60 Jahre GWG Steyr
15 Zwischen Traum und Wirklichkeit dürften sich die neuen Hausbewohner Ende 1956 wiedergefunden haben. Da gab es zunächst die erste weltweit übertragene Eurovi- sionsshow mit der Märchenhochzeit von Gracia Patricia mit Fürst Rainier von Monaco und kurz darauf die Inva- sion der Russen in Ungarn. Mit der anschließend einset- zenden Fluchtbewegung gelangten knapp 1.200 Unga- rinnen und Ungarn nach Steyr, wo sie in aller Eile, aber voller Hilfsbereitschaft aufgenommen wurden. Violetta Hargitay – sie lebt jetzt in Kalifornien – schrieb dem Stadtarchiv 2007 die Geschichte, wie sie ihre Mutter erzählte: „Zu Fuß waren die Eltern nach dem Einmarsch der Russen im Dezember 1956 aufgebrochen, um nach Österreich zu fliehen. Sie stapften durch kniehohen Schnee in jene Richtung, wo sie die Grenze vermuteten. Ich war damals gerade erst 9 Monate alt. Tatsächlich ge- lang es meiner Familie, österreichisches Territorium zu erreichen und sich der Grenzpolizei zu stellen. Genau am Christabend 1956 wurden wir mit zahlreichen anderen Flüchtlingen in das Lager Steyr überstellt und herzlich aufgenommen. Es befand sich auf dem Areal der hiesi- gen Artilleriekaserne und war für die Neuankömmlinge notdürftig, aber freundlich eingerichtet.“ Neun Monate sollten vergehen, ehe die Familie den Ausreiseantrag in die USA vorgelegt bekam. Eine lange Zeit, in der sich Mutter und Tochter nur mit einer Betreuerin auf dem ein- gezäunten Areal bewegen konnten. Ausschließlich in Superlativen schreiben die Zeitungen über die neuen öffentlichen Bauten in den ständig wach- senden Stadtteilen. Den Beginn machte Ende 1955 die 20-klassige Volks- und Hauptschule auf der Ennsleite, geplant von den Architekten Schlacher und Zita, die als die „größte und schönste des Landes“ zu Buche steht. Im Oktober 1957 folgte der Kindergarten Taschelried, dem die Steyrer Zeitung ebenfalls dieses Prädikat verlieh. Für Aufsehen und kontroverse Meinungen sorgte hinge- gen der Bau eines Hochhauses an der Färbergasse, der Violetta Hargitay als Kind in Steyr 1956 Arbeiterkammer und Hochhaus „Färbergasse“ 1959
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