75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
eigen ist. Als Chorkomponist erhielt er wertvolle Anregung als einstiger Chor¬ meister des „Sängerbund“. In diesen zahlreichen Männer-, Frauen- und ge¬ mischten Chören strömt er seine im Volkstümlichen wurzelnde Musikalität frei aus. Auch mehrere größere Orchesterwerke fanden in Linz beifällige Aufnahme In der Abgeschiedenheit des Stiftes St. Florian war noch unter den Augen Bruckners ein junger Kleriker, Franz X. Müller, zu einer vielverheißenden Be¬ gabung herangereist. Er erhielt seine musikalische Ausbildung durch den gewiegten Kontrapunktiker Johann Ev. Habert in Emunden und J. V. v. Wöß in Wien und bildete sich vor allem durch das Studium der Werke Bruckners weiter. Neben einer Tätigkeit als Organist und später als Chorregent schrieb der junge froh¬ gemute Priester zunächst eine große Anzahl heiterer Gebrauchsmusik und trat vielfach, mit glänzender Baßstimme begabt, als Solist auf. Im Laufe der Jahre aber reifte unter seinen Händen in aller Stille ein Werk heran, in das der Augustiner Chorherr all seine Verehrung für den Ordensstifter in Wort und Ton niederlegte: das riesige Oratorium „Augustinus“, das neben Liszts „Christus zu den umfangreichsten Werken dieser Gattung gehört. Bewußt wendet der Künstler, je nach dem Textvorwurf, die Stilarten aller Musikepochen vom ein¬ fachen A cappella-Stil bis zum modernen Chorsatz mit Orchester an. Aber gerade der große Umfang des Werkes und die Weigerung des Kom¬ ponisten, etwas zu kürzen, verhinderte die Aufführung des prächtigen Werkes. Erst nachdem Müller als Domkapellmeister nach Linz übersiedelt war, gelang es, das Oratorium durch die Initiative Dr. Franz Ahorners und dem Zusammenwirken der Linzer Gesangvereine, mit Hilfe von Wiener Solisten unter des Komponisten Leitung zur Uraufführung und unter Massenbeteiligung von Musikfreunden aus dem ganzen Lande zu mehreren Wiederholungen zu bringen. Einzelne Teile ge¬ langten später auch in Wien, und das Vorspiel mehrmals in Linz zur Aufführung. Inzwischen waren weitere Werke ernsten Stils herangereift. Die Sym¬ phonie D-Moll, die Augustinus-Messe, viele Motetten sowie Lieder, Orchester¬ und Kammermusikwerke, die alle in Kirche und Konzertsaal auch außerhalb der Landeshauptstadt Verbreitung fanden. Bruckner Nachblüte Anfang der dreißiger Jahre aber begann ein neuer Stern über dem Lande aufzuleuchten, der sich ebenfalls aus dem Schoße von St. Florian erhebt: Johann Nep. David! Als Sängerknabe stand er im Banne der berühmten großen Orgel Kris¬ manns in St. Florian und erhielt durch Franz Müller die erste musikalische Ausbildung und die ersten Eindrücke von alter A cappella-Musik, die neben dem Klang der Orgel grundlegend war für sein späteres Schaffen. Frühzeitig schon und dann als junger Lehrer versuchte er sich zunächst in der Chorkomposition und bald hatte er sich völlig autodidaktisch zur Höhe der zeitbedingten Hoch¬ romantik emporgeschwungen. Durch zeitweilige Beurlaubung vom Lehrfach wurde es ihm ermöglicht, sich zu ernstem Musikstudium nach Wien zu begeben, wo er bei Josef Marz und nebenher bei Arnold Schönberg Komposition studierte. Durch den Einfluß des letztgenannten Lehrers kam er nun ganz ins Fahrwasser der Hypermoderne und Atonalität. Eine Symphonie „Media in vita, die David in Linz zur Aufführung brachte, erregte größtes Aufsehen und errang sich, trotz ihrer bereits hochgradigen Modernität, großen Beifall. Von der ihr folgenden Symphonie, die freilich niemals zur Aufführung kam, rühmte David, daß sie 106
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