75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

keine Konsonanz enthalte. Die Hochromantik, die David vielverheißend in seinen früheren Werken gepflegt hatte, war für ihn nun überwunden. Professor Marz aber, dem David diese Symphonie vorlegte, gab das Urteil ab: Das ist ein Gesuch an den Steinhof!). Einige Zeit darauf wurde David eingeladen, bei der Orgelweihe in Vöckla¬ bruck zu spielen, und ersucht, sich doch in vernünftigen Grenzen zu halten. Aber der Motor konnte nicht genug Wind erzeugen für den Klangorkan, den David Prälat Dr. Hartl aus St. Florian, der die der Orgel abzwang, und der selige Weihe vorgenommen hatte, erklärte später, er habe das Gefühl gehabt, der leib¬ hafte Satan hätte das Instrument gespielt. Der Verfasser dieses aber konnte nicht umhin, seinem jungen Freund zu erklären: Das war ein Brief aus dem Steinhof. Nun aber war die Periode des „Sturm und Drang“ vorüber! Es kam die Zeit der Einkehr, der Rückkehr zu den reinen Quellen der Kunst, zu einem tief¬ gründigen Studium alter Meister und vor allem Johann Seb. Bachs. Ein Jahr lang setzte das Schaffen aus, dann war eine große Läuterung vollzogen. Nun entstand ein Werk nach dem anderen für die Orgel: Toccata „Passamezzo“, etc., gekrönt von gewaltigen, alle Künste des Kontrapunktes heranziehenden Fugen. Der technische Grundzug all dieser Werke war lineare diatonische Schreibweise in bewußtem Gegensatz zu der Überromantik der Regerschen Orgelmusik mit ihrer chromatischen Hypertrophie. Mit einem Schlag war David in die erste Reihe neuzeitlichen Orgelschaffens emporgerückt, nachdem eine ganze Reihe dieser Werke in vornehmer Ausstattung bei Benno Filser in Augsburg erschienen war. Auch ein „Stabat mater“ für A cappella-Chor kam damals heraus Zu dieser Zeit gründete David in Wels auch den Bach-Chor, der neben den großen Motetten des Thomas-Kantors zahlreiche Werke der Vor-Bach-Zeit und auch moderne Chormusik in mustergültiger Weise darbot. So segensreich dieses Wirken für die Provinzstadt auch war, dieser Künstler bedurfte eines größeren Wirkungskreises, den man trotz aller Bemühungen in Wien und Österreich nicht finden konnte. So folgte David einem ehrenvollen Ruf an das Leipziger Konservatorium, nachdem der berühmte Meister des Orgel¬ spiels Dr. Karl Straube seine Orgelwerke kennen und bewundern gelernt hatte. Als Lehrer für Komposition zog er, dessen Name bald internationale Anerken¬ nung gefunden hatte, viele Schüler aus aller Herren Länder an, und als Leiter der dortigen Kantorei schuf er einen Musterchor. Breitkopf Bald gingen seine Werke an das vornehmste Verlagshaus, an und Härtel, über und der Meister krönte sein Orgelschaffen mit dem mehrbän¬ digen „Choralwerk“, einer Sammlung von Stücken über die protestantischen Choräle des ganzen Kirchenjahres. Nun trat eine neue Wendung im Schaffen Davids ein: er wandte sich mehr und mehr der Orchestermusik und kammermusi¬ kalischen Werken zu, mit denen die bedeutendsten Dirigenten und er selbst in vielen Städten hervortraten. Von den drei neuen Symphonien brachte David eine persönlich in Linz zur Aufführung. Diese immer abstrakter werdende Kunst, die keinerlei Konzessionen an den Tagesgeschmack macht, ist freilich noch um¬ stritten. 1) Irrenanstalt bei Wien. 107

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