75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
im Marmorsaal Motetten alter Meister, sowie von Bruckner, Müller und David Endlich vervollständigte die Streicher-Vereinigung Palma von Paszthory das Programm durch die Darbietung des Streichquintettes von Bruckner. Inzwischen hatte die Bruckner-Bewegung immer weitere Kreise gezogen und die bei der Internationalen Bruckner-Gesellschaft angesuchten Bruckner-Feste drängten sich. Nun faßte man auch in Linz den Entschluß zur Abhaltung jähr¬ licher Feste in Linz, St. Florian und Steyr unter der Devise „Kunst und Kultur im Bruckner-Land“. Diese Feste, unmittelbar vor den Salzburger Festspielen anberaumt, sollten auch das internationale Konzert-Publikum nach Oberösterreich lenken und mit Bruckners Kunst, den Bruckner-Stätten und der Kultur des Landes vertraut machen. Das erstklassige Orchester und prominente Bruckner-Dirigenten sollten für die Festkonzerte in der großen Konzerthalle herangezogen werden. Außer in Linz waren Aufführungen in St. Florian und Steyr geplant. Zu den ersten dieser Veranstaltungen waren die Wiener Philharmoniker unter dem Diri¬ genten Bruno Walter, Eugen Ormandy, Dr. Volkmar Andreas, Oswald Kabasta u. a. herangezogen worden. Für das Jahr 1938 war ein ganz großes internatio¬ nales Bruckner-Fest vorbereitet, das die Darbietung aller großen Werke des Meisters vorsah und in Wien enden sollte. Im Mittelpunkt sollte ein inter¬ nationaler Orgelwettbewerb für Improvisatoren stehen, aber die Unterjochung Österreichs verhinderte die Durchführung. Erst 1939 kam ein ähnliches Pro¬ gramm, aber ohne Orgelwettbewerb, bei dem Großdeutschen Bruckner-Fest in 1. Linz, St. Florian und Wien zur Durchführung. Dieses Fest entsprach noch den Richtlinien der J8G. und auch Aufführungen im Nahmen des Gottesdienstes waren noch möglich. Bald aber wagte man mit frevelhafter Hand den Griff nach dem Stift St. Florian. Die Chorherren mußten auswandern, das Stift wurde zu Gunsten des Gaues beschlagnahmt und diente vielfach dem Gauleiter und seinen Kumpanen zu Zechgelagen. Im Frühjahr 1941 aber wagte man es, dort „Bruckner-Festtage“ anzuberaumen und den Gedanken des Orgelwettbewerbes sich anzueignen. Das Spiel war jedoch nur für ober¬ österreichische Bewerber ausgeschrieben und bei demselben gingen aus dem trengen Urteil der Preisrichter Professor David-Leipzig und Professor Josef Meßner-Galzburg zum Entsetzen des Herrn Gauleiters zwei Priester als Preis¬ träger hervor, die Brüder Hermann und Josef Kronsteiner aus Linz. Das war die moralische Ohrfeige, die der Gauleiter für seine Ernennung der Stiftskirche zur „Orgelhalle“ hatte einstecken müssen! Der Festredner aus Wien aber, der noch vor einigen Jahren bei einem Bruckner-Fest in Wien und Klosterneuburg Bruckner als den Ehrenchorherrn des Stiftes gepriesen hatte, dichtete ihn nun zu einem waschechten Nazi um. So wollte man den Meister „ehren“, dem man mit der Säkularisierung des Stiftes seine geistige Heimat geraubt hatte. Dabei hatte man noch die Unverfrorenheit, den Biographen des Meisters offiziell zum Feste einzuladen, der es aber ablehnte, sich an diesem Sakrileg zu beteiligen. In St. Florian zog dann der Intendant des Großdeutschen Rundfunks ein, der beauftragt war, daraus eine bedeutende Kunststätte zu machen. Nun aber ist St. Floxian wieder seiner Jahrhunderte langen Bestimmung zurückgegeben. 110
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