75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
Nicht bloß den Archiven der Gemeinden, sondern auch den bedrohten Zunft¬ gegenständen wandte sich das Augenmerk des Landesarchivs zu. Gerade hier mußte der Archivschutz des Landes eingreifen, um zu retten, was an Quellen zu der bisher wenig erforschten oberösterreichischen Handwerksgeschichte noch vor¬ handen war. Die Bemühungen waren von Erfolg. Die politischen Umwälzungen des Jahres 1918 brachten zur Verwirklichung, was lange angestrebt worden war, die Entstehung eines Zentralarchivs in Ober¬ österreich. Durch die Vereinigung der staatlichen und autonomen Verwaltung hatte das Landesarchiv auch die Aufgaben eines Staatsarchivs zu übernehmen und nun flossen ihm in rascher Aufeinanderfolge die Akten der Statthalterei und jene bedeutsamen Archivkörper zu, welche zwei Hauptzweige des oberösterreichischen Wirtschaftswesens, das Salinenwesen und die Eisenindustrie, betrafen. Zu den Schriftdenkmalen, die im Laufe des 19. Jahrhunderts infolge mangelnden Verständnisses der Behörden und Einzelpersonen am schwersten ge¬ litten haben, zählen diejenigen der aufgehobenen Klöster. Die Erwerbung der Stiftsarchive Mondsee, Garsten, Gleink und Spital a. P. war daher sehr zu begrüßen. Mit Genugtuung, ist festzustellen, daß in den Wirren der letzten Jahre, die den Besitzstand der oberösterreichischen Klöster und damit auch deren Archive bedrohten, die Stiftsarchive dank dem durch das Landesarchiv ausgeübten Schutz keinen Schaden litten. Im Jahre 1941 wurde das Klosterarchiv Lambach nach Linz überführt Das Denkmalschutzgesetz des Jahres 1923 und der 5 Jahre später im Bundes¬ kanzleramt geschaffene Archivbeirat boten die Handhabe, daß der Leiter des Landesarchivs über sämtliche Schriftdenkmale des Landes den Archivschutz aus¬ üben konnte. Dank dieser gesetzlichen Regelung war eine Einflußnahme auch aus die wertvollen Schloßarchive möglich, die sich insofern günstig auswirkte, als ein Überblick über deren Inhalt gewonnen wurde und mehrere Herrschaftsbesitzer ihre Archive fachmännisch ordnen ließen. Es war das unablässige Bemühen des Landesarchivs, die über ganz Ober¬ österreich verstreuten Archivkörper zu verzeichnen und der Verwaltung und Wissen¬ schaft dienstbar zu machen. In mühevoller Arbeit sind u. a. sämtliche Gemeinde-, Kloster- und Zunstarchive inventarisiert worden. Soll das Archivwesen im Lande eine gedeihliche gleichmäßige Entwicklung nehmen, dann muß die Fürsorge bereits den Registraturen zugewendet werden. Wie viel geschichtlich wertvolles Material ist durch unbedachte Aktenausscheidung verloren gegangen, die in vielen Fällen Verwaltung und Wissenschaft schwer schädigte. Gemäß den Verfügungen der oberösterreichischen Landesregierung von 1920 und 1921 obliegt die Überprüfung der Registraturen und Aktenskartierungen dem Landesarchiv. Dadurch ist die Vernichtung wichtiger Schriftstücke verhindert und der geregelte Aufbau künftiger Archivkörper gewährleistet. Ein wohlgeordnetes Archivwesen bildet die Grundlage für die Pflege der Heimatforschung und leistet der Verwaltung unentbehrliche Dienste. In Zeiten politischer Umwälzungen und innerer Neugestaltungen, wie wir sie in den letzten 30 Jahren schon wiederholt erlebt haben, gewinnen die Archive erhöhte Bedeutung. Sie können in Fragen des rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens, deren Verständnis nur durch Ergründung des geschichtlichen Werdens erreicht wird, immer wieder mit Erfolg zu Nate gezogen werden. 117
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2