75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

Im Laufe eines halben Jahrhunderts sind reichliche Geschichtsquellen aus allen Teilen des Landes in das Sammelbecken des Landesarchivs geflossen. Manche dieser Bestände haben, wie einst schon in den Franzosenkriegen, auch in diesem Völkerringen ihre Aufbewahrungsstätten verlassen müssen, um vor dem unsere Landeshauptstadt Linz bedrohenden Bombenhagel an geschützten Land¬ orten in Sicherheit gebracht zu werden. Sie haben keine Verluste zu verzeichnen und werden wieder in ihr schon viel zu eng gewordenes Haus zurückgeführt, das glücklicherweise von den Luftangriffen nicht betroffen wurde. Daß der Fülle kulturgeschichtlicher Dokumente endlich ein zweckdienlicher Neubau die nötigen Näume biete, wird auf lange Zeit wieder unerfüllbarer Wunsch bleiben. Schon oft haben kundige Hände den vergilbten Schriften, stummen Kündern reichen geschichtlichen Geschehens neues Leben verliehen, hat Forschergeist aus ihnen Kulturbilder voll Frische und Farbe entworfen. Viele Bausteine für eine wahrheitsgetreue Landesgeschichte harren noch der Bearbeitung. In Zeiten der Not soll gerade unserer Jugend der aus den alten Schriftdenkmalen fließende Quell der Heimatgeschichte aufs neue erschlossen werden, damit sie in der durch denkwürdige Vergangenheit geheiligten Vätererde kräftige Wurzeln fasse. Bibliotheken sind die Rüstkammern für das geistige Schaffen der Menschen. Schon im Mittelalter wandten die Klöster ihr besonderes Augenmerk der Aus¬ gestaltung ihrer Bücherschätze zu. Als der Adel und die Städte politischen und wirtschaftlichen Einfluß gewannen, sammelten auch sie mit Vorliebe Druckwerke uind legten Büchereien an. Bis zur Gegenwart hat sich ein ansehnlicher Bücherbestand im Lande Ober¬ österreich erhalten. Bedeutung für alle, die sich mit wissenschaftlichen Studien befassen, hat die Studienbibliothek in Linz erlangt.?) Den Grundstock dieses von Kaiser Josef II. im Jahre 1774 gegründeten Institutes bildeten Handschriften und Bücher aus den aufgehobenen Kloster- und Jesuiten-Bibliotheken. Hunderte mittelalterlicher Pergamentkodizes mit prächtigen Miniaturmalereien aus ehe¬ maligem Klosterbesitz und gegen 1000 Wiegendrucke zählen zu den Kostbarkeiten der Anstalt. Alte Drucke in vollendeter Technik und mächtige Schweinslederbände füllen die Räume, alle graphischen Künste sind in Prachtwerken vertreten. Zahl¬ reiche Landkarten und kunstvolle Bucheinbände vom 16. —18. Jahrhundert er¬ höhen den wissenschaftlichen Wert der Sammlungen Ein Mißgeschick waltete über der räumlichen Unterbringung der Studien¬ bibliothek, für welche seit der Josefinischen Zeit das Stift Kremsmünster auf¬ zukommen hatte. Wegen großer Bauschäden am Bibliotheksgebäude in Linz, Landstraße 30, mußte die Bücherei im Jahre 1924 behördlich gesperrt werden. Jahre hindurch fristeten die in Kisten verpackten Bücherschätze in entlegenen Lager¬ räumen ein kümmerliches Dasein. Daß sie vor dem Verfall gerettet wurden und eine ihres Kulturwertes würdige Heimstätte fanden, ist das bleibende Verdienst des Heimatforschers Dr. Schiffmann, der im Jahre 1908 zum Bibliotheksleiter ernannt wurde. Mit ihm erhielt die Bibliothek nach jahrzehntelanger Vernach¬ ?) K. Schiffmann, Die k. k. Studienbibliothek in Linz. Mitteilungen des österreichischen Vereins für Bibliothekswesen Ig. 12 (1908) G. 67 ff. — Derselbe, Die Bundes-Studienbibliothek in Linz. Oberösterreich. Land und Volk (Wien 1926) S. 139 ff. — Vgl. Fr. Berger, Dr. Konrad Schiffmann. In „Der Heimatgau“, III. Jg., O. 114 ff. 118

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2