500 Jahre Dominikaner und Jesuiten in Steyr

Festschrift anläßlich der Renovierung der Marienkirche 500 Jahre Dominikaner und Jesuiten in Steyr 1478 -1978 Herausgegeben von Manfred Brandl Steyr 1978 SELBSTVERLAG DER STATIO DER JESUITEN IN STEYR

Verzeichnis der Mitarbeiter Wirkliciier Amtsrat Adolf BODINGBAUER, Mühlviertier Heimathaus, Freistadt OO. — Schuhboden gasse 1, 4400 Steyr. DDr. Manfred BRANDL, Religionslehrer, RTL I, 4020 Linz — Azwangerstraße 42, 4400 Steyr — Kirchengasse 32, 4221 Steyregg. Hofrai Dr. Josef FRÖHLER, Gymnasialdirektor i. R., Ramsauerstraße 52, 4020 Linz. Pater Emil KETTNER SJ, Jesuitenresidenz, Stadtplatz, 4400 Steyr. Dr. Volker LUTZ, Leiter des Kulturamtcs der Stadt Steyr, Stadtplatz 25, 4400 Steyr. Pater Dr. Anton PINSKER SJ, Provinzarchiv der S.J., Dr. Ignaz-Seipel-Platz 1, 1010 Wien I. Druck: Wilhelm Ennsthaler, 4400 Steyr, Stadtplatz 26

INHALTSVERZEICHNIS Emil Kettner — Vorwort ^ Weihbischof Dr. Alois Wagner — Zum Geleit 9 Volker Lutz — Steyr und die Jesuiten (1631 bis 1773) 11 Josef Fröhler — Von der Kiostersdiule zum Gymnasium Das höhere Schulwesen in Steyr von 1500 bis 1773 17 Anton Pinsker — Die Jesuiten in Steyr im 19. und 20. Jahrhundert . . . 25 Adolf Bodingbauer — Die Marienkirdie in Steyr „Unsere liebe Frau vom Siege" ehemalige Dominikanerkirche, heute Jesuitenkirche 41 Manfred Brandl — Verzeichnis der Jesuitenpatres in Steyr (1632 bis 1773) 51 Anhang — Bildteil 57

Vorwort Gegen eine 500-Jahr-Feier der Marienkirche und die dazu notwendigen Restau rierungsarbeiten ließe sich manches vorbringen, z. B. „Altes soll vergehen — Neues entstehen", oder: „Die Kirche ist nicht dazu da, altes Gemäuer um jeden Preis zu erhalten, wenn Hunger und Not so groß sind in der Welt", oder: „Das Kulturgut vergangener Zeiten zu bewahren und weiterzugeben an kommende Geschlechter, ist Sache der öffentlichen Hand,die dafür Steuern eintreibt", schließ lich: „Priester sind Seelsorger und nicht Geld- und Bausorger". Nun, Kaiser Josef II. war nicht ganz letztgenannter Auffassung. Er hob alle Klöster auf, die nicht im Dienste des Unterrichtes und der Krankenpflege stan den. Für ihn war die Kirche in erster Linie Kulturträgerin, Volkserzieherin, verantwortlich für die Heranbildung guter Staatsbürger. So wurde die Domini kanerkirche in Steyr, wurden die Benediktinerstifte in Garsten und Gleink auf gehoben und ihre Besitzungen eingezogen. Soweit die Klosterkirchen nicht als Pfarrkirchen Verwendung fanden, verfielen sie dem Religionsfond, aus dessen Ertrag oder Erlös neue Pfarren errichtet, der Pfarrklerus entsprechend besoldet wurde (congrua sustentatio). Adolf Hitler hat diesen Religionsfond kassiert und es der Kirche selbst über lassen, wie sie ihre Seelsorger versorgt. Das geschah dann durch Einhebung der Kirchensteuer. Nach dem Krieg mußte alles neu geregelt, Unrecht wieder gut gemacht werden. So kam es 1963 zum neuen Konkordat zwischen dem Staat Österreich und dem Vatikan, in dem die offenen Fragen einvernehmlich geregelt wurden. Der Religionsfond blieb kassiert, es wurden jährliche Abschlagszahlun gen vereinbart, die ehemaligen Klosterkirchen den Diözesen zurückgegeben und ein Teil der Bundesforste — zum Großteil verstaatlichter Klosterbesitz — nämlich das Forstgut Weyer, den Diözesen übergeben, damit aus dessen Ertrag die Er haltung dieser kirchlichen Gebäude gewährleistet sei. So kam die ehemalige Dominikanerkirche in Steyr, die nicht Pfarrkirche geworden war, in den Besitz der Diözese Linz resp. grundbücherlich in den Besitz der Stadtpfarre Steyr, mit der Zuteilung eines von der Bischofskonferenz festgesetzten Anteiles am Ertrag des Forstgutes Weyer. 1865 haben Jesuitenpatres den Betrieb der Kirche übernommen. Als 1963 die Kirche in den Besitz der Stadtpfarre überging, der Ordensnachwuchs immer geringer und damit die Möglichkeit, geeignete Patres für die Seelsorge an der Marienkirche, besonders für die Jugendarbeit,freizustellen,immer mehr schwand, beschloß die Provinzleitung, die Residenz in Steyr aufzulassen, wie zuvor schon die Ordensniederlassungen in Wien 1. Am Hof, Salzburg und Graz geschlossen worden waren. Die energischen Bemühungen eines beachtlichen Teiles der Bevölkerung von Steyr wußten dies durch gezielte Interventionen bei Bischof und Provinzial zu ver hindern, sodaß es am 2. November 1973 zu einem Vertrag kam, in dem sich

Kettner das Provinzialat verpfliditete, für 15 Jahre zwei bis drei Patres für Steyr frei zustellen, die Diözese hingegen die Adaptierung der Wohnräume der Patres in der Kirche oder im anschließenden Dornhaus auf sich nahm.Dies sollte innerhalb von zwei Jahren gesdhehen. Das Jahr 1974 verging mit Verhandlungen zwischen Diözese und den Besitzern des ehemaligen Klostergebäudes, um eine Erweiterung des Wohnbereiches für die Patres im ersten Stock und um einen Zugang zu den Wohnungen von außen und nicht durch die Kirche zu erlangen. Die Verhandlungen führten im Oktober 1974 zum Kauf des ennsseitigen Flügels der östlichen Hälfte des ehemaligen Kloster gebäudes. Ende Februar 1975 wurden die Räume im ersten Stock des Dornhauses als Ausweichquartiere für die Patres notdürftigst hergerichtet. Im März begann der Umbau des Wohnbereiches in der Kirche. Im ersten Stock wurden Küche und Speisezimmer eingerichtet und für vier Patres je ein kleines Appartement adap tiert, mit winzigem Vorraum, kleinster Naßzelle und Wohn-Schlafzimmer. Im zweiten Stock wurde nur die Nordseite adaptiert für ein Gästezimmer, zwei Räume für die Haushälterin, ein Badezimmer und einen Arbeitsraum mit Wasch-, Trocken-, Bügel- und Nähmaschine und einem großen Wäschekasten. Die Räume des ehemaligen Studentenwerkes wie auch der frühere Theatersaal wurden an die Diözese abgetreten. Wegen des großen Niveauunterschiedes war das Einbeziehen in den Wohnbereich baulich und auch finanziell nicht vertretbar. Am Rosen kranzfest, dem 7. Oktober 1975, konnten die Patres endlich in ihre Wohnräume einziehen. Auf eine Vorschreibung der Baupolizei hin war im Sommer die Neuverlegung der gesamten Lichtanlage in der Kirche notwendig geworden. Die Gelegenheit wurde wahrgenommen, alles auf indirekte Beleuchtung umzustellen, sodaß jetzt der ganze Kirchenraum gleichmäßig genügend ausgeleuchtet ist. Das wirkt sich besonders an den Hochfesten sehr günstig aus. Sowohl der Umbau im Wohn bereich wie auch die Verlegung der Lichtanlage führten zu einer argen Ver schmutzung. Die neue Beleuchtung brachte den desolaten Zustand der Kirche erschreckend zum Vorschein. 1904 war die Vergoldung des Hochaltares und der Kanzel erneuert, der Altarraum renoviert, 1934 die Kirche das letzte Mal aus gemalt worden. Aus einem Gefühl der Dankbarkeit der Diözese gegenüber für die Erstellung des schönen und angenehmen Wohnbereiches sowie für die Zugangsmöglichkeit von außen durch den Posthof fühlte ich mich gedrängt, an die Renovierung des Innenraumes der Marienkirche heranzugehen. Zudem waren die Fensterstöcke zum Teil verfault, sodaß in der Kirche arge Zugluft herrschte. Die Kirchentüren waren am Zerfallen, schlössen kaum mehr richtig. Das Angebot eines billigen Kredites von 1,6 Millionen Schilling und eigene Rücklagen der Kirche ließen das Wagnis, die Kirche neu auszumalen, die Fensterstöcke zu erneuern, eine fach gemäße Reinigung und Ausbesserung aller Altäre, der Kanzel, des Orgelgehäuses,

