HEADLINE Die Ausstellung zur 40-jährigen Kirchweihe des Seelsorgezentrums Ennsleite zeichnet den Weg, die Schwierigkeiten, aber auch die Perspektiven, die durch das Projekt ermöglicht wurden, nach. igarchitektursteyr AUSSTELLUNG 40 JAHRE ENNSLEITENKIRCHE EIN KIRCHENBAU AM KREUZUNGSPUNKT IN DIE MODERNE (1958–1970) VON 2. BIS 26.10.2010
igarchitektursteyr 2 | 32 „DIE BOTSCHAFT WAR AUFBRUCH“* Die Ausstellung zur Kirche Ennsleite ist eine Referenz an alle diejenigen, die den schwierigen und langwierigen Prozess zur Entstehung dieses Seelsorgezentrums mitgetragen haben. 1958 entstanden die ersten Entwürfe dazu, die inhaltlich weit voraus blickten, aber einer Realisierung in einem Viertel von Steyr entgegenschauten, wo ein Kirchenbau alles andere als ein dringendes Anliegen war. Kleinteiligen Wohnhäusern der Arbeiter sollte hier ein Kirchenbau aus ungewöhnlichen Betonstrukturen gegenübergestellt werden. Obwohl von hoher Entwurfsqualität, wäre es vermessen gewesen, mit Begeisterung zu rechnen. Umso wichtiger war die sorgfältige Auseinandersetzung mit der Architektur, immer mit dem Weitblick zum Kunst- und Kulturgeschehen in Österreich und darüber hinaus. Den unermüdlichen Kräften, die die Architekten bestärkten, sei verspätet gedankt, denn auch die besten Ideen und Überlegungen können nur verwirklicht werden, wenn Wege dafür aufbereitet werden und es die Bereitschaft gibt, sich mit Kritik zu konfrontieren. Der Betrachter kann die einzelnen Katalogseiten abreißen und mitnehmen, um sie in Ruhe zu studieren. Man darf sich von der Zartheit der Bleistiftstriche aus den Jahren 1958–1970 nicht irritieren lassen, der Entwurfswille und die Überlegung dazu waren stärker als bei vielen anderen Bauten. Daher auch jetzt diese Würdigung. * Zitat Pimingstorfer Karin Proyer, Christian Spindler, Gerold Wild | Interessensgemeinschaft Architektur Steyr (IGAS) und Hannes Krisper Luftaufnahme des Bauplatzes aus dem Jahr 1960. Der Pfarrhof ist im Rohbau bereits fertig, beim Pfarrsaal sind die Erdgeschoß-Stützen versetzt.
igarchitektursteyr 3 | 32 ZEITGESCHICHTE 1915 Bei der Erbauung der neuen Steyrer Waffenfabrik wird die „Neustifter Kapelle“ abgetragen. Der von der Waffenfabriksgesellschaft zugesagte Neubau soll auch die Abhaltung von Gottesdiensten ermöglichen. Nach langwierigen Verhandlungen erhält die zuständige Stadtpfarre 1933 ein Grundstück zugesprochen. 1934 Zwischen dem 12. und 15. Februar wird die Ennsleite zu einem der schlimmsten Schauplätze des österreichischen Bürgerkriegs. Der Verein „Kinderfreunde“ wird verboten und aufgelöst, sein enteignetes Heim als Notkirche zur Verfügung gestellt. Trotz späterem Ankauf und Grundstückstausch bleibt das Verhältnis zwischen Kirche und Arbeiterschaft gespannt. 1938 Nach Repressalien und Plünderungen erfolgt die Beschlagnahme durch die NSDAP und Verwendung als HJ-Heim. 1945 Die Ablehnung der Bevölkerung macht eine weitere Nutzung für Gottesdienste unmöglich. Stadtpfarrer Bamberger veranlasst die Rückgabe des Heims an die ehemaligen Besitzer. 1955 Verhandlungen mit den Steyr Werken beginnen und werden mit dem Tausch des noch im Eigentum der Stadtpfarre befindlichen Grundstücks gegen das Grundstück „am Löschteich“ an der Arbeiterstraße 1958 abgeschlossen. 1958 Das Ansuchen der Stadtpfarre um einen Kirchenneubau auf der Ennsleite wird von der Diözese genehmigt. Erste Entwürfe werden von den Architekten Schwamberger –Scheichl aus Linz und Gsteu – Arbeitsgruppe 4 aus Wien vorgelegt. Der Diözesankunstrat empfiehlt trotz technischer Bedenken das Projekt Gsteu – Arbeitsgruppe 4 zur weiteren Bearbeitung. 1959 Im September erfolgt der Spatenstich für das geplante Seelsorgezentrum – vorerst allerdings nur für Pfarrhof und Pfarrsaal (selbst dieser wird für einige Zeit in Frage gestellt). Die statischen Berechnungen erfolgen durch Prof. Baravalle aus Wien, mit der Ausführung der Baumeisterarbeiten wird die Firma Josef Zwettler betraut. 1961 14. Oktober: Eröffnung von Pfarrhaus (mit Jugendräumen) und Pfarrsaal (als Gottesdienstraum). Ab 1. Jänner 1962 wird die bisherige Kaplanei zur Pfarrexpositur St. Josef, Steyr-Ennsleite. 1964 Am 1. August wird Ernst Pimingstorfer neuer Pfarrkurator, im September Waltraud Gasperlmair neue Haushälterin. Unter Hinweis auf den zu erwartenden Bevölkerungszuwachs (von 6.000 auf über 10.000 Einwohner) wird mit einem Schreiben des Pfarrkirchenrates im Dezember 1966 die Diözese „dringlich“ an den Bau der Kirche erinnert. 1968 Nach nochmaligem Ansuchen um kirchenbauaufsichtsbehördliche Genehmigung und deren Erteilung am 1. April, erfolgt der Spatenstich für den Bau der Kirche am 22. September. Die Bauleitung wird von den Architekten Bruneder —Binder aus Linz übernommen. Josef Friedl kommt als Kooperator auf die Ennsleite. 1969 Das Jugendzentrum FIO (= „future is our“ oder lat. „ich werde“) wird von den Kaplänen Franz Haidinger und Josef Friedl zusammen mit Schülern der HTL Steyr begründet. Am 5. Oktober findet die erste FIO-Jugendmesse statt. 1970 Am 7. Juni findet die erste Messfeier in der fertiggestellten Kirche statt. Am 20. September erfolgt die Aufrichtung des Kreuzes auf dem Glockenturm. 4. Oktober 1970:
igarchitektursteyr 4 | 32 AUFTRAGGEBER KIRCHE Interview mit Günter Rombold von Hannes Krisper und Gerold Wild Nach Priesterweihe und Doktorat in Theologie folgten Sie Ihrer Leidenschaft für moderne Kunst und schlossen ein zweites Studium für Kunstgeschichte und Philosophie in München ab. Nach der Rückkehr 1958 waren Sie somit prädestiniert, Mitglied des diözesanen Kunstrates in Linz zu werden, der maßgeblich in die Auftragsvergabe der Diözese eingebunden war. Wie kam es zur Entscheidungsfindung bei der Kirche Steyr-Ennsleite? Die erste Planung des Seelsorgezentrums einschließlich Kirche wurde 1958 im Rahmen eines internen Wettbewerbes durchgeführt. Daran beteiligten sich die Architekten Gsteu, Kurrent und Spalt mit einem gemeinsamen Projekt. Im Diözesankunstrat entwickelte sich eine heftige Diskussion. Diözesanbaumeister Nobl sprach sich gegen das Projekt aus, Prof. Klostermann und ich dafür. Es wurde in einer Kampfabstimmung knapp genehmigt. Bischof Zauner war empört darüber, dass sein Diözesanbaumeister überstimmt worden war. So kam es zu einem Kompromiss: Der Kirchenbau wurde zurückgestellt. Pfarrsaal und Pfarrhof wurden 1960–1961 gebaut, der Kirchenbau folgte 1969–1970. Etwa zur gleichen Zeit übernahmen Sie die Redaktion der Zeitschrift „Christliche Kunstblätter“. Viele