Festschrift 50 Jahre Befreiung Österreichs

Dachau verschleppt wurden und sich die ersten il– legalen Widerstandsgruppen bildeten, entfaltete sich der Antisemitismus auf der Straße. D er rassistische Antisemitismus führte zu nächst dazu, daß in der sogenannten Reichs– kristallnacht, am 9. November 1938, Synagogen und Bethäuser in Brand gesteckt und zerstört, später dann zehntausende jüdische Mitbürger unseres Landes in Massentransporten in Konzentrationsla- ger gebracht und die meisten von ihnen schließ– lich im Zuge der „Endlösung der Judenfrage" in Auschwitz und anderen Vernichtungslagern gemar– tert und ermordet wurden. D ie nazistische Rassenverfolgung führte zu einer fast völligen Ausrottung der vor allem im Burgenland ansässigen Zigeuner, die ebenfalls in die Konzentrationslager deportiert und dort ermordet wurden.. Das ,Mädchen mit den schwarzen Augen" · mit "Nordischer List" ins Konzentrationslager Sidonie D ie 1933 geborene Sidonie Adlersburg war als Findelkind von der Familie Josefa und Hans Breirather liebevoll aufgenommen und gemeinsam mit dem Sohn Manfred aufgezogen worden. Es hät– te alle Chancen gehabt, der Vernichtungs– maschinerie der Nazis - als Zigeunerkind stand Sidonie auf der Nazi-Liste minderwertiger Rassen - entgehen zu können. D enn die Familie des bekannten Arbeiter– funktionärs, Februarkämpfers Hans Breirather 6 wandte alle Mühe auf, um dem Mädchen auch in der schwierigen Kriegszeit eine freundliche Kind– heit zu ermöglichen. D ie kleine Sidonie wurde der Familie Brei– rather durch eine „nordische List" entrissen. Vom Jugendamt Steyr wurde nämlich der Familie erklärt, daß die Mutter des Mädchens aufgefunden werden konnte und das Kind daher „zur Mutter ge– höre". Hans Breirather glaubte, der Mutter ihr Kind nicht vorenthalten zu können und mußte schwe– ren Herzens mitansehen, wie Sidi, so nannte man das kleine Mädchen in der Ortschaft Letten, von einer Fürsorgerin weggebracht wurde. D ie Fürsorgerin, wie auch andere damals Verantwortliche des Magistrats Steyr, waren auch nach 1945 hochgeachtete Personen und konn– ten ·sich später an nichts mehr erinnern. V on einer sogenannten „Familienzusam– menführung'' konnte allerdings keine Rede sein. Denn in Hopfgarten in Tirol erwartete Sidonie nicht etwa die ersehnte leibliche Mutter, sondern eine stinkige, überfüllte Baracke. Das Kind wurde ganz einfach einem Transport von Zigeunern zugeteilt, der ins Konzentrationslager Auschwitz ging. D ort wurde Sidonie - sie war gut ernährt und kräftig- in eine Sonderabteilung gesteckt. Die Verbrecher im Ärztekittel - SS-Ärzte - probier– ten an ihr neue Medikamente aus. Der kleine Kör– per wurde mit Typhusbazillen verseucht, bis das Mädchen immer schwächer wurde. Als Sidonie für weitere Versuche nicht mehr kräftig genug war, wurde sie 1943 von der Nazi-Vernichtungs– maschinerie vergast. D er Fall Sidonie, das „MÄDCHEN MIT DEN SCHWARZEN AUGEN" ist auch ein Beweis für

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