6 Kettner der Gitter und Statuen vorzunehmen, die großen Bilder im Altarraum und an den Pilastern zu restaurieren und die Rahmen wiederherzustellen, vertretbar erscheinen. Die Mieterträge des Heiserhauses, Stadtplatz 29, welches die Marien kirche 1971 geerbt hat, sowie die reichen Opfergaben ließen eine Rückzahlung des Kredites im Laufe von acht Jahren gesichert erscheinen. Ein äußerst rühriges „Baukomitee Marienkirche" (Amtsdirektor Josef Hochmayr, Walter Kühholzer, Leiter der Kirchenbeitragsstelle und Steuerberater Herbert Schwarz) wurde vom Pfarrkirchenrat der Stadtpfarre bewilligt. So konnte am 31. Mai 1976 mit der Aufstellung des Gerüstes begonnen werden. Der Mensch denkt, Gott jedoch lenkt durch das Bundesdenkmalamt. Die Ab deckung der Stuckumrahmung der großen Wandgemälde im Altarraum, bei der die übermalten Bildtexte freigelegt wurden,gab den Anstoß für die sehr mühsam zu erstellende, aber überaus gelungene Festlegung der Farbgebung für die Aus malung der Kirche durch das Bundesdenkmalamt (Hofrat Dr. Norbert Wibiral und GR Architekt Dipl.-Ing. Gerhard Sedlak). Dieses drängte mehr und mehr auf die Freilegung des gesamten Stuckbestandes auf den Kapitellen der Kirche und in den Kapellen — an der Verkündigungsgruppe wurde sogar zweimal ge arbeitet — der Bauausschuß wollte auch die Kirchenbänke miteinbezogen haben in die Restaurierung, daraus ergab sich die Restaurierung aller Bilder und Bilder rahmen. Die Innenrenovierung fand ihren feierlichen Abschluß in der letzten Maiandacht, die Weihbischof Dr. Alois Wagner am 31. Mai 1977 hielt. In der Zwischenzeit war der Kirchenbetrieb uneingeschränkt aufrechterhalten worden, was nicht nur für die Patres, sondern auch für die Kirchenbesucher eine arge Zumutung war. Die Gesamtkosten hatten sich inzwischen auf annähernd vier Millionen Schilling erhöht. Das Land Oberösterreich gewährte eine Subvention in der Höhe von einer halben Million, das Bundesdenkmalamt von S 300.000,—, die Stadt Steyr von S 200.000,—. So ist der derzeitige Schuldenstand erträglich. Die letzten zwei Bilder, die aus dem 1977 aufgelassenen Salesianerinnenkloster Gleink zurückerworben werden konnten, wurden vom Restaurator am 22. Sep tember 1978 geliefert. Unmittelbar nach der Aufstellung des Gerüstes in der Kirche fielen Teile des Gesimses der Nordfront der Kirche infolge eines Dachschadens herunter, sodaß die Baupolizei die Eisengasse sperren mußte und eine Behebung des Schadens bis September verfügte. Verhandlungen zwischen der Stadtpfarre Steyr als Besitze rin und der Diözese ließen es vertretbar erscheinen, daß, wenn schon ein Gerüst aufgestellt werden muß, gleich die ganze Nordfront im Hinblick auf das 1000-Jahr-Jubiläum der Stadt Steyr restauriert werde. Die Arbeiten wurden im Herbst 1976 begonnen und dauerten ein ganzes Jahr, weil die Steinmetzarbeiten an den Gesimsen und Fensterrahmen auf sich warten ließen. Die Renovierung der Nordfront ist sehr gut gelungen. Die Kosten beliefen sich auf 1,25 Milli onen Schilling, wovon Land und Stadt je eine Viertelmillion übernommen haben.

Kettner Weil das 500-Jahr-Jubiläum der Kirche (1478-1978) bevorstand und für das 1000-Jahr-Jubiläum die Stadtplatzfassade der Marienkirche ohnehin restauriert werden mußte, erschien es angezeigt, dies gleich in Angriff zu nehmen. Die Ver handlungen mit der Stadt und der Diözese gestalteten sich wegen der veranschlag ten Kosten von 1,5 Millionen Schilling sehr schwierig.Im September 1977 konnte jedoch eine alle Seiten befriedigende Vereinbarung der Kostenbeteiligung erzielt werden, sodaß das Gerüst von der Eisengasse gleich an die Stadtplatzfassade versetzt werden konnte. Im Laufe der Restaurierungsarbeiten kamen größere Schäden zum Vorschein, als angenommen worden waren. Die Turmkuppeln waren 1906 das letzte Mal erneuert worden. Das Blechdach war schadhaft, das Gebälk, soweit damals nicht neu gemacht, morsch. So mußte zum Großteil das Gebälk neu gezimmert und, damit nicht so bald wieder Schäden auftreten, mit Kupfer neu gedeckt werden. Gegen die Taubenplage, die das teilweise Verfaulen der Fensterrahmen verursacht hatte, mußten alle Fenster und Jalousien neu ver gittert werden. Das Steinportal erwies sich als viel brüchiger als angenommen. Der Vorplatz mußte neu gepflastert werden, weil die Holzschuppen entfernt werden konnten, da jetzt Dachboden und Keller zur Verfügung stehen. Die Vor platzkapellen benötigten die später eingebauten Seitenwände nicht mehr. Die Kirchentüren paßten überhaupt nicht zur Barochfassade, ebenso nicht die Gitter der Kapellen. Nach Entwürfen des Bundesdenkmalamtes werden sie neu ange fertigt. Das Blumenbeet inmitten des Vorplatzes verstellte den Einzug durch das Mittelportal, verhinderte die Ansammlung der Gläubigen und liturgische Feiern (Osterfeuer, Palmprozession etc.), darum wurde darauf verzichtet. Im Auftrag des Bundesdenkmalamtes erstellte Oberamtsrat Ing. Karl Scheuer vom Stadt bauamt einen äußerst gelungenen Entwurf für die Pflasterung des Vorplatzes, der einem Motiv des Steinportales nachempfunden, die Vorplatzkapellen mit der Kirche so verbindet, daß sie eine überraschende Einheit bilden, zugleich die Kirche in den Stadtplatz einbindet. So darf die Marienkirche als Prunkstück des in Österreich einmaligen Stadtplatzes von Steyr gelten. Man sagt, den Seinen gibt es der Herr im Schlaf, der Marienkirche gab Gott durch eine unerwartete Erbschaft eine neue Orgel.Karl Rieß,Oberlehrer in Ruhe, äußerst klein an Gestalt, sehr bescheiden in seiner Lebensführung, hinterließ der Marienkirche so viel Geld, daß trotz der Schulden an eine neue Orgel, die seinen Namen tragen soll, gedacht werden kann. 1809 war die alte Orgel, die 243 Jahre ihren Dienst versehen hatte, für 5.000 Gulden durch eine von der Firma Lachmayr in Urfahr erbaute (leider mit Röhrenpneumatik) ersetzt worden. 1910 hat Mauracher in der Marienkirche eine Orgel kollaudiert. Pfeifen sind mit seinem Firmenzeichen versehen. Bis 1981 verspricht die Orgelbaufirma von St. Florian eine neue, mechanische mit 16 Registern zu erstellen, leider zu spät für das Stadtjubiläum. So ging es beim 500-Jahr-Jubiläum der Marienkirche und den dafür notwendigen

