75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
Aber auch echte Tiroler zeichnete ich in meinen Werken. „Der Blumenteufel' ist eine kleine Arbeit, aber ihr Held, der Gottlieb Schmied aus See im Paznaun¬ tal, war ein Tiroler vom besten Schrot und Korn. Ich erinnere dann an Doktor Gheri, den Arzt Sands in meiner Sand-Trilogie, den Rudolf Henz die best¬ gezeichnete Gestalt der ganzen Trilogie nennt*), und an die Verbindlichkeit zweier edler, noch lebender Tiroler Priester für die beiden Mönchsgestalten in „Frau Maria“.6) Ein Insbrucker hat im schönen Gedenkbuch des Verlags Kösel in München die Zusammenhänge unserer Familie mit Südtirol herausgestellt?), auch den Einfluß interessant beleuchtet, den Tiroler Klosterfrauen auf mich während des „denk¬ würdigen Jahres in St. Pölten“ genommen haben. Mater Lidwina von Pupetschek, die in Brixen verstorbene Kalterer Arztenstochter, war es neben Maria von Mörl, deren Schilderungen vom Leben und Leiden der Südtirolerin Maria Mörl sich so tief in mein Gemüt gruben, daß noch heute meine Einbildungs¬ kraft davon befruchtet wird Aber schon im Augenblicke, da ich die Flügel regte zur ersten Ausfahrt ins literarische Land, zum „Meinrad Helmperger“, gab mir ein Tiroler den Reise¬ segen — ohne daß er es selbst wußte — das war der junge Kaplan Reimmichl, dessen „Blueh-Moidele“ mir damals Freund Franz Eichert in die Hand gab: „Der kann was! Das müssen Sie lesen. Ich las es mit vielen Tränen und es hat gleich seinen herrlich bodenständigen Gefährten und Gefährtinnen im roten Büchlein „Im Tirol drin“, meinen Sinn fürs Geradlinige, Einfache, Volkhafte wunderbar gestärkt. Und wenn ich Neimmichls gedenke, muß ich auch Bruder Willram nennen: ung, glühend, wortgewaltig stand er auch damals auf. Und Marie von Buol darf ich nicht vergessen. Auch sie gab mir unser Eichert zu lesen, und auch sie liebe und lese ich noch heute wie die beiden vorgenannten großen Tiroler. Und den dritten, Karl Domanig, den schon lang Verewigten, vergesse ich nicht So hat das fromme Land Tirol mir Blut, Frömmigkeit, Ansporn zu volks¬ tümlichem Schaffen gegeben, Grund genug, daß ich sein in innigem Dank gedenke. Damit spricht Handel-Mazzetti ein Charakteristikum ihrer Art und Kunst aus: den Zug zur Volkskunst, zur typischen Gestaltung ihrer dichterischen Kämpfer. Es sind fertige Menschen an kritischen Zeitpunkten, in schweren Entscheidungen 5) Der im „Blumenteufel“ und in „Ilko Smutniak, der Ulan“ auftretende Arzt ist Dr. Anton Scheiber aus Schattwald bei Reutte, in Tirol, ein Schüler Billroths und Eiselsbergs. Er wirkte als Gemeinde- und Bahnarzt in Vöcklamarkt (Oberösterreich) und als Regimentsarzt im Gar¬ nisonsspital zu Linz. Er starb mit 62 Jahren. Ein Marmordenkmal an der Pfarrkirche zu Vöcklamarkt erinnert an den geschätzten Chirurgen und großen Menschenfreund. Für Dr. Gheri stand noch eine entfernte Tiroler Verwandte, Hedwig Heufler zu Nasen, Folie. Der eine, der Soldatenvater Georg Harrasser aus Bruneck im Pustertal, hat indessen auch schon lange das Zeitliche gesegnet. Der großartigste Typ gelang der Dichterin wohl in Albert Grünwald („Stephana Schwertner"), den sie aus dem einstmals berühmten Schnalser Karthäusertal bei Meran stammen läßt. Er trägt Züge des Benediktiners Bernard Grüner in Lambach (geb. 1850 in Karthaus). Enrica von Handel-Mazzettis Persönlichkeit, Werk und Bedeutung, herausgegeben von Paul Siebertz, München 1930, G. 415 ff. 130
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