der hier publizierten Projekte nahmen die Neuerungen in Liturgie (Volksaltar) und Ökumene des Zweiten Vatikanischen Konzils um Jahre vorweg. Wer beeinflusste hier wen und wo ist der Impuls für diese Entwicklung auszumachen? Der moderne Kirchenbau ist aus der Begegnung der „Liturgischen Bewegung“ mit dem „Neuen Bauen“ entstanden. Noch 1912 erließ die Erzdiözese Köln die Weisung, Kirchenbauten seien im gotischen oder romanischen Stil zu errichten. Nach dem Ersten Weltkrieg änderte sich die Situation. Schon 1918 publizierte Romano Guardini den schmalen Band „Vom Geist der Liturgie“. Grundgedanke war die Zurückstellung des Individuellen und die Betonung der liturgischen Gemeinschaft. Am Beginn der 20er-Jahre entstanden bereits die ersten Bauten aus diesem neuen Geist (Dettingen am Main von Dominikus Böhm und Martin Weber, 1922). Es war eine glückliche Fügung, dass Rudolf Schwarz 1924 den Auftrag erhielt, den Ausbau der Burg Rothenfels am Main zu leiten. 1928 erfolgte die Umgestaltung des Rittersaales, wo die festlichen Gottesdienste gefeiert wurden. Die architektonische Gestaltung war ein „weißer Behälter”, einzige Ausstattung hunderte Schemel aus Holz. Hier waren verschiedene Formen der Versammlung möglich: der offene Ring oder der geschlossene Ring. „Den lebendigen Raum musste die Gemeinde durch ihre Versammlung erschaffen.“ Dabei wandte sich der Priester oftmals mit dem Gesicht der Gemeinschaft zu, zelebrierte also „versus populum“. Das alles wurde wegweisend für die Erneuerung der Liturgie, wie es Jahre später das II. Vaticanum vorsah. Meine Begegnung mit dem modernen Kirchenbau datiert in die Zeit meines Zweitstudiums in München (1955–1958). Ich nahm damals häufig am Gottesdienst in der Kirche St. Laurentius teil. Diese Pfarrkirche wurde von den Oratorianern betreut, denen Heinrich Kahlefeld angehörte und der zu dieser Zeit Burg Rothenfels leitete. Er hatte 1954 den Neubau von St. Laurentius, der von den Architekten Emil Steffann und Siegfried Österreicher gestaltet wurde, geistig mitbestimmt. Steffann, der mit Schwarz befreundet war, hat mit St. Laurentius einen wegweisenden Bau geschaffen, der großen Einfluss auf den deutschen Kirchenbau der folgenden Jahre ausübte. Die Gemeinde versammelt sich von drei Seiten um den Altar, der Priester steht auf einer kleinen, nur eine Stufe erhöhten Insel auf der vierten Seite das „Ringes“ und zelebriert zur Gemeinde gewandt. Die Raumqualität Steffanns Bauten unterscheidet sich allerdings grundlegend von Schwarz- Kirchen: Dieser liebte hohe und dadurch sehr dominante Räume. Dagegen ist die Kirche von Steffann eher niedrig, gleicht einem Haus für die Gemeinde und hat einen bergenden Charakter.
igarchitektursteyr 5 | 32 AUFTRAGGEBER KIRCHE Von Monsignore Otto Mauer, dem großen Förderer der österreichischen Avantgarde, stammt das Anliegen, „die Kirche an die moderne Kunst heranzuführen“. Gemeinsam wurden Ausstellungen, Tagungen und internationale Kunstgespräche veranstaltet – wie bedeutend war und ist die Rolle Österreichs, im Besonderen sein moderner Kirchenbau für die christliche Gemeinschaft? Schon in den 50er-Jahren erfasste der moderne Kirchenbau ganz Österreich. 1954 entstand in Salzburg-Parsch die erste bedeutende Kirche nach dem Krieg. Die Arbeitsgruppe 4 (Holzbauer, Kurrent, Spalt) verwandelten einen ehemaligen Stall in eine Kirche. Das dunkle Kirchenschiff unter dem niedrigen Gewölbe öffnet sich auf einen strahlend hellen Altarraum, der zum Dach hin geöffnet ist. In Innsbruck setzte Architekt Josef Lackner 1958 in Neu-Arzl ein Zeichen. Dabei hatte der Jesuitenpater Herbert Muck seine Hand im Spiel, der in der Folge bei zahlreichen Bauvorhaben beratend tätig war. In Wien hatte es Monsignore Otto Mauer schwer, er konnte sich im Kunstrat höchst selten durchsetzen. Ein Sonderbereich war die von Prälat Karl Strobl betreute Hochschulgemeinde. Er arbeitete mit Architekt Ottokar Uhl zusammen, der mehrere Kapellen für die Gemeinde gestalten konnte, dazu eine Schülerkapelle im Stift Melk. Das Besondere dieser Kapellen bestand darin, dass der Wortgottesdienst und die Mahlfeier an verschiedenen Orten im Raum gefeiert wurden. Die körperliche Bewegung wurde zum Ausdruck der geistigen Dynamik, die die Gemeinde bewegte. Neben den zahlreichen wenig überzeugenden Kirchen in Wien gibt es doch einige bedeutsame: die neue Florianikirche von Schwarz (1963), die Pfarrkirche Oberbaumgarten von Gsteu (1965), die Glanzinger Pfarrkirche von Lackner (1969) oder die Salvatorkirche von Spalt (1979). In späteren Jahren hat Heinz Tesar mit seiner Christuskirche in der Wiener Donaucity (2000) für internationales Aufsehen gesorgt. Er ist ein Meister der Belichtung: Durch viele kleine Öffnungen kommt das Licht und gibt dem Raum eine eigene Atmosphäre. Von ihm stammt auch eine der bedeutendsten evangelischen Kirchen der letzten Jahre in Klosterneuburg (1995). Bei meiner Rückkehr nach Linz (1958) war hier eine der schönsten Kirchen von Rudolf Schwarz im Bau: St. Theresia. Der hohe, über einem elliptischen Grundriss errichtete Bau hat den Charakter einer Kathedrale. Auch in den folgenden Jahren sind in Oberösterreich neben Steyr-Ennsleite einige bedeutende Kirchen entstanden. Es sei nur an die Kirchen von Roland Rainer in Puchenau (1976) und Leonding (1979) erinnert. Das setzt sich bis heute fort. Während in Deutschland Kirchen verkauft oder abgerissen werden, sind in der Diözese Linz auch in den letzten Jahren beachtliche Bauten entstanden: die Kirche in der ehemaligen Tuchfabrik in Linz-Auwiesen (Schremmer/Jell, 1999), St. Franziskus in Steyr Resthof (Riepl/Riepl, 2001) oder St. Franziskus in Wels-Laahen von Luger/Maul, 2004. St. Franziskus – Wels Laahen (Luger/Maul, 2003/2004) St. Franziskus – Steyr-Resthof (Riepl/Riepl, 2000/2001) Christuskirche Wien Donaucity (Heinz Tesar, 1999/2000)