^ Kettner Restaurierungsarbeiten in erster Linie und unmittelbar um das Lob und die Ver ehrung Gottes und seiner hodigebenedeiten Mutter. Die Gläubigen sollen zur Andadit und zum Gebet angeregt werden, sich inmitten all der auf den vielen Statuen und Bildern dargestellten Heiligen als zur Gottesfamilie zugehörig, in ihren Anliegen sich von ihrer Fürbitte unterstützt fühlen. Tatsächlich ist und bleibt die Marienkirche nicht nur wegen ihrer günstigen Lage, sondern auch wegen ihrer Einrichtung und Ausstattung ein Mittelpunkt religiösen Lebens. Volksandacht und Volksfrömmigkeit brauchen ihren siditbaren Ausdruck. Sache der Seelsorger ist es, alles auf den Mittelpunkt, auf das Wesentliche und Ent scheidende hinzulenken, nämlich auf die unendliche Liebe Gottes, die sich in Christus Jesus mitteilt. P.Emil Kettner S.J., Kirchenrektor Benützte Quellen Steyrer Zeitung: 1975 — 16, 22; 1976 — 19, 24; 1977 — 22, 39. Steyrer Gesdiäfts- und Unterhahungskalender: 1900, S. 157; 1907, S 151- 1912 S 115- 1916 S 91935, S. 273; 1936, S. 260. ' ' ' '' ■

Zum Geleit 500 Jahre Marienkirche in Steyr bedeutet audi 500 Jahre Kirche am Stadtplatz von Steyr und Platz der Seelsorge für die Christen der Stadt Steyr und des umliegenden Gebietes. Die Kirdie am Platz von Steyr, genannt Dominikanerkirdie von ihren Gründern her, Jesuitenkirche von den Seelsorgern, die heute hier wirken, und Marienkirche von ihrer grundsätzlichen Weihe und Zielsetzung als eine Kirche, die der Mutter Gottes geweiht ist: sie ist eine Wallfahrtskirche und somit Stützpunkt des Glaubens. Sie ist wesentlidi ein die Zeit und ihre Wirren überdauerndes Zeugnis der christlichen Botschaft. Die Diözese Linz hat in den letzten Jahren im Rahmen der Sorge für eine gute Seelsorge im Raum Steyr die Bedeutung dieser Kirche in Verbindung mit den einzelnen Stadtpfarren betont. Die Diözese hat das Dorn-Haus, das alte ehe malige Dominikanerkloster, gekauft. Es ist ein Geschenk für die seelsorglidie Tätigkeit der Priester und für das Apostolat in der Stadt Steyr und im Raum um die Stadt Steyr. Somit liegt es der Diözese sehr am Herzen, daß dieses Zentrum, das in der Stadtpfarre Steyr eingebettet ist, für die ganze Stadt und das Dekanat fruchtbar wird. Sie ist eine Beiditkirche. Viele Menschen die von auswärts kommen, empfangen das Sakrament der Buße in dieser Kirche. Sie ist eine Kirche der stillen Beter und es wäre sehr wünschenswert, wenn möglidist viele Mensdien, die diesen Stadtplatz überqueren, sich auch in die Kirdie begeben. Die Kirche und das anliegende Gebäude werden immer mehr auch ein Zentrum für die Stadt Steyr und haben vor allen Dingen auch in der kommenden Zeit eine besondere Bedeutung im Rahmen der Seelsorge der Stadtpfarre Steyr, deren Kirche am Berge oben liegt, aber deren Pfarrsaal nunmehr im angrenzenden Haus beheimatet werden soll. Mit diesem Geleit sei bekundet, das die Diözese Linz in besonderer Weise dank bar ist für den seelsorglichen Einsatz der Jesuiten-Patres und die Kirche und das anschließende Gebäude als einen seelsorglichen Platz für das Dekanat Steyr betrachtet. Weihbischof Dr. Alois Wagner Generalvikar der Diözese Linz

Volker Lutz Steyr und die Jesuiten (1631 bis 1773) Die Gründung einer klösterlichen Niederlassung durdi die Gesellschaft Jesu in Steyr fiel in eine der unruhigsten Epochen der wechselvollen Geschichte der Stadt. Der Bauernkrieg von 1626 — ausgelöst durdi religiöse Gegensätze und soziale Gründe — war endgültig für die katholische Sache „siegreich" ausgegangen. Eine der Aufgaben der Jesuiten sollte es auch sein, Steyr und seine Bürger endgültig „katholisch zu machen". Schon in der Gegenreformation waren Kapuziner als Förderer der katholischen Seite nach Steyr berufen worden, doch deren "Wirken brachte nicht den gewünschten Erfolg. In dieser Zeit blieb Steyr zwar von Kriegshandlungen verschont, doch Ein quartierungen, Musterungen von Truppen, Krankheiten und wirtschaftliche Not hinterließen ihre Spuren und veranlaßten neben dem Zwang kirchlicher Stellen weitere Bürger auszuwandern. Nachdem das Land ob der Enns wieder nach der bairischen Pfandherrschaft an das Haus Habsburg gekommen war, besuchte Kaiser Ferdinand II.(1619 — 1637) auf einer Durchreise zum Reichstag nach Regensburg am 9.Juni 1630 die Stadt Steyr. Während dieses hohen Besuches scheint die Absicht konkrete Formen an genommen zu haben,in Steyr eine Residenz der Societas Jesu zu errichten. Erste Niederlassungen der Jesuiten im österreichischen Raum waren bekanntlich 1551 Wien, 1562 Innsbruck, 1573 Hall in Tirol, Graz und Leoben, 1602 Linz, drei Jahre später Klagenfurt, 1609 Pulgarn, 1615 Krems, 1620 Judenburg, 1621 St. Bernhard bei Horn und 1623 Traunkirchen gewesen. Die finanzielle Grundlage für eine Gründung konnte durch namhafte private Stiftungen gelegt werden. Das zweite Problem, das bewältigt werden mußte, war die Beschaffung eines geeigneten und ausreichenden Bauplatzes. Im August des Jahres 1630 langte ein kaiserlicher Befehl in der Stadt Steyr ein, den Jesu iten elf Häuser in Steyrdorf im Bereiche des heutigen Michaelerplatzes unent geltlich zu überlassen. Die Stadt Steyr sollte diese Objekte ankaufen und sie dem Orden schenken. Bezüglich der Erfüllung dieses für die Stadt schwerwiegen den Befehles kam es zu vielen Verhandlungen und zu einem umfangreichen Briefwechsel. Für die Stadtverwaltung war es verständlicherweise ein großer finanzieller Aderlaß, die Häuser zu kaufen und in weiterer Folge auf die diesbezüglichen Hausabgaben zu verzichten, vor allem deshalb, weil die Stadt wirtschaftlich gänzlich darniederlag und das Steueraufkommen ein sehr geringes war. Das anfängliche Zögern der Stadt brachte ihr den Vorwurf ein, den Willen des HerrsÄers nicht entsprechend zu achten, wie es treuen Untertanen zukäme.

