abhob. Schilderung der Qualen und Peinigungen, der Grausamkeiten nicht nur seelischer, sondern blutig körperlicher Artung, Märtyrertum, das war der Angriffspunkt, der der Dichterin manchen offenen oder versteckten Vorwurs einbrachte. Und doch liegt hier der Ausgangspunkt ihrer Kunst. Märtyrer sind nicht nur diesenigen, die für ihre Tat eintreten, sondern in viel echterem Sinn noch diejenigen, die für ihren Glauben das Opfer des Lebens bringen. Stephana Schwertner fällt die Aufgabe zu, Steyr durch eine fromme Wallfahrt vor der Pest zu schützen, ihr fällt aber auch die Aufgabe zu, durch ihr standhaftes Bei¬ spiel und ihren Tod ihrer Kirche wieder Glaubensfreiheit zu erringen. Ist ihr Tod auch im engsten Sinn kein Martertod, weil sie nicht um ihres Glaubens willen, 150
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