igarchitektursteyr 6 | 32 AUFTRAGGEBER KIRCHE In einer Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs und sozialer Veränderungen in der Arbeitersiedlung Ennsleite entwickelten motivierte Kapläne und begeisterte Schüler ein über die Grenzen bekanntes Modell kirchlicher Jugendarbeit: „FIO“. Welcher Anteil an diesem Phänomen ist der Architektur beizumessen? Steyr-Ennsleite hat nicht nur eine qualitätvolle Architektur aufzuweisen, es wurde auch ein seelsorgliches Zentrum ersten Ranges. 1969 gründeten die Kapläne Franz Haidinger und Josef Friedl zusammen mit Schülern der Höheren Technischen Lehranstalt eines der damals größten Jugendzentren, das sogenannte FIO (=„ich werde“). Bewusst wurde die Form der „geschlossenen“ Jugendarbeit gewählt, deren erklärtes Ziel es war, „zu einer voll entfalteten christlichen Existenz hinzuführen“. An den Gottesdiensten nahmen 500 bis 1.000 Gläubige, meist Jugendliche, teil. Ich war auch mehrmals dabei und war immer sehr beeindruckt. Diese Jugendarbeit ist durch lange Jahre fortgeführt worden, wobei mehrere „Kaplansgarnituren“ beteiligt waren. Natürlich ging es nicht nur um die Gottesdienste, sondern auch um die vielfältige Gruppenarbeit. Mittlerweile hat sich das doch geändert, die Jugendarbeit ist sicher schwieriger geworden. Es ist nicht nur so, dass es nicht mehr so viele Jugendliche wie in den Jahren nach dem Babyboom gibt, die ganze Zeitsituation hat sich geändert. Hauptgrund für die überwältigende Blütezeit der Jugendarbeit waren die beteiligten Personen. Sowohl die Spiritualität der Kapläne als auch die Begeisterungsfähigkeit der Jugendlichen waren maßgeblich. Welchen Anteil an diesem Phänomen die Architektur gehabt hat, ist nicht so leicht zu sagen. Man kann sich diese Gottesdienste schwerlich in einem gotischen oder barocken Raum vorstellen. Die nüchterne, aber klare und konsequente Architektur entsprach sicher dem Geist dieser Generation. Dazu beigetragen hat nach meiner Überzeugung auch, dass die Architekten in der langen Nachdenkphase (vor dem Kirchenbau) die Pläne mehrfach geändert haben. Ursprünglich Die Kirche Ennsleite heute betrug das Höhenverhältnis zwischen Hauptschiff und Seitenschiffen 4:2 und wurde dann auf 4:1 geändert; das war zwar höchst eindrucksvoll, aber ungünstig für die gemeinsame Liturgie. Die Menschen in den Seitenschiffen wären nicht mehr so unmittelbar am Geschehen beteiligt gewesen wie die Menschen im Hauptschiff. Die Architekten änderten das Höhenverhältnis schließlich auf 3:2 – so wurde der Bau auch realisiert. DDr. Günter Rombold, geboren 1925 in Stuttgart; von 1958–1991 Chefredakteur der „Christlichen Kunstblätter“, die seit 1971 als „Kunst und Kirche“ erscheinen.
igarchitektursteyr 7 | 32 ERSTE STUDIE Perspektive Gesamtanlage – der Platz zwischen den Pfarrgebäuden und der Kirche kann zu einem intimen Hof abgeschlossen werden. Längsschnitt durch die Gesamtanlage – von der Straße aus entwickelt sich zunächst zweigeschoßig der Pfarrsaal, in der Folge viergeschoßig die Kirche mit aufgesetztem Glockenturm sowie rückwärtig dem Garten zugewandt der Kindergarten. Lageplan Gesamtanlage Querschnitt durch die Kirche mit zweigeschoßigen Seitenschiffen und viergeschoßigem Mittelschiff 1958 wurde das gemeinsame Wettbewerbsprojekt von Johann Georg Gsteu und Arbeitsgruppe 4 – namentlich vertreten durch Friedrich Kurrent und Johannes Spalt – durch den Diözesankunstrat erstgereiht. Dabei wurde nicht nur eine Kirche, sondern ein Seelsorgezentrum mit Kindergarten und Veranstaltungssaal geplant.
igarchitektursteyr 8 | 32 ERSTE STUDIE Die Jury hat das Projekt auf der einen Seite als „künstlerisch wertvoll“ hervorgehoben, wenn auch funktionale Abfolgen in der weiteren Bearbeitung optimiert werden sollten. Andererseits wurden erste Bedenken in Bezug auf die Bauausführung geäußert. Auch sah sich die Diözese „nicht in der Lage, sich auf finanzielle Experimente, verursacht durch eine avantgardistische Architektur, einzulassen“. Erdgeschoß-Grundriss der Gesamtanlage: unten links der Pfarrsaal, gegenüber der Pfarrhof. Im Mittelpunkt die Kirche, noch mit gegenüberliegender Sitzbankanordnung, und ganz oben der Kindergarten.
igarchitektursteyr 9 | 32 ARCHITEKTEN Johann Georg Gsteu (*1927, Hall in Tirol) studierte nach der Bildhauerfachschule Hallstatt (1941–1944) und Gewerbeschule in Salzburg (1946–1949) an der Akademie für Bildende Künste in Wien (1950–1953). In der Meisterschule für Architektur bei Clemens Holzmeister studierte er gemeinsam mit Friedrich Achleitner, Wilhelm Holzbauer, Friedrich Kurrent, Josef Lackner, Gustav Peichl und Johannes Spalt. Mit Achleitner folgte die Meisterschule für Bühnenbild bei Emil Pirchan (1953–1955). Besuch der Sommerakademie Salzburg bei Hans Hoffmann (1953) und Konrad Wachsmann (1956/57). 1983–1993 Professor für Architektur und Design, Gesamthochschule Kassel, 2000–2005 Gastprofessor für Entwurf, Universität Innsbruck. Seit 1953 freischaffender Architekt (bis 1958 in Arbeitsgemeinschaft mit Friedrich Achleitner; 1956–1958 umstrittene Umgestaltung der Rosenkranzkirche in Wien-Hetzendorf). Neben dem Seelsorgezentrum Ennsleite sind die Bildhauerunterkünfte in St.Margarethen (1962–1968) und das Seelsorgezentrum Oberbaumgarten, Wien (1960–1965) Marksteine der österreichischen Nachkriegsarchitektur. Zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1968 Österreichischer Staatspreis für Architektur und 1976 Architekturpreis der Stadt Wien. Arbeitsgruppe 4 (1950–1970) Während des Studiums bei Clemens Holzmeister schlossen sich 1950 Wilhelm Holzbauer, Friedrich Kurrent, Otto Leitner (besuchten bereits gemeinsam die Gewerbeschule in Salzburg) und Johannes Spalt (absolvierte diese einige Jahre vorher) zu einem „anonymen“ Arbeitsteam zusammen, um an Wettbewerben teilnehmen zu können, obwohl nicht alle Mitglieder eine Befugnis als Architekt besaßen. Bereits 1953 schied Leitner wieder aus und Anna-Lülja Praun prägte daraufhin die legendäre Bezeichnung „Dreiviertler“. Nach dem Weggang Holzbauers 1965 und während seiner Auslandsaufenthalte 1956–1959 bestand die Arbeitsgruppe 4 nur mehr aus zwei Personen. Friedrich Kurrent (*1931, Hintersee/Lungau) war nach der Gewerbeschule in Salzburg (1945–1949) und Diplom an der Akademie bei Clemens Holzmeister (1952) Assistent an der Sommerakademie bei Konrad Wachsmann (1956–1957). 1968 Lehrauftrag an der Akademie, Meisterschule E. A. Plischke. 1973–1996 Ordinarius des Lehrstuhls für Entwerfen, Raumgestaltung und Sakralbau an der TU München. Gründungsmitglied der österreichischen Gesellschaft für Architektur (1965). Johannes Spalt (*1920, Gmunden) war nach Absolvierung der „Höheren Staatsbauschule“ in Salzburg (1937–1941) und vor dem Diplom an der Akademie bei Clemens Holzmeister (1952) bereits 1945–1949 als freischaffender Architekt in Gmunden und Wien tätig. Nach 1969 eigenes Atelier und noch teilweise Zusammenarbeit mit Kurrent bis 1974. Ab 1973 Professor an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien, Meisterklasse Innenarchitektur und Industrieentwurf, 1975–1979 Rektor. Von den rund 120 Projekten, die zwischen 1950 und 1970 entstanden und die als Meilensteine der österreichischen Architekturentwicklung hoch gelobt wurden, konnte lediglich ein Dutzend realisiert werden; darunter das Seelsorgezentrum Ennsleite, die Pfarrkirche Parsch, Salzburg (1953–1956) und das Kolleg St. Josef, Salzburg-Aigen (1961–1964). Auszeichnungen: Theodor-Körner-Preis 1954, Österreichischer Staatspreis für Architektur 1959, Kulturpreis der Stadt Kapfenberg 1967. Die Architekten F. Kurrent, J. G. Gsteu, J. Spalt