12 Lutz Natürlich war es kein Ungehorsam gegenüber dem Kaiser oder gar eine Aktion gegen die Jesuiten, sondern mit der direkten Erfüllung des Befehles eine Über forderung der städtisdien Finanzen. Im gleichen Jahr erkannte Ferdinand II. die Wahl des Bürgers Kosmas Mann zum Bürgermeister nicht an. Fr setzte am 9.Jänner den ehemaligen Protestanten und rechtzeitig konvertierten Niklas Frizler als Stadtoberhaupt ein. Diesem wurde mit Nachdruck aufgetragen, die Bewohner Steyrs ernst zur österlichen Beichte und Kommunion anzuleiten. Seine frühere Begeisterung für Futher stellte Frizler nun ganz in den Dienst der katholischen Sache und ging sehr scharf gegen seine früheren Glaubensgenossen vor. Die genaue Ankunft der ersten Mitglieder des Jesuitenordens in Steyr ist nicht bekannt. Die Gründung des Steyrer Klosters und der Beginn der Adaptierung der überlassenen Häuser war jedenfalls im Jahre 1630. Die feierliche Eröffnung der Residenz fand am 3. November 1632 statt. Der Unterricht begann schon am nächsten Tag. Unter den ersten Schülern waren auch zwei Bürgerssöhne aus Steyr. Die Neugründung erfreute sich regen Zulaufes. Nach einigen Monaten war die Zahl der Studierenden schon über vierzig ge stiegen. Die Stadt Steyr förderte die Jesuiten unter der Bedingung,einen Bürgers sohn unentgeltlich zu unterrichten. Die Zahl der Stiftsplätze wurde später auf fünf ausgedehnt. Die Niederlassung umfaßte in der Anfangszeit nur drei der elf überlassenen Häuser. Die Bautätigkeit erreichte immer größeren Umfang. Ab 1634 brachte eine eigene Wasserleitung das notwendige Naß ins Haus. Durch Kauf gingen 1638 zwei „bürgerliche" Gärten auf der Fnnsleite an die Jesuiten über. Das Stift Garsten und die Stadtverwaltung förderten die junge Stiftung durch Be grenzung der Abgaben. Am 27. September 1651 ging der Schlüsselhof der Herrsdiaft Steyr um dreitausendachthundert Gulden an die Residenz über. Mit dem Besitz dieses Gutes war auch das Recht zum Bierbrauen, Ziegel- und Kalk brennen verbunden. Mit der festen Installierung eines Jesuitengymnasiums in der alten Fisenstadt kann die Zeit der Auseinandersetzungen zwischen dem alten und neuen Glauben zugunsten des ersteren als abgeschlossen bezeichnet werden. Unter dem Einfluß der Jesuiten wurden auch die liturgischen Feiern wie früher aufgenommen und durch neue erweitert. Die Handwerksverbände konnten wie der zur Teilnahme, vor allem an der Fronleichnamsprozession gewonnen werden. Die Würdigung der verdienstvollen geistigen, kulturellen und pädagogischen Leistungen der Jesuiten in Steyr soll einer anderen Abhandlung vorbehalten bleiben. Von den kriegerischen Auseinandersetzungen des Dreißigjährigen Krieges nicht direkt betroffen, beschwerten doch horrende Kriegsabgaben und die andauern den Einquartierungen von Kriegsvolk die geduldigen Bürger.

Lutz 13 Eine weitere klösterliche Gründung, die des weiblichen Ordens der Zölestinerinnen belastete den Stadtsäckel, denn der Magistrat mußte in der Folgezeit auf Abgaben weiterer Häuser „am Berg" verzichten. Am 12. Oktober 1649 wurde durch ein kaiserliches Dekret aus Prag erneut auf die Abgabenfreiheit der Jesuiten, Dominikaner und nunmehr auch Zölestinerinnen hingewiesen. In dieser Zeit hatte die Stadt wieder unter der Pest zu leiden. Neben anderen Opfern starb am 12. November 1649 Pater Gottfried Bussue im 48. Lebensjahr. Der gleichen Krankheit fielen 1650 Frater Udalricus Roller und am 16.Juni 1652 Pater Michael Werndl sowie im Juli 1652 der Rektor des Collegs, Eustachius Stahel, und dann Pater Wolfgang Mayrl zum Opfer. Am 12. Dezember 1653 wurde „das Mayrgut am Taschlried" durch die Jesu iten erworben. 1655 lief der Termin für die Duldung der protestantischen Religion in Öster reich ab. Schon am 28. Februar 1633 waren Religionskommissäre nach Steyr ge kommen und hatten die noch lutherischen Bürger auf diesen Termin, katholisch zu werden oder auszuwandern, hingewiesen. Doch die im Westfälischen Schluß von 1648 begonnene friedliche Zeit hielt nicht lange an. In den Sechzigerjähren wurde auch das Land ob der Enns von den Türken bedroht. Alte Schanzen mußten hergestellt und neue errichtet werden. Durch die Schlacht bei St. Gotthard/Raab am 1. August 1663 wurde die Gefahr zunächst gebannt. Am 17. September 1657 wurde der Grundstein für das Kolleg, dem heutigen Gebäude des Realgymnasiums, gelegt. Das gesamte Gebäude wurde zwei Jahre später vollendet. Erst 1665 konnte der anschließende Flügel errichtet und 1667 der dritte Teil aufgeführt werden. Doch damit wurde die klösterliche Kasse so überfordert, daß man sich mit dem Gedanken trug, die Jesuitenniederlassung in Steyr aufzulösen, doch diese finanzielle Bedrängnis ging unter anderem mit Hilfe der Prälaten von Kremsmünster und St. Florian vorüber. 1680 konnte der Schul bau gänzlich abgeschlossen werden. Zwei Jahre später waren die Jesuiten sogar in der Lage, vom Magistrat den „Engelshof", das sogenannte „Jesuitenschlössel" um dreitausend Gulden zu erwerben. Eine klösterliche Niederlassung ohne entsprechendes Gotteshaus wäre natürlich nicht vollständig gewesen. So fand am 11. Juni 1635 die Grundsteinlegung für die Kirche statt, doch konnte der Bau erst 1638 zielführend weitergeführt werden. Wie die Jesuitenresidenz, so hatte auch die Stadt Steyr mit großen Schwierig keiten zu kämpfen. Im dritten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts brach die städti sche Gebarung gänzlich zusammen. 1633 war nicht einmal das Geld vorhanden, den ersten Beamten der Stadt, den Stadtschreiber, entsprechend zu entlohnen. 1653 werden in der Stadt 228 „öde und leere" Häuser genannt. Weitere 174

