75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
zwischen Legende und Historie. zu Handel=Mazzettis 75. Geburtslag. Dr. Moritz Enzinger. Man kann sich heute in einer Zeit, in der wichtigste Lebensfragen im Vor¬ dergrund des Daseins stehen, nur mehr schwer eine Vorstellung machen, wie auf¬ rüttelnd, wuchtig und neu die erzählenden Werke der Baronin Enrica von Handel¬ Mazzetti bei ihrem Erscheinen von 1900 an wirkten. Eben hatte Karl Muth in zwei Broschüren die Rückständigkeit der katholischen Literatur dargetan, und schon schien die Behauptung hinfällig geworden zu sein durch ein Romanwerk: „Meinrad Helmpergers denkwürdiges Jahr“. Die folgenden Bücher kamen in oft langen Zeitabständen heraus und führten immer wieder in neue Bereiche: „Jesse und Maria“ 1906 in die Wachau, „Die arme Margaret“ 1910 und „Stephana Schwertner“ 1913/14 in das Steyr des 17. Jahrhunderts, wohin bereits die Ballade: „Deutsches Recht“ 1908 vorangeeilt war, die „Rita-Bücher": „Brüder¬ lein und Schwesterlein“ 1913, „Ritas Briefe“ (1915—1921) und „Nitas Ver¬ mächtnis“ (1922) spielten im Wien der Gegenwart, während der „Deutsche Held (1920) in das Wien der nachnapoleonischen Zeit leitete. Die Romandreiheit: „Das Rosenwunder“ (1924—26) versetzte den Leser in dieselben Jahre nach Jena, Krems, St. Pölten, Mannheim, die „Günther-Novelle“ (1928) wieder nach dem Jena des 18. Jahrhunderts, „Frau Maria“ (1929—1931) nach Quedlinburg, „Die Warenbergerin“ (1936) in das belagerte Wien von 1683, „Graf Reichard' 1938 ff.) in die Türkenkämpfe des Jahres 1691 am Eisernen Tor. Dazwischen choben sich immer wieder kleinere Werke, Abfälle- von den großen oder Neben¬ arbeiten, wie die Kriegsgeschichten vom „Blumenteufel“ und dem Ulanen „Ilko Smutniak Deutlich heben sich im Werke der Dichterin fünf Kreise ab: Die Romane der Gegenreformation, nach dem Auftakt des „Meinrad“ der „Jesse“, die „Arme Margaret“, die „Stephana“. Die Rita-Bücher, deren eigenartige Stellung im Gesamtwerk noch zu beleuchten ist; die nachnapoleonische Zeit mit dem „Deutschen Helden“ und der „Sand“-Trilogie; Spätbarock bei „Günther“ und „Frau Maria“ Türkenzeit in der „Waxenbergerin“ und „Graf Reichard“. Aber auch innerlich schließen sich Kreise ab, wenngleich natürlich Überschneidungen und Überleitungen anzusetzen sind. Bestimmte Motive und Motivgruppen seien einmal herausgehoben. Da ist zunächst der konfessionelle Gegensatz und das Bekehrungsmotiv. Der Gegensatz der Bekenntnisse wird verschieden verwendet, bald zu schroffer Auseinandersetzung, wie im „Meinrad“, „Jesse“, „Margaret“, „Stephana“ mit schließlicher Versöh¬ nung, bald steht er mehr im Hintergrund, wie in „Frau Maria : Verhältnis¬ mäßig objektive Zeichnung, ja manchmal lichtere Schattierung gerade der gegneri¬ schen Figuren hat seinerzeit zu peinlicher Inquisition der Dichterin geführt. Denn im „Jesse“ und in der „Margaret“ bleibt die Waage zumindest in Schwebe, 149
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