41 um ein Allmosen. Der Kaplan bat den Pfarrer um Erlaubniß, den Knaben hereinrufen und ihm einen Teller warme Suppe geben zu dürfen. Der Pfarr¬ rer erlaubte es gerne und theilte dem hungrigen Knaben von Allem mit, was auf dem Tische war. Nachdem der Kleine nach langer Zeit sich wieder einmal satt gegessen hatte, dankte er mit Thränen in den Augen und wollte weiter gehen: allein es wurde ihm übel. Er hatte sich erkältet und die Kälte wurde ihm in der warmen Stube erst recht fühlbar, Pfarrer und Kaplan fanden, es sei ihm unmöglich weiter zu geben. Der Kaplan schlug vor, dem armen Kran¬ ken das kleine Zimmer anzuweisen, wo die Kapuziner, wenn sie in der Unge¬ gend umher Almosen sammelten, zu übernachten pflegten. Der Kaplan führte den Knaben dahin, brachte ihn zu Bette und ging, den Arzt zu rufen. Der Arzt versicherte, ein heftiges Fieber sei im Anzuge, und verschrieb eine Arznei Der gutherzige Kaplan wartete nun dem kranken Kleinen so liebreich ab, wie nur immer die zärtlichste Mutter ihr Kind verpflegen könnte. Er lehrte ihn übrigens auch Jesus Christus immermehr kennen und betete mit ihm, so daß der Knabe eine solche Liebe Gottes gewann, wie sie der Kaplan noch an keinem Kinde bemerkt hatte. Der Knabe wurde indessen nicht mehr gesund: die Krank¬ heit wurde zu einem zehrenden Fieber, das ihn bald hinwegraffte. Er starb oder vielmehr er schlief ein, um im besseren Leben zu erwachen. Im folgenden Winter besuchte der Kaplan in einem etwa eine Stunde entlegenen Filialorte einen Kranken und verweilte dort so lange, bis es Nacht geworden. Der Kaplan ließ es dem Knecht des Hauses, der sich anbot, ihn heimzubegleiten, nicht zu. „Er wisse, sagte er, „ohnehin den Weg, den er schon oft gemacht hatte Allein während er bei dem Kranken verweilt hatte, war ein frischer Schnee gefallen und hatte die wenig betretenen Fußwege bedeckt und unkennt¬ lich gemacht. Der Kaplan verirrte sich. Auf einmal brach mit Krachen der Boden unter ihm. Er war an einen überfrornen Weiher gerathen, dessen Eis aber nicht stark genug war, einen Menschen zu tragen. Er war bis an den halben Leib in's kalte Wasser gesunken, ohne mit den Füßen einen Grund zu finden. Er fand nichts, woran er sich halten konnte und sah keine Möglichkeit sich herauszuhelfen. Da erblickte er auf einmal einen hellen Glanz. Vom lich¬ ten Gewölkte umgeben erschien ihm das verklärte, freundlich lächelnde Angesicht des Knaben, den er zum Tode vorbereitet und ihm die Augen zugedrückt hatte Der Verklärte bot ihm die Hand, stellte ihn heraus auf den festen Boden deutete mit ausgestrecktem Armee, wohin er gehen sollte und verschwand. Der so wunderbar Gerettete kam unter Empfindungen, die er nicht aussprechen konnte, glücklich nach Hause. Sobald der Tag angebrochen war, ging er hin¬ aus zur Stelle, wo er in Gefahr war zu ertrinken und wo er durch eine höhere Hand gerettet worden. Er bemerkte im Schnee seine Fußstapfen bis zu der verhängnißvollen Stelle. Sonst war keine Spur eines menschlichen Fußtrittes zu sehen. Er betrachtete das Eis; der Weiher war gerade hier am tiefsten. Diese Erzählung, sagt Christoph von Schmid, machte auf mich wohl einen fast eben so tiefen Eindruck, als die Begebenheit auf Kapistran selbst. Uns Bei¬ den, mir und ihm, war diese Erscheinung aus jener Welt ein überzeugenderer Beweis eines Lebens nach dem Tode, als die feinsten Vernunftschlüsse. Sogar 4
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