50 Jahre 12. Februar 1934

weinen". Aber die Gegensätze waren damals bereits zu groß. Nach Severs Referat gab es eine heftige Diskussion. In der Versammlung sagte ein alter Arbeiterkollege sehr richtig: ,,Worauf warten wir eigentlich noch? Wir haben ja sowieso nur mehr das Koalitionsrecht, alles andere haben sie uns genommen, und auch das Koalitionsrecht wird man uns noch nehmen, wenn wir immer wieder zurückwei– chen!" Der Appell Kunschaks kam zu spät. Wenige Tage später schon waren die Organisationen der Arbeiterschaft zer– trümmert. Wir hatten damals vereinbart, keine „wilden Aktionen" zu unternehmen. Sollte es zu Streikaktionen kommen , dann müßten diese zentral geführt werden. Die Betriebe sollten ihre Arbeit nur dann niederlegen , wenn ein Bote kommt und mitteilt , wann der Generalstreik ausgerufen werden soll. Die Spannung in den Betrieben war ungeheuer groß, die Leute waren auch sehr erregt, denn man spürte , daß etwas in Vorbereitung sei. Verschärfend wirkte sich aus, daß der damalige Vizekanzler und Innenminister Major Fey, der schon früher immer wieder harte Worte gefunden hatte, am 11. Februar meinte: ,,Wir werden an die Arbeit gehen, und wir werden ganze Arbeit leisten" - das ist mir noch lebhaft in Erinnerung. Nun, wir haben trotzdem gearbeitet , bis dann jene Kolle– gen, die außerhalb des Betriebes essen waren , zurückka– men und uns sagten , daß die Straßenbahn stehe und der Generalstreik ausgebrochen sein dürfte. Wir haben daher beschlossen, ohne den Boten abzuwarten , sofort in Streik zu treten. Als Mitglied des Republikanischen Schutzbundes ging ich in mein Sammellokal. Als ich dort mit meinen Freunden zusammentraf, erfuhr ich , daß bereits ein Genosse auf offener Straße nach einer Diskussion von der Polizei erschossen worden sei . Ähnlich sei es der Gruppe Münich– reiter gegangen , die von der Polizei auf ihrem Sammelplatz überrascht und zum Teil verhaftet wurde. Bei der Ausein– andersetzung war aber Münichreiter schwer verletzt worden. Das alles erfuhr ich in meinem Sammellokal. Für eine Gegenwehr hatten wir jedoch faktisch keine vernünftigen Waffen. Um dennoch unsere Freunde zu unterstützen , marschier- 14

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