75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

Der Einfluß der Mundart auf die Sprache in der „Armen Margaret“ weicht dem der schriftlichen Quellen in demselben Maße, wie der Bedeutungsgehalt der Sprachelemente zunimmt. Laute und Endungen fußen im wesentlichen auf der Mundart, bei der Wortbildung und -biegung beginnt der Einfluß der Chroniken schon zu wachsen, Wortwahl und Syntax sind fast ganz von ihnen bestimmt. Parallel zu dieser Erscheinung läuft die Tatsache, daß die Sprachelemente räum¬ lich umso schwieriger festzulegen sind, je mehr sie an Eigenbedeutung zunehmen. Eine Darstellung aller in der Sprache der „Armen Margaret“ vorkommen¬ den oberösterreichischen oder gar gesamtösterreichischen Sprachelemente würde den Nahmen dieses Aufsatzes sprengen. Nur auf einige wesentliche Mundart¬ erscheinungen sei noch hingewiesen, die nicht auf die Gegend von Steyr be schränkt sind. Das helle „a“ für mittelhochdeutsches „ä“ ist ein gemeinbairischer Laut; er wird in dem Noman gelegentlich angedeutet: „narrisch“, „stad“ (stäte, ruhig), „zarren“ (zerren). Die mundartlichen Zwielaute für die mittelhochdeutschen Diphthonge „no“, „üe“ überwiegen die neuhochdeutschen Monophthonge „u“, „ü“: „Bua, Bueb, bsuachen, müessen, Füeßen“. Die Verdumpfung des „a“ zu dem zwischen „a“ und „o“ liegenden Laut wird durch „o“-Schreibungen angedeutet: „wos, hot, woahr". Gerundete Laute werden im Bairischen entrundet: „behieten' behüten), „Teifel“ (Teufel), „Freiln“ (Fräulein), „Messererkreiz“, „Leitenant Im Gegensatz dazu erfahren Vorderzungenlaute wie „i“ und „e“ vor „l“ eine Rundung: „ölendig“ (elendig). Der geschlossene „e“-Laut, der sich aus zu „e umgelautetem „a“ und teilweise auch aus germanischem „e“ entwickelt hat, konnte chriftlich durch „ö“ wiedergegeben werden, da dieser Laut durch Entrundung eben¬ alls zu geschlossenem „e“ geworden war: „aufspörren, Schröcken, Kössel“. Daß „ie“ vor „n“ zu „ea“ wurde, läßt sich nur aus den Schreibungen „eahm“ (ihm), „eahna“ (ihnen) erkennen, während in „Diendl“, „niemd“ (niemand) und „grien¬ glasern“ (grüngläsern) das „ie“ beibehalten wurde. (Mittelhochdeutsches „üe“ wurde durch Entrundung ebenfalls zu „ie“.) Die Vorsilbe „ge-“ verlor vor Gleitelauten ihren Vokal, in folgenden Ver¬ schlußlauten ging sie gänzlich auf: „glegn“ (gelegen), „gritten, „gfangen“; „brochen“ (gebrochen), „tan (getan), „kummen“ (gekommen). Die Nachsilbe re“ fiel mit wenigen Ausnahmen, die durch die Flexion bedingt sind, aus: „ein halb Kompanie“. Gewollte Archaisierung ging beim Abfall der Flexionsendungen weit über den heutigen Mundartgebrauch hinaus. Die alten Dualformen „es“, „enk“ (ihr, euch) werden im Sprechverkehr der Mundartsprecher häufig verwendet: „ös möchts“. Die alte, heute noch in der Mundart geübte Unterscheidung der drei Geschlechter des Zahlwortes „zwei“ wird in dem Noman angestrebt: „zween Täg“, „zwo Ellen“, „zwei Pfund“. Beim Verbum scheinen die weitverbreiteten Formen „ich han“ (ich habe) und „ich därf (ich darf) auf. In der 1. Person des Singulars wird das germanische „e“ des Stammes analog zur 2. und 3. Person „I“: „ich stirb, ich hilf, ich wird“; die daneben vorkommenden „e“-Formen gelten als feiner. Die zusammengesetzten Ortsadverbia setzen wie in unserer Mundart ihre Teile in verkehrter Reihenfolge: „außa“ (aus-her), „einö“ (ein-hin), „tani“ (dan-hin). Andere Adverbien lauten vielfach auf „-en“ („dorten — durten“, „jatzten — jetzten — irzten“ (oder auf „- 141

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