75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
den Bauernjungen der Umgebung und der Steyrer Jugend bei der Übung der Soldaten Herlibergs. Auf die neugierige Frage der „Bauernlümmel“: „Wos gibt's dann?“ antworten die Steyrer überlegen und fachkundig mit einem Militär¬ ausdruck: „Schaugts, daß enk salvierts (G. 107). Ebenfalls charakteristisch * für das Soldatendeutsch sind die französisierenden Pluralbildungen auf „-s“ „Nohrs, Kerls, Teufels, Luders, Dragons ). Der Leutnant Ernst Albrecht von Herliberg aus dem Kurtembachischen Regiment Pappenheims verkörpert das Soldatenschicksal des Dreißigjährigen Krieges: er ist Bayer, Sohn eines Soldaten, der unter den Spaniern kämpfte, und wurde in den Niederlanden geboren; seine Mutter hat er nie gekannt. Er ist begeisterter Soldat, „da ist man kein Gelahrter, da kann man nit Latein wie ein Pfaff ...; er sucht vergeblich nach dem Ort des Konzils von „Tri-—- Trio ——— (6 77). Fremdwörter kennt er nur aus seinem soldatischen Interessen¬ bereich. Diese häufen sich in dem Gespräch mit dem Oberviertelmeister Till, er will ihn verspotten und ihm imponieren (S. 100). Sein Deutsch bewegt sich zwischen gehobener Verkehrssprache und Hochsprache mit den üblichen Archaismen. Im Verkehr mit Höhergestellten und in Gemütserregung wird seine Sprache feiner. Die mundartlichen Anklänge häufen sich, wenn er sich an seine Reiter wendet und da er, gleichsam sich selber freundschaftlich tröstend, sein Gewissen wegen der getanen Untat beruhigen will (S. 170). Die Schriftstellerin färbt vor allem die Rede individuell hervortretender Sol¬ daten stark mundartlich, verzichtet dabei aber auf die Charakterisierung ihrer Heimatmundart: der Dialog zwischen dem Ilzstädter und dem Braunauer spielt sich in demselben Steyrer Dialekt ab wie die Reden der Ansässigen. Die anonyme Masse der Soldaten hingegen spricht in dem Roman nahezu hochsprachlich: darin liegt ein gewisser Verzicht der Schriftstellerin, die zusammengewürfelte Meng der Soldaten sprachlich differenzieren zu wollen, ein Verzicht auf Naturtreue zu¬ gunsten der Einheitlichkeit des Nomans. Begoy, kann in Der kaiserliche Kommandant von Steyr, Oberstleutnant einer Sprache seine Bindung an Wien nicht verleugnen: Wiener Gemütlichkeit und Warmherzigkeit, aber auch Unschlüssigkeit und Hilfsbedürfnis bestimmen auch seine Sprachhaltung. Er spricht eine warme Verkehrssprache, die im Verkehr mit Vor¬ gesetzten bis zur Hochsprache emporsteigt. Sie erhält aber sofort eine mundartliche Färbung, wenn er sich empört gegen eine Ruhestörung wendet, wenn er sich hilfe¬ lehend an seinen Adjutanten wendet oder wenn er sich mitleidig für Herliberg einsetzt. Sein Hauptmann de Layre besuchte die Jesuitenschule und redet „Latein wie ein Pater“. Er spricht daher ein feines gepflegtes Hochdeutsch, das sogar ans Kanzleideutsch anklingt („Unser beeden Gouvernements“ S. 27). Oberst Walkun von Herberstorff, der Bruder und Vertreter des Statthalters, spricht seiner Stellung und Würde entsprechend eine Hochsprache, so paßt er sich deren Sprachgebrauch durch eine etwas volkstümlichere Redeweise an Es hieße einem Kunstwerk wie diesem Noman Gewalt antun, wollte man es als Quelle für sprachwissenschaftliche Studien verwerten. Strenge Gesetz¬ mäßigkeit in der Sprachgestaltung würde das Leben der Gestalten des Nomanes ersticken. Gerade die fließende, anpassende Sprachformung stellt die Gestalten der „Armen Margaret“ mitten ins Leben. Mit intuitiver Sicherheit traf Enrica 147
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