igarchitektursteyr 10 | 32 ALTERNATIVPROJEKT Zweitgereiht wurde das Projekt von Schwamberger-Scheichl. Obwohl diesem Projekt eine bessere Machbarkeit unterstellt wurde – der Diözesanrat sieht das Projekt als „ausführungsreifer“ – wurde der Beitrag insbesondere aufgrund der städtebaulichen Anordnung zweitgereiht. „In baukünstlerischer Hinsicht ist das Projekt nicht so wertvoll wie der Beitrag von Gsteu, es erscheint der Kirchenbaukörper zu einer Industriehalle verwandt zu sein“, so der Diözesankunstrat. Perspektive des zentralen Kirchenraums mit Blickrichtung Altar Längsschnitt durch die Gesamtanlage: Straßenseitig (links) der Pfarrsaal, in der Mitte die Kirche mit den Glocken, die straßenseitig im Dach integriert sind und rückwärtig (rechts) der Kindergarten Lageplan Gesamtanlage Querschnitt mit Blickrichtung Straße: links der Pfarrhof, rechts der hohe Kirchenraum
igarchitektursteyr 11 | 32 KONSTRUKTIVE VARIANTEN In der weiteren Projektbearbeitung treten die technischen Möglichkeiten der Stahlbetonfertigteile mit stützenfreien, offenen Grundrissen in den Vordergrund. Dabei wird die Primärtragstruktur auf vier Stützen im Erdgeschoß und zwei markante Wabenträger im Obergeschoß reduziert. Alle „Ausbauwände“ sind flexibel integrierbar, was große Schiebetüren im EG verdeutlichen – der Saal erweitert sich zum Innenhof. Da zunächst nur der Pfarrsaal und der Pfarrhof gebaut wurden, tritt das Kirchenbauwerk bei allen Ausführungsvarianten nur schematisch in Erscheinung. Die Perspektive des Hofes verdeutlicht die markante Fertigteilstruktur. Erdgeschoßgrundriss Saal mit vier markanten Stützen Auch im Schnitt tritt die Tragstruktur deutlich in den Vordergrund. Ansicht Pfarrsaal – Fassadenelemente stehen locker hinter der Tragstruktur.
igarchitektursteyr 12 | 32 KONSTRUKTIVE VARIANTEN Durch die beiden Steyrer Unternehmen Ratzinger und Weindl wurde eine Ziegelspende in Aussicht gestellt. Die Architekten wurden daher gebeten, eine entsprechende Variante für einen Massivbau vorzulegen. Die Diözese erhoffte sich durch einen „konventionellen“ Ziegelbau erhebliches Einsparpotenzial. Diese Wünsche konnten nicht erfüllt werden, da insbesondere die stützenfreie Ausführung der Kirche und des Pfarrsaals zu großen Schwierigkeiten geführt hätten. Daher wurde von einer weiteren Vertiefung Abstand genommen. Auch im Schnitt zeigen die schmalen Fensterschlitze einen introvertieren Raumeindruck. Hofansicht des Pfarrsaals – auch die Türen treten als geschlossene Flächen zwischen Schlitzen in Erscheinung. Grundriss Pfarrsaal – unten das Erdgeschoß, darüber die Empore. Schmale Lichtschlitze nehmen Rücksicht auf die massive Bauweise.
igarchitektursteyr 13 | 32 BAUBESCHREIBUNG ARCHITEKTEN Seelsorgezentrum Steyr-Ennsleiten Entwurf: Wilhelm Holzbauer, Friedrich Kurrent, Johannes Spalt als Arbeitsgruppe 4 mit Johann Georg Gsteu Statik: Professor Dr.-Ing. Friedrich Baravalle Der Stadtteil Steyr-Ennsleiten mit den Steyrwerken und den großen Arbeitersiedlungen hatte bisher keine Kirche. Durch den Bau eines Seelsorgezentrums soll ein Mittelpunkt religiösen Lebens entstehen. Die Anlage erstreckt sich von Westen nach Osten. Pfarrhof und Pfarrsaal stehen vor der Vollendung. Im Pfarrhofgebäude sind neben Wohnungen auch Kanzleien und Jugendheime untergebracht. Der Pfarrsaal hat einen Fassungsraum für 300 Personen, die Kirche für 1.500 Personen (500 Sitzplätze). Der Kindergarten ist für zwei Gruppen bemessen. Dem gesamten Entwurf liegt ein Maßsystem von 62,5cm– 125cm–250cm usw. zugrunde. Die einzelnen Baukörper haben ein Grundrissausmaß von 12,50x25 Metern; die Kirche ist aus drei Einheiten gebildet und hat daher ein Ausmaß von 37,50x25 Metern. Das Material für die Konstruktion ist Stahlbeton, welcher schalrein belassen bleibt. Das konstruktive Grundprinzip bleibt für alle Teile der Anlage gleich. Jeder Bauteil wird von x-förmigen, vorgefertigten Stahlbetonstützen getragen, von denen immer vier an den Längsseiten die Hauptlast aufnehmen und zwei an den Schmalseiten vorwiegend der Querversteifung dienen. Die X-Stütze hat den Vorteil großer Seitensteifigkeit und ermöglicht ein günstiges Überleiten der Kräfte aus den Randträgern von einem Geschoß zum anderen. Zwischen den Randträgern sind vorgefertigte Balken mit einer Spannweite von 12,52 Metern verlegt, sie bilden Decke oder Dach. Die Konstruktion erlaubt freie Räume über ein Geschoß (Pfarrhof), zwei Geschoße (Pfarrsaal) oder mehrere Geschoße (vier Geschoße beim Kirchenmittelteil). Die Kirche ist durchwegs mit Profilit verglast. Alle Außen- und Zwischenwände werden nicht zum Tragen von Lasten herangezogen, so dass Räume auch beliebig verändert werden können. Autoren: Arbeitsgruppe 4
igarchitektursteyr 14 | 32 BAUPHASE 1960–1961 Der Pfarrsaal und der Pfarrhof wurden bereits 1960/1961 erbaut. Dabei wurden die ersten Erfahrungen mit der außergewöhnlichen Tragkonstruktion des Komplexes gemacht. Zunächst wurden die Stützen in einer liegenden Schalung betoniert und anschließend aufgerichtet. Die Form der Stützen als „X“ oder als „Kreuz“ hat wesentliche technische Funktionen. Durch diese statisch wirksamen Andreas-Kreuze werden gleichzeitig horizontale und vertikale Kräfte aufgenommen. Im nächsten Schritt wurden die – beim Pfarrhof nach außen geschwungenen – Deckenkränze betoniert. In dieser ersten Bauphase wurden auch die Rippendecken nicht als Fertigteile eingehängt, sondern als reine Ortbetonkonstruktion hergestellt. Die im letzten Schritt eingebauten Außenwandelemente haben keine tragende oder aussteifende Funktion. Der Pfarrsaal während der Bauphase – die gesamte Tragkonstruktion in Ortbetonbauweise ist fertiggestellt, das Obergeschoß bereits ausgeschalt. Pfarrsaal und Pfarrhof im Rohbau – die Außenwandfertigteile sind versetzt worden. Polierplan – Schnitt durch den Pfarrsaal – Stützen und massive Deckenkränze bilden die Primärtragstruktur; die dazwischen gespannte Ortbetonrippendecke die Sekundärtragstruktur.
