Chronik der Steyrer Liedertafel von 1875 bis 1890

157 spociell in die gastliche Stadt Steyr mit ihrer ,himmlischen' Gegend zu wandern. Hier im stillen Burgfrieden Steyrs, wo Schubert in den altehrwürdigen Bürgerfamilien Koller, Schellmann, Paum– gartner und Dornfeld wiederholt die liebevollste und freund– lichste Aufnahme gefunden, fern von den ihn um seine Genialität beneidenden und begeifernden Rivalen der Residenzstadt, hier in einem einsamen Stübchen dieses Hauses hat der Liederfürst, an– geregt durch den Umg·ang mit seinen für die Kunst begeisterten Freunden und durch die herrlichen Natureindrücke unserer blühenden Thäler und sonnigen Berge, so manche süße Melodie, so viele schöne Lieder erdacht, die jetzt Gemeingut der ganzen gebildeten Welt geworden sind. „Wir Steyrcr können daher mit Stolz auf unsere Stadt und unsere Vorfahren blicken, welche zu einer Zeit, wo noch die Freiheit des Wortes und Liedes in harten Banden und ehernen Fesseln lag, den ,Schöpfer des freien deutschen Liedes' als wahren theueren Freund in ihre Arme geschlossen und ihm hier in unseren Mauern wiederholt ein gastliches Heim gewährt, so zwar, dass Schubert wiederholt selbst versicherte, dass er in der Stadt Steyr seine glücklichsten Stunden verlebt habe. „Und die Steyrer haben auch diese schöne Erinnerung an Llon hiesigen Aufenthalt Schuberts stets wie ein heiliges Palladium gehütet, die Tradition hat dieselbe von Geschlecht zu Geschlecht erl1alten und die Pfleger des deutschen Gesanges, die hiesigen Gesangvereine, haben dieselbe durch wiederholte Aufführungen der herrlichen Werk!\ des unsterblichen Meistere aufgefrischt. ,, Vier7.ig Jahre sind nun seit einigen Tagen verflossen, dass einige biedere, für das deutsche Lied begeisterte Männer den ersten Gesangsverein in unserer Stadt geschaffen und die ,Steyrer Liedertafel' gegründet haben. Vierzig Jahre lang hat dieser Verein, treu seinem Wahls1n·uche, ,bald zu ernster Feier, bald zm· Lust' das deutsche Lied gesungen und mit echter deutscher Treue die Erinnerung an den Liederfürsten Schubert bewahrt. „Jetzt nach vierzigjähriger erfolgreicher Sängerthätigkeit glm1btc die ,Steyrer Liedertafel' die Feier ihres vierzigjährigen Bostancles nicht schöner und pietätvoller begehen zu können, als tlass sie die Erinnernng an unseren Meister Schubert clurch künstlerische Hand mit ehernem Griffel in unvergänglichen Stein einschrieb und dadurch für alle Zeiten ein theuros Andeuken a11 diesen Tonherocn gcschaffeu hat. - Freudigst und bereitwilligst wurde dieselbe in diesem edlen Streben von einem der ersten Kü11stler unseres Vaterlandes, von unserer Stadtvertretung, von nnserer ganzen Bevölkerung unterstützt.

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