14 Lutz Gebäude fielen wegen armer Besitzer gänzlidi für das Steueraufkommen aus. Bemühungen des Landesfürsten und Darlehensaufnahmen durch die Stadt zeitig ten keine bleibenden Erfolge. 1657 betrug der städtisdie Schuldenstand über sechshundertfünfunddreißigtausend Gulden! Der Bau der Jesuitenkirche war noch nicht vollendet, als sie am 29. September 1647 für liturgische Zwecke benutzt wurde. Weiterhin wurden Gottesdienste auch in der Bürgerspitalskirche abgehalten. Am 8.Dezember 1648 wird die feierliche Weihe der Kirche durch Bischof Ulrich von Passau durchgeführt. Weitere wichtige Daten der Baugeschichte der Kirche in Steyrdorf waren: 1650 — Die Errichtung einer Orgel, 1664 — Die Fertigstellung der Kanzel, 1665 — Die Vollendung des Hochaltares. 1666 — Der Grundstein zur Xaver-Kapelle wird gelegt. Im Jahr darauf war sie vollendet. Im Jahre 1676 wird begonnen, an den Doppeltürmen zu bauen und die be schädigte Fassade zu erneuern. 1677 wird der Bau der Kirche vollendet. Daran erinnert noch heute die Anschrift am Portal: „16 HIC DEUM ADORA 77". Die 1678 gedeckten Turmdächer mußten schon 1708 repariert werden. 1681 war eine neue Sakristei eingerichtet worden. 1737 wird das Kirchenportal neu ge staltet und mit zwei Statuen ergänzt. 1769 — vier Jahre vor cier Aufhebung des Ordens — war eine Restaurierung des Innenraums notwendig. Bei den Bauarbeiten kamen die Jesuiten wie die Zölestinerinnen mit den städti schen Maurern, Steinmetzen und Zimmerleuten in Streit, weil jene vor allem auswärtige Handwerker heranzogen. Franz Xaver Gürtler schmückte das Giebelfeld mit den herrlichen Fresken und schuf 1769 das Altarblatt „Michaels Sieg über Luzifer". Aus der gleichen Zeit stammen auch die Altäre in den Kapellen des Langhauses. 1679 trat wieder die Pest in der Stadt auf. Die Jesuiten hielten Andachten zur „Verhütung der üblen Seiche" ab. Der „Infektionsgottesdienst" wurde noch 1680 beibehalten. Die Seelsorge der Pestkranken in Steyrdorf hatten die Jesuiten, in Ennsdorf die Dominikaner, im Aichet und Plauzenhof die Kapuziner und in der Altstadt die Pfarrgeistlichkeit inne. Nach dem Erlösdien der Pest errichteten die Jesuiten anläßlich des Besuches von Leopold 1. am 8. August 1680 in der Kirchengasse oberhalb des Bürgerspitales eine Ehrenpforte. Der Kaiser besuchte damals auch die Jesuitenresidenz. Im Jahre 1683 lief der zwanzigjährige Waffenstillstand mit den Türken ab. Die alten Wehranlagen wurden ausgebessert und Soldaten in der Stadt einquartiert. Die Klöster, auch die Jesuiten, wurden durch die „Türkensteuer" belastet. Erst 1687 wurde diese Abgabe von Kaiser Leopold verringert.

Lutz 15 1713 wurde die Stadt Steyr zum letzten Mal von der Pest heimgesucht. Am 29. August 1727 wurde die halbe Stadt durch einen Großbrand vernichtet. Im Untersdiied zu den leidgeprüften Zölestinerinnen am Berg wurde die Residenz der Jesuiten in Steyrdorf verschont, obwohl die Flammen die Steyrbrücke er faßten. Am 18. Juli 1736 folgte ein schredtliches Hochwasser. Fünf Jahre nach der Brandkatastrophe besuchte Kaiser Karl VI. am 25.Septem ber 1732 die Stadt Steyr und stattete mit seinem Gefolge auch der Niederlassung der Jesuiten einen Besuch ab. Das Geschehen des österreichischen Erbfolgekrieges mit dem Einfall der bairischen und französischen Truppen brachte die Stadt wiederum an den Rand des finanziellen Ruins. Auch die Bautätigkeit der Jesuiten wurde verlangsamt. Das Hochwasser von 1761 riß alle Brücken weg,sodaß die Gläubigen die Kirchen in der Stadt nicht erreichen konnten. Sechs Wochen lang wurden Messen und Andachten in der Kapelle des „Jesuitenschlössels" (Engelshof) abgehalten. Nach dem am 26.und 27.September 1768 die Bevölkerung der Stadt durch Erdbeben erschreckt worden war, veranstalteten die Jesuiten eine Dankprozession, wäh rend bei den Kapuzinern und Dominikanern Messen gelesen wurden. 1770 litten die Stadt und die umliegenden Bauern sehr unter ungünstigem regnerischen Wet ter. Eine schlechte Getreideernte wurde befürchtet. Nach einem Stadtratsbeschluß ersuchte man den Rektor des Jesuitenordens „zur Ausheiterung der Luft" zu jeder vollen Stunde alle Glocken der Jesuitenkirche läuten zu lassen. 1773 verloren die Steyrer durch die Verfügung des Papstes Clemens XIV. eine wichtige religiöse, schulische und kulturelle Einrichtung, die sie einhundertvierzig Jahre vorher erhalten hatten. Von der Aufhebung des Gymnasiums wurde am 18. Dezember 1773 der Stadt durch ein Dekret der Landeshauptmannschaft Mitteilung gemacht. Die Bürger schaft war an einer Erhaltung der Sdmle sehr interessiert. Sie wandte sich mit dringlichen Gesuchen an den kaiserlichen Hof, doch mußte der Magistrat die Ablehnung „schmerzlich" zur Kenntnis nehmen. Weitere Interventionen in Wien und die Einschaltung der Familie Lamberg brachten keinen Erfolg. Bezüglich der Aufhebung der Jesuitenresidenz kam eine Unzahl von Weisungen an die Stadt Steyr. Die Kirchenpröpste hatten nach Linz zu berichten, welches Vermögen dem Normalschulfonds zugewiesen werden könnte. Auch die Außen stände und Forderungen der Niederlassung waren bekanntzugeben. Allfällige Zinsen für das Kapital der Jesuiten hatten an das Einnehmeramt in Linz ab geliefert zu werden. Die Gebäude des Ordens wurden veräußert. Das sogenannte „Jesuitenschlössel" in Ennsdorf kam Ende August 1778 nach einer Versteigerung an den Gastgeb und Mitglied des Äußeren Rates Josef Rienzhofer. Ein Jahr später kaufte der Müllermeister Ignaz Haratzmüller das Seminargebäude. Die endgültige Liquidierung des Jesuitenordens in Steyr vollzog der Kreishaupt mann Franz von Sonnenstein. Als „Güterrevident" fungierte Ignaz Castelli.