igarchitektursteyr 15 | 32 BAUPHASE 1960–1961 Die Rippendecke wurde aufwändig händisch geschalt und in Ortbetonbauweise hergestellt. Dabei wurden in den schlank ausgeführten Rippen zusätzlich zahlreiche Aussparungen für Leuchtenauslässe bzw. Befestigungspunkte der Wandelemente mit händisch zugeschnittenen Holzeinlagen, den sogenannten „Packerln“ hergestellt. Gesamtschalungsplan der Ortbetonrippendecke und Deckenkränze Schalungsarbeiten für die Rippendecke – die Primärtragkonstruktion ist bereits fertiggestellt. Detail-Schalungsplan der Rippendecke mit Angabe der sogenannten „Packerln“
igarchitektursteyr 16 | 32 BAUPHASE 1960–1961 Die geschlossenen Außenwände wurden aus Fertigteilen hergestellt. Hier kamen sogenannte „Durisol“-Wandplatten zum Einsatz. Dabei handelt es sich um zirka 60 Zentimeter breite, geschoßhohe Bauelemente aus einem dämmenden Leichtbaustoff, der aus Holzabfällen und Zement nach einem holländischen Patent von den Welser Durisol-Werken hergestellt wurde. Das Seelsorgezentrum auf der Ennsleite war eines der ersten Objekte, bei dem dieser Baustoff in Form von Fertigteilen zum Einsatz kam. Detailskizze der Architekten zur Ausführung der Wandanschlüsse an die Deckenkränze über die „Packerl“ Der Pfarrsaal in der Bauphase mit bereits versetzten Fertigteilwandelementen im Obergeschoß Werkstattzeichnung des Herstellers – dabei wurden die Befestigungselemente modifiziert.
igarchitektursteyr 17 | 32 BAUGESCHICHTE Schreiben des 2. Bürgermeisters von Linz an den 2. Bürgermeister von Steyr mit der Aufforderung, der avantgardistischen Architektur des Seelsorgezentrums nicht im Weg zu stehen. Pfarrheim und Pfarrhof wurden bereits 1960 erbaut, auch um aufgrund der ungewöhnlichen Konstruktion allfällige Probleme beim Bau in den Griff zu bekommen. Phasenweise wurde sogar überlegt, die Kirche aus finanziellen Gründen überhaupt nicht zu errichten. Die Baustelle wurde sogar von seiner Exzellenz, Bischof Zauner, besichtigt. Eine treibende Kraft auf der Baustelle: Polier der Baufirma Zwettler Polier und Arbeiter beim Versetzen der vor Ort gefertigten X-Stützen
igarchitektursteyr 18 | 32 INSTRUMENT FÜR NEUES Architekturpublizisten und Seelsorger zur Kirche Steyr-Ennsleite Fragenstellung: Karin Proyer Die Ausstellung anlässlich des 40-JahrJubiläums der Kirche Ennsleite soll vor allem interessierten Laien diesen Kirchenraum nahe bringen. Und den unvorstellbaren weitsichtigen Blickwinkel dahinter zeigen, der diesen Architekturwettbewerb von 1958 realisierbar machte. Welches sind die für Sie wichtigsten Aussagen diesbezüglich? Achleitner: Natürlich symbolisierte damals die Anlage einen radikalen „Aufbruch der Geisteshaltung“. Gerade heute, wo die Kirche (wenn man das als Außenstehender sagen darf), sich vom einstigen Selbstverständnis weit entfernt hat, ist es ein erfreuliches Zeichen, wenn sich eine Pfarrgemeinde (nach 40 Jahren) wieder inhaltlich mit diesem epochalen Bauwerk auseinandersetzt. Waditschatka: Dem Projekt für Steyr war ein inoffizieller Wettbewerb vorangegangen, Gsteu/Achleitner sollten 1958 direkt beauftragt werden, aufgrund eines 3. Preises beim Wettbewerb für eine andere Kirche in OÖ: St.Martin, 1956. Achleitner ist zu dem Zeitpunkt aus der Arbeitsgemeinschaft mit Gsteu ausgestiegen, der sich daraufhin an die Arbeitsgruppe 4 – in dem Fall Kurrent und Spalt, da sich Holzbauer bis 1959 in USA und Kanada aufhielt – wandte. Gemeinsam entstanden ab 1958 erste Entwürfe für das Seelsorgezentrum, zunächst in einem konstruktiven System mit Längsbindern, in konsequenter Fortentwicklung wurde dann daraus die Konstruktion mit den X-Stützen. Die meisten Betrachter verfallen dem Irrtum zu glauben die Symbolik des Kreuzes, hier als X-Stützen verwendet, bestimmte die Entwurfsidee der Architekten. Die gestalterischen Grundideen begründen sich aber vorwiegend aus anderen Überlegungen, welche würden Sie als vorrangig nennen? Achleitner: Die Vermutung mit dem „Kreuz“, es handelt sich ja um eine X-Stütze, die sowohl vertikale als auch horizontale Kräfte übernehmen kann, ist nicht ganz falsch. Symbolisches Denken war zu dieser Zeit unter den jüngeren Architekten (Einfluss von Konrad Wachsmann) eher verpönt und wurde auch von der Kirche nicht verlangt. Die architektonische Idee war, mit einem räumlichen Element (man würde es heute Modul nennen), bestehend aus sechs X- Stützen und einem Rahmen aus Ortbeton (der nach dem Kräfteverlauf plastisch geformt war) das ganze Raumprogramm der Anlage entwickeln zu können. Das war damals ein architektonisch ergiebiges, konstruktives Entwurfskonzept. Das bedeutete: Beim Pfarrhof zwei Elemente übereinander (mit eingezogener Decke), beim Pfarrsaal ebenso, aber mit Zwischendecke. Bei der Kirche (beim Mittelschiff) drei Elemente übereinander, bei den Seitenschiffen jeweils zwei. Diese Module konnte man also stapeln, aber auch reihen, was eine große räumliche Vielfalt ermöglichte. Die Anordnung bei der Kirche, mit ihrer großen expressiven Geste, hatte auch einen starken Erinnerungswert an den Typus der Basilika. Friedrich Achleitner Architekturpublizist, Schriftsteller Ute Waditschatka Kuratorin, Architekturzentrum Wien Ernst Pimingstorfer Altpfarrer Rupert Federsel FIO-Kaplan
igarchitektursteyr 19 | 32 INSTRUMENT FÜR NEUES Sie waren ursprünglich selbst vorgesehen, dieses Projekt gemeinsam mit Architekt Gsteu zu planen, hatten sich aber schon entschieden, in das Fach der Literatur überzuwechseln. Welche Rolle spielte damals die Auseinandersetzung Kunst und Architektur, Philosophie kontra „pragmatischem Denken“ in der Wiederaufbauzeit? Achleitner: Wir waren damals noch sehr jung. Über die Beziehungen von Kultur, Religion, Architektur und Philosophie haben eindrucksvoll Otto Mauer, Günther Rombold, Herbert Muck oder Ferdinand Klostermann gesprochen. Wir haben andächtig oder verwirrt zugehört. Die Grundform der Kirche modifiziert die Form der Basilika und anstelle eines gerichteten Raums entsteht hier ein beinahe demokratischer. Kann man sagen, hier ist strukturierte Spiritualität gebaut und inhaltlich spürbar? War dies für Sie als Pfarrer wichtig? Pimingstorfer: Ja – unbedingt! Die Architektur hat sehr zur Gemeindebildung beigetragen. Das spürte ich schon bei den Plänen in den frühen 60er-Jahren und stand daher immer hinter dieser räumlichen Struktur, die den Altar fast ins Zentrum rückte. Das war mir sehr wichtig! Es war ein Bild des Gottesvolkes für mich, in dem der Priester mitten drinnen ist. Das Zelebrieren dort war und ist immer erhebend. Vieles ist von diesem Raum ausgegangen. Die Architekten haben die Idee des Konzils vorweggenommen. Achleitner: Was das Thema Wegkirche (Basilika) versus „demokratischere