Geschichte des katholischen Frauen-Vereins in Steyr

21 Herz so zum Mitleid gestimmt, daß er sich aus allen Kräften bemühte, beiden genannten Vereinen so viel als möglich Förderung und Verbreitung zu ver¬ schaffen. Doch je mehr der Herr bisher dies Bemühen segnete, desto mehr zei¬ gen sich noch die Bedürfnisse; ja diese erreichen bis zur Stunde einen Grad, der wahrhaft Schauder erregend erscheint und wirklich alle Wahrscheinlichkeit be¬ nimmt, ganz und gar helfen zu können. Des gehorsamst Gefertigten Gedanken beschäftigen sich deshalb schon lange damit, der stets immer mehr überhand¬ nehmenden Armuth so viel als möglich Einhalt zu thun. Er unternahm es deshalb vor 2 Jahren ganz auf sein Risiko hin speciatim für recht verlassene Kinder zu sorgen; er vertraute hierin ganz auf den Beistand von Oben und und auf die Unterstützung guthmüthiger Menschen. Und wirklich! sein Ver¬ trauen wurde keineswegs zu Schanden, der Herr segnete das Unternehmen. Er verlieh ihm Muth und Ausdauer und schickte auch gutmüthige Menschen bis zur Stunde. Doch Kaiserliche Majestät je mehr Kinder als versorgt werden desto mehr erscheinen allezeit wieder Kinder, die ganz verlassen sind, die oft schon 10, 11 Jahre zählen und noch nie eine Schule sahen und auch nie eine zu sehen bekommen, wenn man sie nicht eigens annimmt. Kaiserliche Majestät im Namen Jesu, der besonders die Kleinen gerne bei sich hätte, und voll Ver¬ trauen auf die bereits allerorts der weiten Monarchie bekannte Wohlthätig¬ keit von Jhro Kaiserlichen Majestät wagt es der ehrfurchtsvollst Gefertigte einen Fürbitter für die wirklich zahlreichen verwahrlosten Kleinen von Stadt Steyr zu machen und er glaubt seine allerunterthänigste Bitte noch mit der Bemerkung unterstützen zu müssen, daß der sonst vielfach bewährte Wohlthätigkeitssinn der Bewohner Steyrs hier in dieser Beziehung bei allem guten Willen sich nie auch nur einiger Massen genügend zeigen könne; denn die allseitig beklagte Stockung der Geschäfte unserer Eisenarbeiter hier nimmt wirklich allen Muth, noch um etwas zu bitten, ja man kommt da besonders als Seelsorger nicht selten in Lagen, mancher scheinbar wohlhabenden Familie noch heimlich geben zu müssen, damit sie ihrem Hunger, der sie oft schon einige Tage quält, doch nicht ganz erliegen. Dieß Alles, gewiß ohne Uebertreibung aller ehrfurchtsvollst dargelegt habend, wiederholt der allerunterthänigst Gefertigte noch einmal seine aller¬ demüthigste Bitte für die verlassenen Kleinen Steyrs und erstirbt in größter Ehrfurcht als unterthänigster Diener Ihrer Kaiserlichen Majestät Jakob Wiesinger, Kooperator bei St. Michael. Diese Bittschrift des würdigen Priesters, welche die innigste Liebe zu den Armen und insbesondere zu den verwahrlosten Kindern bekundet, konnte nicht unerfüllt bleiben. Nachstehendes Dankschreiben an die Allerdurchlauchtigste Kaiserin gibt freudige Mittheilung der allergnädigst erhörten Bitte. „Kaiserliche Majestät! Indem der allerehrfurchtsvollst Unterzeichnete die Quittung über 300 fl. öst. W. allerunterthänigst überschickt, welchen Geldbetrag er durch die Gnade Ihrer Kaiserlichen Majestät zur Unterstützung armer verwahrloster Kinder Steyrs

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2