40 Jahre Ennsleitenkirche - Ausstellung 2010

igarchitektursteyr 21 | 32 INSTRUMENT FÜR NEUES Kann Architektur eine Botschaft vermitteln, dem Betrachter, dem Benutzer? Glauben Sie, verdeutlichte dieses Seelsorgezentrum seinen Kirchgängern einen Aufbruch der Geisteshaltung bzw. eine Durchleuchtung dieser? Durchleuchtung im wahrsten Sinne des Wortes, da es hier einen hellen Kirchenraum gibt. Waditschatka: Was konkret das Licht betrifft, so muss man wissen, dass der Kirchenbau vollkommen verglast konzipiert war. Mit den damals erhältlichen Profilitgläsern hätten sich aber zu große thermische Probleme ergeben, sodass die Wände bis auf die Zonen der X-Stützen geschlossen wurden. Die konstruktive Struktur wäre durch diese vollkommene Transparenz auch nach außen ablesbar gewesen und das war bis zu einem gewissen Grad sicherlich auch programmatisch gemeint. In der ausgeführten und bis heute bestehenden Lösung gibt sich der Bau nach außen eher geschlossen, im Inneren hingegen entfaltet sich eine faszinierende Helligkeit und Leichtigkeit. Diese Raumwirkungen haben bestimmt auch positive Auswirkungen auf die Nutzer, was ja generell bei qualitätsvoller Architektur der Fall sein sollte. Die Botschaft ist wohl eher eine indirekt vermittelte und von heute aus betrachtet stimmig, bei den Arbeiten der Arbeitsgruppe 4 (wie wohl auch bei Gsteu) steht aber nie eine symbolisch gemeinte Gestalt oder Geste als Motivation hinter der Entwurfsidee. Pimingstorfer: Die Botschaft war Aufbruch, das haben wir alle gespürt. Die Architektur hat hier geholfen, dass Pfarre lebendig ist. Das Licht ist sehr gut – viel mehr als Licht. Federsel: Die Architektur der Ennsleitenkirche verdeutlicht und nimmt vorweg die Offenheit und die Transparenz des Glaubens der Menschen in jener Zeit. Man/frau konnte in den 60er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts mehr über den eigenen Glauben reden als vorher. Der helle Kirchenraum hat uns, FIO-Jugendliche* und Kapläne, zu mehr Freude und deren Sichtbarkeit eingeladen. Was zuerst war, weiß ich nicht: das Gefühl der Menschen oder die Architektur. Was war ihre erste Begegnung mit dem Entwurf dieser Kirche und seinen Architekten? Pimingstorfer: Der Plan und das Konzept haben mir sofort gefallen – eine Gesamtanlage als Seelsorgezentrum. Eine Kirche in der Stadt hat nie diesen Versammlungscharakter wie am Land, aber hier ging es doch in diese Richtung. Spalt und Kurrent, die meistens miteinander kamen, mit denen gab es noch einiges zu diskutieren. Welche Personen standen hinter der Realisierung, wer war die treibende Kraft? Pimingstorfer: Ich! Als ich 1964 gekommen bin, standen bereits der Pfarrsaal und der Pfarrhof, dort gab es große technische Mängel. Eine Sanierung war notwendig. Hier gab es dann viele Gegner, die Kirche wie geplant zu bauen. Aber ich wollte diese Kirche, auch der Bischof. Er war in dieser schweren Bauzeit auf meiner Seite. Unterstützt hat auch Günter Rombold, der gute Artikel zum Verständnis der Architektur geschrieben hat, (siehe Kunst und Kirche). Trotzdem haben wir noch weitergedacht und ich bin sehr froh, dass die Architekten letztlich noch die Proportion des Kirchenschiffs zum Seitenschiff auf 3:2 änderten anstatt auf die anfangs angedachten 4:1. Für technische Fragen gab es dann eben einen Bauleiter. Hat Ihnen dieser Kirchenraum mehr oder neuere Möglichkeiten gegeben, Kirche zu feiern? Pimingstorfer: Die Kirche ist groß und überall zugänglich, diese Größe erlaubte Prozessionen, Bewegung kam in die Kirche, das war neu. Es gab Platz für die Kinder und damit Toleranz für diese. FIO-Messen mit bis zu 1.000 Leuten, die mit Bussen angefahren kamen. Der Kirchenraum war ein Instrument für Neues. Den Jugendlichen wurden Möglichkeiten zur Gestaltung gegeben und gleichzeitig waren sie auch geschützt, hier liturgisch etwas auszuprobieren. * FIO: Jugendzentrum

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2