Raumkonzepte“ (Annäherung an das Quadrat) betrifft, gab es ja schon seit Otto Wagner und Josef Plecnik eine Diskussion in der Moderne. Die Arbeitsgruppe 4 und Johann G. Gsteu haben sich neben Uhl, Lackner und anderen intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Dieses Projekt für das Seelsorgezentrum Ennsleite dauerte etwas mehr als zehn Jahre bis zur Fertigstellung. Parallel dazu entstanden in Österreich andere bemerkenswerte Kirchenbauten. Warum hat sich aus diesem Kirchenbau in Steyr keine Beeinflussung der Architekturqualität ergeben? Achleitner: Was die „Beeinflussung der Architekturqualität“ betrifft, kann man das nicht so einfach feststellen, weil sich sehr bald sehr unterschiedliche Richtungen entwickelten, etwa ausgelöst durch Le Corbusier (Ronchamp). Hier spielt auch der Faktor eine Rolle, dass die Kirche zehn Jahre nach dem Entwurf gebaut wurde. Und in dieser Zeit ist viel passiert. Der von klarer Struktur bestimmte Kirchenraum mit seinen Betonträgern und Stützen gibt dem Kirchenraum seinen Zusammenhalt. Könnte man das im weitesten Sinne als Sinnbild für eine Geisteshaltung um zirka 1960 sehen, die innere Strukturen neu zu ordnen versuchte? Waditschatka: Die klare Struktur des Kirchenraums ist die Folge der Präzisierung des konstruktiven Entwurfgedankens, der grundlegend von Konrad Wachsmann beeinflusst ist. Alle drei Architekten – Gsteu, Kurrent und Spalt – hatten in den Jahren 1956 und 1957 die (später legendär gewordenen) Architekturkurse Wachsmanns an der Salzburger Sommerakademie besucht und wurden nachhaltig davon geprägt. Steyr-Ennsleiten ist im Œuvre der Arbeitsgruppe 4 (wie auch dem Gsteus) die erste Umsetzung dieses konstruktiv-strukturellen Ansatzes. Bei anderen, nicht ausgeführten Entwürfen, etwa dem preisgekrönten Wettbewerbsprojekt der Arbeitsgruppe 4 für die Wiener Florianikirche 1957, hatte sich diese Neuorientierung schon früher deutlich manifestiert. Wesentlich bei der Kirche in Steyr-Ennsleiten war das konsequent umgesetzte Prinzip der Vorfabrikation. Das industrialisierte Bauen war ein wichtiges Wachsmann’sches Thema und hat für diese Generation österreichischer Architekten eine große Rolle gespielt. Johannes Spalt und Friedrich Kurrent verwendeten ab 1958 für ihre Architektur den Ausdruck „serielles Bauen“. Diesen Begriff hatten sie aus der neuen Musik übernommen, der also spartenübergreifend relevant war und somit in einem größeren Zusammenhang als „zeittypisch“ bezeichnet werden kann.
igarchitektursteyr 20 | 32 INSTRUMENT FÜR NEUES Die liturgische Diskussion wurde vom Bauherrn, also der Kirche geführt und im Nachhinein ausgiebig von den Theoretikern. Für die baukünstlerische Gestaltung war dies aber nicht die dominierende Grundhaltung. Welche sehen Sie? Waditschatka: Wie bereits oben ausgeführt, war für Steyr-Ennsleiten zweifellos der konstruktiv-modulare Ansatz mit einer Struktur aus vorfabrizierten Teilen und der klaren Trennung von tragenden und umschließenden Elementen, also von Gerüst und Haut, der wesentliche Ausgangspunkt. Die liturgische Diskussion avancierter kirchlicher Kreise spielte für die Architekten in Bezug auf die Entwicklung neuer Raumlösungen schon sehr früh eine wichtige Rolle und diese Debatten wurden auch intensiv rezipiert. Die Arbeitsgruppe 4 hat mit ihrem Erstlingswerk, der Kirche in Salzburg-Parsch (1953–1956) mit einem an drei Seiten von Sitzbänken umgebenen Altar die liturgischen Neuerungen des 2. Vatikanischen Konzils („Volksaltar“) bereits um einige Jahre vorweggenommen. Also im Grunde eine neue Kirchenbautypologie versucht – die Parscher Kirche gilt ja zu Recht als der erste moderne Kirchenbau in Österreich, der die künftigen Liturgiereformen programmatisch in der Architektur umsetzte. Beim zuvor erwähnten Entwurf der Arbeitsgruppe 4 für die Wiener Florianikirche (1957) spielt ein Zentralgrundriss mit nach allen Seiten gleichwertigen Raumabschnitten eine sehr große Rolle und auch in Steyr-Ennsleiten wird aus einem anfänglich stark höhengestaffeltem und längsorientiertem Bau in der endgültigen Lösung ein beinahe ungerichteter Innenraum, der die Gläubigen an drei Seiten um den Altar versammelt. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass dieser Kirchenbau nur gegen große Widerstände, selbst innerhalb der Diözese, durchgesetzt werden konnte, dies erklärt auch die komplizierte und langwierige Bauzeit. Ein sozialer Mittelpunkt fehlte in der Wohnsiedlung Ennsleite, ebenso auch städtebaulich. Ist dies mit dem Projekt gelungen? Wenn ja, warum glauben Sie fand dies keine Fortsetzung, sondern zeigt sich das Viertel als heruntergekommenes Streugebiet? Waditschatka: Die Architekten konzipierten die Seelsorgeanlage bewusst in strenger Anordnung als ruhiges und geordnetes Zentrum in einem städtebaulich damals bereits sehr disparaten Umfeld. Die strategische Absicht des Bauherrn, also der Diözese, hier ein neues kirchliches Zentrum mitten in einen traditionellen Arbeiterbezirk zu setzen, ist klar und kann durchaus auch ideologisch interpretiert werden. Es ist bekannt, dass dieses Seelsorgezentrum in den ersten Jahrzehnten auch soziale Funktionen hervorragend erfüllt hat. Dass es heute diese breite Wirkung nicht mehr entfalten kann, ist wohl kaum der Architektur anzulasten – im Gegenteil: Die Architektur ist ja hinsichtlich ihrer Verwendungsmöglichkeit vollkommen offen, das heißt flexibel und veränderbar auch für andere Nutzungen. Warum mögliche Impulse zur städtebaulichen Strukturierung nicht genutzt wurden, wäre als Frage an die verantwortliche Stadtplanung zu stellen. Aus Aussagen der Architekten wissen wir, dass von dieser Seite kein Interesse bestand und es diesbezüglich nie zu Kontakten mit der Stadt Steyr gekommen war. Kreuzsteckung und -weihe nach der Gesamtfertigstellung
