Chronik der Steyrer Liedertafel von 1875 bis 1890

147 des Gesangvereines der österreichischen Eisenbahnbeamten, des Vereines der Oberösterreicher, des Arion, des Schubert– bundes und des Wiener Männergesang- Vereines, mit Herolden, Pagen und allegorischen Gruppen, dargestellt von Herren und Damen in kostbaren, prachtvollen Costümen. Vor dem Rathhause war ein Zelt errichtet, in welchem sich der Bürgermeister mit dem Gemeinderathe, der Bundes- und Festausschuss befanden. Als der Festwagen mit dem Bundesbanner vor dem Zelte ankam, hefteten die Gattin des Herrn Bürgermeisters Dr. Prix namens der Damen der Stadt und die "Vorsteherin der Damenortsgruppa des Deutschen Schulvereines in Wien" künstlerisch und reich ausgestattete Fahnenbänder an das BundeslJanner. Nun reihten sich auch die Festgäste, welche die Tribüne eingenommen hatten, in den Zug ein, worauf abermals von Musikbanden und Fest– wagen unterbrochen die Sängerbünde Oesterreichs folgten und die Gesangvereine Wiens den Zug schlossen. Tosender, ja sinnverwirrender Jubel seitens der längs des Weges vom Rathhanse über die Ringstrasse, Praterstrasse bis zur Sängerhalle soweit es der Raum gestattete dicht gedrängten, nach allgemeiner Schätzung circa 600.000 Köpfe zählenden Menschenmenge empfieng die Sänger. Von einer Anzahl Tribünen, von allen Fenstern längs des ganzen Weges, von den Dächern der Häuser, von Bäumen und allen höher gelegenen Aussichtspunkten wurden die Sänger mit Tücherschwenken, Willkomm- und betäubenden Hochrufen be– grüßt. Statt je zehn in einer Reihe, konnten bald nur zwei, und statt im Marschtempo nur schrittweise vorwärts kommen, so dass die oberösterreichischen Sänger bei schon eingebrochener Dämmerung gegen 8 Uhr bei der Sängerhalle ankamen. Wie– wohl die einzelnen in der Unzahl von Vereinen verschwanden, war doch die „Steyrer Liedertafel" vielfach Gegenstand beson– derer Aufmerksamkeit und Rufe: ,,Hoch Steyr", Hoch Werndl", „Hoch die Repetierer" und „Hoch die Waffenstadt", erschollen aus holder, schöner Damen und kräftiger Männer Kehlen und wurden ebenso kräftig erwiedert, so lange es gieng. Der Festzug darf als ein Triumphzug des deutschen Liedes angesehen werden und war eine bedeutungsvolle, erhebende Kundgebung deutschen Nationalbewusstseins durch die Bevölkerung Wiens. In der colossalen, prächtigen, vom Baumeister Hermann Otte aus Holz erbauten Sängerhalle, welche etwa dreißigtausend Personen fasste, spielte sich der übrige Theil des Festes bei Gesang und kräftigem Mannesworte ab. Sowohl innerhalb der Sängerhalle, als in dem riesigen abgegrenzten Festraume außer– halb derselben war für Erfrischungen und dadurch für die lichtige Stimmung bestens gesor~t und so nahm der Fest- lff"

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