Festschrift 50 Jahre Befreiung Österreichs

5 0 Jahre nach dem Elendsmarsch, denken die äl– teren Bewohner des Ennstales noch mit Grau– en an diese fürchterliche Zeit zurück. Ihre Gedan– ken und ihre Erinnerung aber sind auch das Einzi– ge, das an diesen Schreckensmarsch mahnt. Wäh– rend in jeder kleinen Gemeinde die Kameradschaft– verbände eifrig daran waren, Kriegerdenkmäler zu errichten, erinnert in der Eisenstraße kein Denkmal, kein Marterl an die Opfer nazistischen Vernichtungs– wahns. Ein Augenzeuge berichtet E in Holzarbeiter als Augenzeuge des Todes zuges auf der Eisenstraße berichtet: ,,Am Morgen nach dem Durchzug des Juden-Trans– portes ging ich mit einem ukrainischen Zwangsar- 13 beiter zu meinem Arbeitsplatz im Stocken– reitnergraben. Wir hatten unseren Elektromotor mit einer Kiste abgedeckt. Als wir hinkamen, lag die Ki– ste neben dem Motor, in der Kiste lag ein Mensch. Halberfroren, ausgehungert, teilnahmslos, aber noch am Leben. Wir gaben ihm heißen Kaffee und Brot, das tat ihm gut. Er erholte sich etwas und er– zählte uns von seinem Schicksal. Er war Jude, ein Weinbauer aus der Gegend des Plattensees. Sein ganzes Leben hatte er seinen Weinberg bestellt, hat– te gearbeitet und geerntet, bis ihn eines Tages die SS holte und ins Konzentrationslager steckte, weil er Jude war. Wir hätten ihn gerne versteckt und durchgefüttert, da kamen zwei Nazis von der Bewachungsmannschaft, rissen ihn hoch und trie– ben ihn fort. Was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht."

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