16 Lutz Im ehemaligen Gymnasialgebäude der Jesuiten am Midiaelerplatz eröffnete die Stadt am 3. November 1775 — genau 143 Jahre nach der Installierung der Residenz — eine k.k. Hauptschule im Sinne der „Allgemeinen Schulordnung für die Deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen in sämtlichen kaiserlichen Erbländern". Schon am 30. Juli 1775 hatte die Landeshauptmannschaft Amand Berghofer, den „österreichischen Rousseau",zum Direktor der neuen Unterrichts anstalt bestellt. Schon vor 1773 — noch zur Zeit, als die Jesuiten in Steyr wirkten —, war es geplant gewesen, eine zweite Pfarre im Stadtgebiet zu gründen; doch wurde diese Absicht erst 1784 realisiert. Am 15. November dieses Jahres wurde die ehemalige Jesuitenkirche zum Gotteshaus der Vorstadtpfarre erhoben. Drei Dominikaner, deren Kloster am Stadtplatz aufgehoben werden sollte, kamen an die neue Pfarre. Hier kann die Verbindung zum weiteren Wirken der Ge sellschaft Jesu in der alten Eisenstadt geknüpft werden, denn in der heutigen Marienkirche, der ehemaligen Kirche der Dominikaner, deren Gründung vor fünfhundert Jahren, begannen die Jesuiten 1865 die noch heute andauernde, fruchtbare Tätigkeit. QUELLEN Ratsprotokolle und Akten des Stadtarchives Steyr LITERATUR (Auswahl) DEHIO — GINHART, Die Kunstdenkmäler ÖsterreidKs. Oberösterreich, 4. Auflage, Wien 1958. KROBATH Erlefried, Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit. Veröffentlichungen des Kultur amtes der Stadt Steyr, Folge 23 (1962) und folgende. LUTZ Volker, Der Aufstand von 1596 und der Bauernkrieg von 1626 in und um Steyr. Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Folge 33 (1976). OFNER Josef, Die Eisenstadt Steyr, Steyr 1956. OFNER Josef, Kunstchronik der Stadt Steyr. Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Folge 24 (1963) und folgende. PRITZ Franz Xaver, Geschichte der Stadt Steyer. Linz 1837. RAAB-LUFTENSTEINER Alfred, Gründung und Entfaltung des Jesuiten-Collegiums in Steyr — 1632 bis 1654. Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Folge 34 (1978). ROLLEDER Anton, Heimatkunde von Steyr, Steyr 1894 und Neudruck Verlag W.Ennsthaler, Steyr (1976) WODKA Josef, Kirche in Österreich, Wien 1959. ZETL Jakob, Chronik von Steyr, hrsg. von Ludwig Edelbacher, Linzer Musealbericht, Band 33 (1878).

Josef Fröhler Von der Klosterschule zum Gymnasium Das höhere Schulwesen in Steyr von 1500 his 1773 Seit der karolingisdien Zeit hatten die Klöster den Auftrag, Schulen zu erriditen und zu unterhalten. Ferner sollte überall dort, wo eine Pfarrkirche stand, auch eine Schule eingeriditet werden. In diesen Pfarr- und Klosterschulen wurde auf völlig freiwilliger Basis ein Grundwissen vermittelt, das sich auf Lesen,Schreiben, einfaches Rechnen und die Hauptstücke der christlichen Lehre beschränkte. In den Klöstern entwickelte sich jedoch bald das Bedürfnis, den Ordensangehöri gen eine tiefere Bildung zu vermitteln, die man alsbald audi weltlichen Sdiülern bot. So entstand, wo es zahlenmäßig möglich war, eine innere Schule für die Ordensangehörigen und eine äußere für die weltlichen Studenten. Im Lande ob der Enns gab es eine große Anzahl von Klöstern, die sich dieser verdienstvollen Aufgabe unterzogen. Da waren zunächst die Benediktinerstifte Mondsee (748 — 1791), Kremsmünster (777), Lambach (1056) und die in un mittelbarer Nähe Steyrs gelegenen Stifte Garsten (1107 — 1787) und Gleink (1120 — 1784), ferner die Augustiner-Chorherrenstifte St. Florian (1071), Ranshofen (1125 — 1811), Reichersberg (1084), die beachtliche Tätigkeiten auf dem Gebiete des höheren Schulwesens entwickelten. Das waren wohl auch die Stätten, an denen sich begabte Steyrer Bürgersöhne bis etwa 1500 ihre „höhere Bildung" erwarben. Mit dem Aufblühen des Bürgertums in den Städten nahm auch deren Bestreben zu, eine solche Stätte höherer Bildung in den eigenen Mauern zu besitzen. Denn die Söhne in die Fremde zur Ausbildung zu schicken, kostete auch damals viel Geld. Diese Entwicklung bahnte sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts an,verstärkte sich mit dem aufkommenden Humanismus im 15.Jahrhundert und hielt auch noch im 16. Jahrhundert während der Reformation an. Daß auch Steyr an dieser allgemeinen Entwicklung teilnahm und bereits in der zweiten Hälfte des 14., zumindest aber in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine katholische Lateinschule hatte, läßt die Bemerkung Lindners in seinen Annalen zum Jahre 1601 vermuten, wo er schreibt: „Nam iam a 50 annis vel forte eo amplius in hac parochia nec catholicus parochus nec catholicus ludirector fuerat." Die Klosterschulen aber verfielen zusehends. Unter dem Einfluß der Lehren Luthers entvölkerten sich die Klöster immer mehr,so daß bald auch die Führung einer Schule unmöglich wurde. Soweit eine solche erhalten blieb, beschränkte sie sich wieder auf die Vermittlung einer Elementarbildung, wenn man von ganz wenigen Ausnahmen absieht. In Steyr, wie übrigens im ganzen Lande ob der Enns, hatte die Lehre Luthers

18 Fröhler sehr früh Eingang gefunden. 1525 wurde der Beichtvater Ferdinands I., Dr. Johann Faber, zur Überwachung nach Steyr geschickt, denn hier predigte der Franziskaner Calixtus, der die Kirche heftig angriff und dabei lebhaften Beifall der Bevölkerung fand. Wie gering aber Dr. Fabers Erfolg war, beleuchtete die Tatsache, daß sich schon im folgenden Jahr der Protestant Sigismund Wunder, Doctor medicinae, mit Erlaubnis und Billigung des Rates als Lehrer der hebrä ischen, griechischen und lateinischen Sprache niederlassen und somit den Grund stein zu einer protestantischen Lateinschule legen konnte. Immerhin dauerte es noch fast dreißig Jahre, bis der protestantische Gottesdienst in der Stadtpfarr kirche offiziell eingeführt wurde (1554). Zu dieser Zeit dürfte auch schon die protestantische Lateinschule bestanden haben, denn der Steyrer Chronist Preuenhueber berichtet für das Jahr 1558 vom Tode des ersten evangelischen Rektors Andreas Küllner und bermerkt, daß dieser der Lateinschule viele Jahre vor gestanden habe. Ihm folgte im gleidien Jahre Thomas Brunner (Pegaeus), der nach Preuenhueber zu Wittenberg bei Melanchthon studiert haben soll. Im Jahre 1559 erhielt der Rat der Stadt von Kaiser Ferdinand 1. die Erlaubnis, neben der Dominikanerkirche — die Mönche waren 1543 wegen mangelnder Unter stützung seitens der Bevölkerung ausgewandert — auf dem Grünmarkt ein Ge bäude für die Lateinschule zu errichten. Audi in der Marienkirche, die nun Schulkirche genannt wurde, führte man den evangelischen Gottesdienst ein. Brunner fühlte sidi aber offenbar in Steyr nie richtig wohl. Er war ständig in Geldnöten und seine letzte Ehe scheint nicht sonderlich gut gewesen zu sein. So kam er mehrmals um seinen Abschied mit der Begründung ein, er wolle sich an einer Universität weiterbilden. Seiner Tüchtigkeit wegen bemühte sich der Rat aber immer wieder, ihn als Schulrektor zu erhalten, bis er schließlich 1571 starb. Nach seinem Tode führte der Sachse Daniel Moller die Lateinschule, bis 1572 der neue Rektor Georg Mauritius aus Wittenberg in Steyr eintraf. Kaum aber hatte er sein Amt angetreten, da wurde seine Schule von einer schweren Kata strophe heimgesucht.Die Ubersdiwemmung des Jahres 1572 riß nicht nur Brüdcen und Stadttore nieder, sondern brachte auch das Schulhaus zum Einsturz. Nur mit knapper Not kamen die darin lebenden 60 Schüler mit dem Leben davon. Aber trotz der durch die Katastrophe hervorgerufenen allgemeinen Not wurde sofort mit dem Wiederaufbau begonnen und zu Schulbeginn 1575 der Unter richtsbetrieb im fertiggestellten Gebäude mit großer Feierlichkeit wieder auf genommen. In dieser Zeit des Wirkens dieses Rektors fielen die ersten Reforma tionsedikte von 1577 und 1578. Wohl zeitigten sie in Steyr zunächst keinen Erfolg, auf die Dauer aber war es der Stadt unmöglich, sich den kaiserlichen Edikten zu widersetzen. So mußten im Jänner 1599 die evangelischen Pfarrer und Prediger die Stadt verlassen. Mauritius konnte noch ein Jahr Schule halten, währenddessen er auch als Prediger wirkte, doch im Jahre 1600 mußte auch er aufgeben und er kehrte in seine Heimatstadt Nürnberg zurück.

