75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

Musikpflege während der Schaffenszeit Enrica von Handel=Mazzettis. Mar Quer. Die ersten viereinhalb Jahrzehnte des Jahrhunderts, die die Schaffenszeit unserer Dichterin einschließen, zeigen uns das schmerzdurchfurchte Antlitz einer von zwei Weltkriegen durchtobten unglücklichen Zeit. Zweimal griff die Furie des Krieges nach den Kulturträgern und den Kulturgütern, um sie mit erbarmungs¬ loser Faust zu zermalmen. Im Abendrot der Kaiserzeit begann der dichterische Stern aufzuleuchten — im Morgenrot des kommenden Weltfriedens kann die Jubilarin beglückt und gefeiert auf ihr getanes Werk zurückblicken. Trotz aller Hindernisse und Unterbrechungen konnte sich auch die Musikpflege dieser Zeit entwickeln, Meister von bleibender Bedeutung hervorbringen und strahlende Höhepunkte erklimmen. Der ausgehenden Kaiserzeit gab August Göllerich als Direktor des Linzer Musikvereines das musikalische Gepräge. Kurz vor dem Hinscheiden Anton Bruckners war Göllerich nach Linz berufen worden. Seine erste traurige Pflicht war es, den Linzer Musikverein beim Leichenbegängnis des Meisters, dessen Biograph er werden sollte, zu vertreten. Bald tauchte in Linz der Gedanke auf, dem großen Landeskind ein Denkmal zu setzen. Göllerich aber war der Ansicht, dem Meister statt eines äußeren Denk¬ mals ein lebendes durch rationelle Pflege seiner Werke in der Landeshauptstadt zu errichten. Der Gemeinderat kam diesem Wunsch durch Stiftung von Bruckner¬ Konzerten entgegen, die jedes zweite Jahr in Linz stattfinden und neben den bereits veröffentlichten Werken auch der noch ungedruckten größeren Schöpfungen zum tönenden Leben zu verhelfen Das erste dieser zehn „Palmsonntag-Festkonzerte“ fand am 20. März 1898 mit der 1. Symphonie, dem siebenstimmigen „Ave Maria“ und dem „Credo“. der „Großen Messe“, f-moll, das letzte am 28.März 1920 mit der „Großen Messe“ und der 1. Symphonie statt. Der Schauplatz dieser Bruckner-Festkonzerte, die zuerst vom Linzer Orchester, später vom Wiener Konzertvereinsorchester gespielt wurden, war der Kaufmännische Vereinssaal, an dessen Stirnseite das überlebens¬ große Bildnis des greisen Monarchen Franz Josef l. prangte. Die Chöre waren aus den besten Sängern der Linzer Gesangvereine zusammengestellt. An unver¬ öffentlichen Werken erklangen hier zum erstenmal des Meisters „Nequiem“, die „Missa solemnis“, b-moll, der 114. Pfalm und kleinere Chorwerke. Nach und nach wurden diese Festkonzerte zu ersten musikalischen Ereignissen, zu denen Fest¬ gäste aus Wien und den Nachbarländern erschienen. Es war dies der erste Bruckner-Zyklus, allerdings auf zwanzig Jahre verteilt In den statutenmäßigen Konzerten des Musikvereines brachte Göllerich neben Bruckner und berühmten Werken der musikalischen Weltliteratur als ehe¬ maliger Schüler Franz Liszts vor allem auch dessen Symphonische Dichtungen, Klavierkonzerte mit seiner Gattin Gisela Göllerich am Klavier und andere seiner Werke zum Erklingen. Mit den Gesangvereinen „Sängerbund“ und „Frohsinn“, die später zusammengelegt als „Sängerbund-Frohsinn auftraten, wurden Bruck¬ 103

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