igarchitektursteyr 21 | 32 INSTRUMENT FÜR NEUES Kann Architektur eine Botschaft vermitteln, dem Betrachter, dem Benutzer? Glauben Sie, verdeutlichte dieses Seelsorgezentrum seinen Kirchgängern einen Aufbruch der Geisteshaltung bzw. eine Durchleuchtung dieser? Durchleuchtung im wahrsten Sinne des Wortes, da es hier einen hellen Kirchenraum gibt. Waditschatka: Was konkret das Licht betrifft, so muss man wissen, dass der Kirchenbau vollkommen verglast konzipiert war. Mit den damals erhältlichen Profilitgläsern hätten sich aber zu große thermische Probleme ergeben, sodass die Wände bis auf die Zonen der X-Stützen geschlossen wurden. Die konstruktive Struktur wäre durch diese vollkommene Transparenz auch nach außen ablesbar gewesen und das war bis zu einem gewissen Grad sicherlich auch programmatisch gemeint. In der ausgeführten und bis heute bestehenden Lösung gibt sich der Bau nach außen eher geschlossen, im Inneren hingegen entfaltet sich eine faszinierende Helligkeit und Leichtigkeit. Diese Raumwirkungen haben bestimmt auch positive Auswirkungen auf die Nutzer, was ja generell bei qualitätsvoller Architektur der Fall sein sollte. Die Botschaft ist wohl eher eine indirekt vermittelte und von heute aus betrachtet stimmig, bei den Arbeiten der Arbeitsgruppe 4 (wie wohl auch bei Gsteu) steht aber nie eine symbolisch gemeinte Gestalt oder Geste als Motivation hinter der Entwurfsidee. Pimingstorfer: Die Botschaft war Aufbruch, das haben wir alle gespürt. Die Architektur hat hier geholfen, dass Pfarre lebendig ist. Das Licht ist sehr gut – viel mehr als Licht. Federsel: Die Architektur der Ennsleitenkirche verdeutlicht und nimmt vorweg die Offenheit und die Transparenz des Glaubens der Menschen in jener Zeit. Man/frau konnte in den 60er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts mehr über den eigenen Glauben reden als vorher. Der helle Kirchenraum hat uns, FIO-Jugendliche* und Kapläne, zu mehr Freude und deren Sichtbarkeit eingeladen. Was zuerst war, weiß ich nicht: das Gefühl der Menschen oder die Architektur. Was war ihre erste Begegnung mit dem Entwurf dieser Kirche und seinen Architekten? Pimingstorfer: Der Plan und das Konzept haben mir sofort gefallen – eine Gesamtanlage als Seelsorgezentrum. Eine Kirche in der Stadt hat nie diesen Versammlungscharakter wie am Land, aber hier ging es doch in diese Richtung. Spalt und Kurrent, die meistens miteinander kamen, mit denen gab es noch einiges zu diskutieren. Welche Personen standen hinter der Realisierung, wer war die treibende Kraft? Pimingstorfer: Ich! Als ich 1964 gekommen bin, standen bereits der Pfarrsaal und der Pfarrhof, dort gab es große technische Mängel. Eine Sanierung war notwendig. Hier gab es dann viele Gegner, die Kirche wie geplant zu bauen. Aber ich wollte diese Kirche, auch der Bischof. Er war in dieser schweren Bauzeit auf meiner Seite. Unterstützt hat auch Günter Rombold, der gute Artikel zum Verständnis der Architektur geschrieben hat, (siehe Kunst und Kirche). Trotzdem haben wir noch weitergedacht und ich bin sehr froh, dass die Architekten letztlich noch die Proportion des Kirchenschiffs zum Seitenschiff auf 3:2 änderten anstatt auf die anfangs angedachten 4:1. Für technische Fragen gab es dann eben einen Bauleiter. Hat Ihnen dieser Kirchenraum mehr oder neuere Möglichkeiten gegeben, Kirche zu feiern? Pimingstorfer: Die Kirche ist groß und überall zugänglich, diese Größe erlaubte Prozessionen, Bewegung kam in die Kirche, das war neu. Es gab Platz für die Kinder und damit Toleranz für diese. FIO-Messen mit bis zu 1.000 Leuten, die mit Bussen angefahren kamen. Der Kirchenraum war ein Instrument für Neues. Den Jugendlichen wurden Möglichkeiten zur Gestaltung gegeben und gleichzeitig waren sie auch geschützt, hier liturgisch etwas auszuprobieren. * FIO: Jugendzentrum
igarchitektursteyr 22 | 32 INSTRUMENT FÜR NEUES Federsel: In dieser Kirche sitzen die Menschen im Halbkreis. Sie können einander anschauen. Der Zelebrant sieht mehr lebhafte Gesichter und mehr Gottesdienstbesucher sehen den Zelebranten. Es wird also in dieser Kirche mehr gesehen und mehr kommuniziert. Und das macht schon was für die Liturgie. Die Sitzordnung war demokratischer als bisher. Wir saßen gewissermaßen „am Runden Tisch“. Die Betonkreuze sind nicht nur stabil, sondern in ihrer schlichten Einfachheit auch schön. Den grauen, farblosen Beton erfüllen die Menschen mit Farben, Liedern und Lachen. Wir haben in dieser Kirche auch getanzt. In den 70er-Jahren entstand „auf der Ennsleit’n“ das Jugendzentrum FIO, das an Aufgeschlossenheit, Intensität und Beliebtheit weit über die Grenzen Oberösterreichs bekannt war und bis zu 1.000 Jugendliche zu Messen kamen. Könnte man annehmen, die hier realisierte Architektur,- rational, analytisch und atmosphärisch kam dem kritischen Geist der Jugendlichen entgegen und/ oder verstärkte diesen? Federsel: Der kritische Geist der FIO-Jugendlichen hielt sich in Grenzen. Das Jugendzentrum war unpolitisch und auch nicht systemkritisch. Jenseits der Eltern fühlte man/frau sich in der gleichgesinnten Jugendgruppe wohl, lernte eine neue Dimension der Spiritualität kennen und ein gutes, positives Gottesbild tat auch gut. Die Jugend kam meist aus gutbürgerlichen Verhältnissen, Lehrlinge und Arbeiterkinder waren selten dabei. Jede Messvorbereitung veränderte das Glaubensbewusstsein der Jugendlichen. Systemanalytisch war nur die Sicht auf die Bibel, auf den Kontext des Lebens Jesu, aber nicht auf die Gesellschaft der Zeit damals in Steyr. Die Architektur bot viel Platz für Freiheit, Experimente und liturgischen Mut. Bemerkenswert ist das Gesamtambiente. Es entstand ein Hof wie in großen Bauernhäusern oder in einem Schloss: vorne die Kirche, rechts der Pfarrhof, links der Saal und der Eintritt war ein kleiner Glockenturm. So war die Atmosphäre irgendwie intim. In diesem Raum wurden Osterfeuer entzündet, Feste gefeiert und nach einer Jugendmesse trafen sich die Menschen zu Hunderten. Es gab auf der Ennsleite vorher kein ähnliches Zentrum und es gibt bis heute kein anderes. Wie viel hat die Entwicklung auf der Ennsleitenkirche mit der Entwicklung in Steyr zu tun? Pimingstorfer: Sehr viel, nicht unmittelbar und direkt ablesbar, aber Verbindungen sind dadurch gelungen. 1984 initiierte ich einen Versöhnungsgottesdienst anlässlich 50 Jahre Februarrevolution auf der Ennsleiten. Dazu muss man wissen, dass 1934 das Grundstück und ein sozialistisches Heim, das die Arbeiter selbst errichteten, in staatliche Treuhandschaft übergingen. Die Stadtpfarre suchte damals Raum für eine Kirche und hat dieses Grundstück um 13.000 Schilling gekauft. Dass dies den Arbeitern nicht gefallen hat, ist klar und dann gab es auch diese Revolution, wo alle aufeinander schossen. Zu diesem Versöhnungsgottesdienst lud ich daher auch die „rote“ Stadtführung, um über diese Zeit zu sprechen und um Vergebung zu bitten. Denn viele fühlten sich noch immer verletzt. Danach wurde unsere Kirche nicht mehr einem politischen Lager zugeordnet, teilweise nannten sie mich sogar den „roten Pfarrer“. Federsel: Die Ennsleitenkirche plus Liturgie und Pastoral hat für Steyr standhafte Persönlichkeiten hervorgebracht. Sie waren und sind ebenso einzeln wie unpolitisch. Die allermeisten FIO-Mitglieder, Pfarrangehörige und Priester kamen aus dem bürgerlichen Lager der ÖVP. Steyr wird seit Jahrzehnten von SPÖ-Politikern regiert. Das mag die Abstinenz des FIO von der Politik erklären. 1934 wurde auf der Ennsleite noch aufeinander geschossen. So was dauert. Die soziale Seele braucht noch Zeit zur Heilung.