Fröhler 19 In den Jahren 1600 bis 1603 waren die Schüler wohl wieder auf eine der wenigen Klosterschulen angewiesen, sofern sie es sich nicht leisten konnten, an eine evan gelische Lateinschule ins Ausland zu gehen. Denn die Errichtung einer katholisdien Lateinschule stieß auf unerwartete Schwierigkeiten. Wie Lindner in seinen Annalen berichtet, war es kaum möglich, einen katholischen „ludirector" (Schul direktor) zu finden, der den Mut gehabt hätte, sich in eine so große Gefahr zu stürzen. Der erste Schulmeister, der sich überreden ließ, die Stelle in Steyr zu übernehmen, war M. Theobaldus Täuber, der es aber kaum ein Jahr aushielt. Ihm folgte Wolfgang Lindner, der „ludirector Waidhofensis" (Schuldirektor in Waidhofen) war. Nachdem er mehrfach Besprechungen mit M. Nikodemus Praunfalk, dem (katholischen) Stadtschreiber von Steyr gepflogen hatte, nahm er schließlich mit seiner Familie Wohnung „in der Schule auf dem Berge" (1603. 19. Fab. novus ludirector Lindner iam ante a Rmo. susceptus cum tota familia et suppelictili Styram venit atque ibidem scholam antiquitus pro studiis litterarum in monte aedificatam inhabitare coepit. [Lindner, Annalen, Seite 93]). Von seiner Tätigkeit als ,ludirector' berichtet er nichts Wesentliches.Er blieb Leiter der katholischen Lateinschule bis 1622.In diesem Jahr wurde ihm am 5.Dezember sein Schulvertrag gekündigt, jedoch wurde ihm vom Kloster Garsten Unterhalt zugesagt. Sein Nachfolger war Thalman. In den Wirren der Bauernkriege dürfte die katholische Lateinschule wohl untergegangen sein, denn erst 1627 hören wir wieder von Verhandlungen mit den Dominikanern über die Einriditung einer ka tholischen Lateinschule, die aber an den Forderungen der Mönche scheiterten. Mit der Vertreibung der evangelischen Pfarrer, Prediger und Schulmeister war es allein nicht getan. Insgeheim hing man weiterhin der neuen Lehre an und als im Frieden von Wien (1606) den Ständen in Ungarn freie Religionsausübung zugestanden werden mußte, schöpfte man auch in Oberösterreich wieder Hoff nung. Als dann die Stände des Landes ob der Enns noch während der Verhand lungen mit Matthias beschlossen, am 31. August 1608 die evangelische Religion wieder einzuführen, zögerte auch die landesfürstliche Stadt Steyr nicht. Und noch im gleichen Jahre erfolgte auch die Wiedereröffnung der protestantisdren Lateinschule. Als Rektor berief man Egydius Weixelbaumer aus Regensburg, dem 1609 Jakob Tydeus von der evangelischen Schule in Horn als Konrektor zur Seite gestellt wurde. So finden wir denn von 1608 bis 1624 protestantische und katholische Lateinschule nebeneinander. Bei der zahlenmäßigen Überlegen heit der Protestanten — für das Jahr 1617 zählt Jakob Zetl in seiner Ghronik nur 18 katholische Bürger, im Jahre 1621 gar nur 16 — ist es wohl selbstver ständlich, daß der protestantischen Lateinschule ein größeres Gewicht zukam als der katholischen. Aber die Bemühungen der Äbte von Garsten, der katholischen Sache im Sinne des Landesfürsten zum Durchbruch zu verhelfen, gingen weiter. Sie stützten sich nicht auf Gewaltmaßnahmen, sondern bemühten sich um Be kehrung durch überzeugende Argumente.

20 Fröhler Mit der Niederschlagung des böhmischen Aufstandes und der Verpfändung des Landes ob der Enns an Maximilian von Bayern bahnte sidi unter dem von ihm eingesetzten Landeshauptmann Adam Graf Herberstorf eine neue Entwicklung an. Am 9. Oktober 1624 trafen nämlich in Steyr kaiserliche Kommissäre ein, welche die sofortige Ausweisung der protestantischen Prediger und Schulmeister verfügten, drei Tage später die protestantische Kirche und Schule im Domini kanerkloster sperrten und dieses wenig später den Dominikanern zurückgaben. Damit hatte die protestantische Lateinschule ihr definitives Ende gefunden. Die religiösen Gegensätze aber blieben und die Bauernunruhen des Jahres 1626 zeigten deutlich, daß die Lehre Luthers nicht mit Gewalt ausgerottet werden konnte. So sann der Landesfürst auf andere Mittel. Es ist wohl kaum zu zweifeln, daß der Besuch des hochbetagten P. Bartholomäus Vilerius S.J. und vielen anderen Patres aus der Gesellschaft Jesu in Garsten am 4. Oktober 1607 mit den Bemühungen des Bischofs von Passau und des Abtes von Garsten, in Steyr ein Kolleg zu gründen, in Zusammenhang zu bringen ist. Der Plan dürfte damals an den unsicheren Verhältnissen gescheitert sein, war aber nicht vergessen. Am 6. August 1630 erreichte den Rat der Stadt ein kaiser licher Befehl des Inhalts, den Jesuiten elf Bürgerhäuser beim Spital zu übergeben. Der Rat erhob zunächst Einwände wegen der auf diesen Häusern lastenden Pupillengelder, ebenso brachte der Greimbl-Aufstand eine Verzögerung, jedoch nahm Anfang Juni 1632 der Superior Markus Noel aus Linz die zugeteilten Häuser in Besitz. Und noch am 3. November des gleichen Jahres konnte die Residenz und das Gymnasium mit einem feierlichen Gottesdienst in der Spitals kirche eröffnet werden. Die Schülerzahl war zu diesem Zeitpunkt natürlich äußerst gering, sie soll nach Akten in der Stadtpfarrkirche Linz nur zwei be tragen haben, erhöhte sich jedoch bis zum Sdiulschluß auf 40. Für den Bau des Kollegiums widmete der Kaiser selbst 8.000 Gulden, für den Unterhalt von ca. 15 Patres sorgte auf Betreiben seiner Mutter Ursula Johann Bernhard Graf von Thonhausen, Mitglied der S.J. in Graz, der von seinem Erbteil 50.000 Gulden bei den Ständen Steiermarks zu 6% auf Zinsen anlegte und so zum eigentlichen Fundator wurde. Die Schule wurde in einem der elf Bürgerhäuser untergebracht. Eines davon schenkte der Rat den Jesuiten mit der Auflage, jährlich einen armen Bürgersohn von Steyr unentgeltlich in der Musik und den "Wissenschaften zu unterrichten und ihm den nötigen Unterhalt zu gewähren. Dieses Haus bildete die Grundlage für das Seminar, welches 1651 aus Mitteln des Georg Friedrich Koller, Pfarrer zu Sierning, wohnlich gemacht und mit der notwendigen Aus stattung versehen wurde. Gleichzeitig stiftete er 3.000 Gulden, aus deren Zinsen erträgnis drei Studenten unterhalten werden konnten. Dazu kamen 1.000 Gulden seines Vorgängers, sodaß ab diesem Jahr fünf Stiftungsplätze vorhanden waren. Im Laufe der Zeit kamen sieben weitere Stiftungen dazu, sodaß bei voller Aus zahlung der Zinsen zwölf Stiftlinge aufgenommen werden konnten. Neben die-

Fröhler 21 sen Alumnen, die kostenlose Unterkunft, Verpflegung, ein bestimmtes Quantum an Kleidung, gegebenenfalls ein Reisegeld für die Heimreise, neben dem für alle kostenlosen Unterricht erhielten, beherbergte das Seminar auch „convictores", das waren solche, die für die Unterhaltungskosten selbst aufkamen.Die Alumnen wurden in Gesang und Musik ausgebildet und waren verpflichtet, bei der Ge staltung der Liturgie mitzuwirken. Gelegentlich übernahm auch das Kolleg die Unterhaltskosten für den einen oder anderen Alumnen. Die Schülerzahl, die in den ersten Jahren des Bestandes unter 100 lag, stieg nach 1650 oft auf 120, schwankte von 1700 — 1770 zwischen 90 (1762) und 187 (1723), wobei allerdings die Zahl 150 nur zehnmal erreicht bzw. über schritten wurde. Als das Schulgebäude den Anforderungen nicht mehr entsprach, wurde mit dem Rat der Stadt 1678 ein Vertrag zwecks Errichtung eines neuen Schulgebäudes abgeschlossen. Dieser kaufte hiefür zwei dem Kolleg gegenüberliegende Häuser an und ließ sie sogleich niederreißen. Die Baukosten in Höhe von 3.000 Gulden übernahm Johannes Christophorus von Abele und Lielienfeld, kaiserlicher Ge heimschreiber und ehemaliger Schüler des Steyrer Kollegs. Am 14. Juni des gleichen Jahres wurde der Grundstein feierlich gelegt und der Schulbau schritt rüstig voran. Als sich die gestiftete Bausumme als zu gering erwies, legte der großherzige Fundator weitere 1.100 Gulden dazu, sodaß das Gebäude 1680 bezogen werden konnte. Bevor nun auf die inneren Schulverhältnisse in Steyr eingegangen wird, müssen einige allgemeine Bemerkungen vorausgeschickt werden. Als die Jesuiten 1632 nach Steyr kamen, hatten sie bereits reiche Erfahrungen auf dem Gebiete des Schulwesens gewonnen. Mit der Ratio studiorum (Studienordnung) von 1586, die im Jahre 1599 zum definitiv gültigen Leitfaden der Erziehungs- und Unter richtsaufgaben der Jesuitenschulen ausgestaltet worden war, war auch die Lösung der humanistischen Bildung von den Fesseln der Reformation vollzogen. Damit war eine gut fundierte und zeitgemäß durchdachte höhere Schule geschaffen, die sich länger als ein Jahrhundert behaupten konnte. Fast zur gleichen Zeit (1594, dritte Auflage 1600) veröffentlichte Jacobus Pontanus (Spanmüller aus Brüx in Böhmen) seine ebenfalls fast 100 Jahre gültige Poetik in Ingolstadt und gab damit dem Jesuitendrama eine eigenständige Dramaturgie. Die Ratio studiorum bestimmte Aufbau und Lehrplan des Gymnasiums oder Lyceums,wie die katholische Lateinschule nunmehr genannt wurde.Diese bestand aus sechs Klassen, den scholae inferiores, und zwar der Elementaris oder Parva, Infima, Media,Suprema Grammatica, Poesis und Rhetorica, wobei die Elemen taris als eine Art Einführungsklasse zu verstehen ist. Für jede einzelne Klasse gab es einen genau vorgeschriebenen Lehrplan, für jede Klasse einen Lehrer. Bei geringer Klassenschülerzahl kam es gelegentlich vor, daß ein Lehrer zwei Klassen unterrichtete. Unterrichtssprache und Sprache der Verständigung untereinander

^ Fröhler war mit Ausnahme genau festgelegter Erholungszeiten LATEIN.Daneben wurde audi ein wenig Griechisch betrieben. Bis ins erste Viertel des 18. Jahrhunderts hinein bildeten die lateinischen und griechischen Schriftsteller und die lateinisch verfaßten Lehrbücher die Grundlage für die Vermittlung des Wissens auf ver schiedenen Gebieten, wie zum Beispiel der Geographie, Geschidite, des Rechnens, Briefschreibens, Dichtens und der cJiristlichen Sittenlehre. Es wurde also nicht bloß Latein und Griechisch gelehrt, wie die vorrangig betonte Vermittlung der beiden Sprachen vermuten ließe, sondern der Lehrplan umfaßte ein Programm, das dem Wissensstand des 17. Jahrhunderts entsprach. Im Gefolge der Auf klärung erfuhr dieser Lehrplan allerdings einschneidende Änderungen. Das Schuljahr dauerte vom 3. November bis 20. September und wurde gewöhn lich mit einem Theaterstück für die breite Öffentlichkeit abgeschlossen. Die Schulung im Theaterspiel war nämlich ein integrierender Bestandteil des Lehr planes. Sie sollte dem Schüler die notwendige Sicherheit im Auftreten und Sprechen geben und diente so der Vorbereitung auf künftige öffentliche Tätigkeit. Die Sprache des Dramas war dem Übungszweck entspreÄend Latein. Die Dar stellung von Szenen in der Klasse vor Schülern anderer Klassen bildete die Vorübung für das öffentliche Auftreten. Die Schwierigkeiten, welche sich für Sprachunkundige bei öffentlichen Aufführungen ergaben, wurden durch gedruckte Programme,Periochen genannt, behoben, die in lateinischer und deutsdier Sprache den Titel und Tag der Aufführung, Inhalt des Stückes nach Szenen gegliedert und ein Verzeidmis der Darsteller enthielt. Für Steyr ist bisher ein einziges der artiges Programm aufgetaucht und befindet sich in Privatbesitz (Dr. Enzinger). Das Stück wurde 1738 unter dem Titel „Dämon et Pythias" aufgeführt und behandelt den Stoff, der Schillers „Bürgschaft" zugrundeliegt. Auf dem Gebiete des Theaterspiels knüpfte die Dramatik der Jesuiten direkt an die humanistische Tradition des protestantischen Schultheaters an und setzte sie bis in das 18. Jahr hundert hinein fort. Für die Aufführungen stand ein eigener Theatersaal zur Verfügung, der, wie die Litterae Annuae berichten, im Jahre 1737 „zur Gänze neu ausgemalt wurde". Von den mehr als 300 Theateraufführungen, die sicher lich nicht ohne Rückwirkung auf das geistige und kulturelle Leben der Eisenstadt blieben, wurden dodi durchschnittlich etwa drei Aufführungen jährlich gegeben, sei hier auf die Freilichtaufführung des „Maximiiianus Austriacus" im Jahre 1648 hingewiesen. Für dieses Stück drängte sich der durch Absprengung des Felsens hinter der Kirdie gewonnene freie Platz mit abschließender steiler Felsen wand von selbst als Bühne und ideale Naturkulisse auf. Zufällig ereignete sich während einer Aufführung ein Unfall mit glücklichem Ausgang, der den Chro nisten der LA veranlaßte, ausführlicher zu berichten. So hören wir, daß Kaiser Maximilian mit Gefolge zu Pferd jagte. Dabei geriet eines der Pferde aus dem Gefolge zu nahe an den Bühnenrand und stürzte mitsamt dem Reiter aus ziem licher Höhe ab und fiel zwischen Felsen und Steine, ohne sich zu verletzen. Bei

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