igarchitektursteyr 23 | 32 PROPORTIONEN KIRCHENBAU 4:1 Trotz Abkehr von einer basilikalen Grundrissausrichtung behielten die Architekten zunächst ein deutlich überhöhtes, viergeschoßiges Mittelschiff bei; diese Höhe stammt bereits aus dem Wettbewerbsprojekt. Die angegliederten Seitenschiffe hingegen wurden auf die halbe Höhe reduziert. Diese Proportionen stießen beim Bauherren auf Ablehnung. Auch durch den Verweis der Architekten auf die Salzburger Kirche in Parsch „Zum Kostbaren Blut“ als sehr gelungenes Beispiel mit scheinbar ähnlichen Proportionen ließ sich die Diözese nicht überzeugen. Querschnitt der Kirche mit den deutlich unterschiedlich hohen Schiffen und einer Unterkirche Querschnitt der Kirche mit der Silhouette von Parsch überlagert Grundriss der nicht ausgeführten Unterkirche, als Werktagskapelle geplant
igarchitektursteyr 24 | 32 PROPORTIONEN KIRCHENBAU 4:2 Als Reaktion auf die strikte Ablehnung der Bauherrschaft auf die bisherigen Proportionen wurden die Seitenschiffe der Kirche erhöht und den übrigen Baukörpern des Seelsorgezentrums angepasst. Mit der Einführung der markanten X-förmigen Stützen in der Tragstruktur tritt auch der ausführende Statiker – das Büro Baravalle aus Wien – auf und bescheinigt nach umfangreichem Schriftverkehr die Machbarkeit der Primärtragstruktur. Schnitt durch die Tragstruktur der Gesamtanlage – der Kirchturm noch dreimal so hoch wie ausgeführt und auch der Kindergarten ist noch projektiert. Strukturskizze – als Detail sind die Deckenbalken beim Pfarrhof bereits nach außen geschwungen, während die der Kirche außen rechtwinklig ausgeführt wurden.
igarchitektursteyr 25 | 32 GESAMTANLAGE SEELSORGEZENTRUM Nach zähem Ringen konnte am 22. September 1968 der Spatenstich für den Kirchenbau gefeiert werden. Dabei hat das Projekt noch einige Adaptierungen und Verkleinerungen erfahren: der geplante Kindergarten fiel weg, die Wochentagskapelle wurde nicht als Unterkirche, sondern gemeinsam mit der Sakristei als nordseitiger Annex zur Kirche gebaut. Die Form der Tragstruktur wurde jedoch beibehalten, dafür das Volumen der Kirche reduziert, indem das Mittelschiff nur noch dreigeschoßig ausgeführt wurde. Die Kirchweihe fand schließlich am 4. Oktober 1970 statt. Während der Bauphase 1969: die Tragstruktur der Kirche steht. Kirchweihe am 4. Oktober 1970 Einreichplan Außenanlagen der Gesamtanlage
igarchitektursteyr 26 | 32 KIRCHENBAU 1968–1970 Beim Bau der Kirche wurde für die Stützen auf die in der ersten Bauphase bewährte Technik zurückgegriffen, diese vor Ort als „Fertigteil“ zu produzieren und dann zu versetzen. Die Ringbalken – bei der Kirche auffällig nach innen geschwungen – wurden in Ortbetonbauweise hergestellt, die Rippendecke diesmal als „echte“ Fertigteile im Werk produziert und vor Ort nur noch in die Deckenkränze eingehängt. Die nichttragenden Außenwände der Kirche wurden aus raumhohen Dursiolwänden gebaut. Die Klarglasscheiben sitzen jeweils hinter den X-förmigen Kreuzstützen, ursprünglich war die Gesamthülle in Profilitglas geplant. Ausblick aus dem Kirchenraum Richtung Osten Zentralperspektive der Tragstruktur mit Blickrichtung Altar – in der ausgeführten Proportion Mittel- zu Seitenschiff mit 3:2 Die Nordecke der Kirche von außen kurz vor der Baustellenmesse nach Fertigstellung der Tragstruktur
igarchitektursteyr 27 | 32 KIRCHENBAU 1968–1970 Bei der Ausführung der Kirche wurde mit der Möblierung und der Positionierung des Altars ein Zentralraum geschaffen. Der Priester zelebriert den Menschen zugewandt, auf eine Blickebene mit den Kirchenbesuchern gestellt. Die Einbauten – Möbel, Orgel, Altar – wurden von der Gestaltung her stark reduziert, sodass neben der allgegenwärtigen Tragstruktur die Feier der Menschen im Mittelpunkt steht. Kurz nach der Fertigstellung 1970 Rohbau Kirchenraum 1969
igarchitektursteyr 28 | 32 X-STÜTZE Die markante X-Form der Stützen erlaubt es, die Tragstruktur des Gebäudes komplett aufzulösen. Durch die Form der Stützen können diese auch aussteifende Funktionen, wofür sonst geschlossene Wandscheiben notwendig wären, übernehmen. Besonderes Augenmerk liegt auf der Ausformulierung der Stützen und dort im Wesentlichen auf dem Querschnitt. Durch die Verdrehung des Querschnittes als rautenförmiger Schnitt mit abgerundeten Ecken werden die Kreuze in der Erscheinung schlanker wahrgenommen als diese tatsächlich sind. Freistehende Doppelstützen im Innenraum zwischen Haupt- und Seitenschiff Detailzeichnung der Architekten als Gestaltungsvorschlag der Kreuze
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