250 Jahre Christkindl - 1708-1958

eigenen Klosterpfarre die Möglichkeit schuf, daß Christkindl selbst zur Pfarre erhoben wurde und damit vor Aufhebung und Abbruch bewahrt blieb. In Passau war man anfänglich mit Recht sehr zurückhaltend und wandte sich gegen unkritische Wundergläubigkeit. Abt Anselm gibt dagegen als Wall– fahrtsziel .die Vermehrung der Ehre Gottes und befürderung des Seelenhaills" an und dazu ist der K11ltgegenstand aufs beste geeignet. Es geht dabei um die An– betung des Gottessohnes vor einem Gnadenbild, dat ihn in Gestalt seiner Kind– heit zeigt. Die Entstehungszeit von Christkindl steht mitten in der Entfaltung einer großen Krippenbewegung. Aber hier kommt zur Verehrung des Wunders der Menschwerdung ein Neues: das Gotteskind wird mit den Leidenswerkzeugen ausgestattet und damit der göttliche Erlösungswillc betont. Dieser Kult ist nicht neu. So schafft der liebenswürdige Meisrer der Frührenaissance Desiderio da Settignano (gest. 1464) für San Lorenzo in Florenz einen Tabernakelaufsatz mit einer polichromen Stuckstatue (H. 66 cm) in Form eines unbekleidet stehen– den Christusknaben, der in der Linken Kreuznägel und Dornenkrone trägt, während die Rechte zum Segen erhoben ist"). Das elfenbeinerne Loretokindl in Salzburg (H. 10 cm) von ca. 1620 hält in der Linken ein Kreuz, die Rechte trägt ein Zepter"). Das Christkind, das um 1620 Hans Spindlcr als Tabernakel– aufsatz für Garsten geschnitzt hat, trägt das Kreuz in der Linken, die Rechte segnet. Das Gnadenbild von Christkindl hält in der erhobenen Linken das Kreuz, in der halb gesenkten Rechten die Dornenkrone als grausamen Gegensatz zur holden Lieblichkeit seiner Kindergestalt. Es ist eine Illustration zur Grundwahr– heit des Christentums, daß der Sohn Gones Mensch geworden ist, um uns durch seinen Tod am Kreuze zu erlösen und ewig selig zu machen, ein Aufruf an alle Mühseligen und Beladenen, voll gläubigem Vertrauen zu diesem Gnadenbild zu kommen. In Passau war man auch mit Recht wegen der übermäßigen Baufreudigkeit der Klöster beunruhigt. Aber man hat ja in Passau selber mit der Barod<isierung des Domes durch die gleichen Carlone und deren Arbeit auch an anderen Stellen der Stadt nicht anders getan. Das war der uobezähmbare Überschwang des Barocks, über deo gegebenen Anlaß und alles Maß hinaus zu bauen, zu formen und zu schmücken. Vor allem die Klöster, von denen einst die KunSt ihren Aus– gang genommen hat, erfüllten nun die im deutschen Wesen schlummernde Sehn– sucht nach dem Festen und Prächtigen, und von den Stiftsbauten strahlte es aus in Kleinstadt und Dorf mit einer das Gemüt, ja den ganzen Mensd,en so tief erfassenden Wirkung, daß sie bis heute noch nachklingt, oft im Modernsten noch faßbar. Im Donauraum wußte man das alles herrlich in die Landschaft zu stel– len und mit der Natur zu verbinden, der geformten und freien. Selbst im Klei– nen, in Christkindl: hinter dem Pfarrhof ein Garten mit sid1 kreuzenden Baum- ..) Koch Ernst, a. a. O., S. 16: .Quantum vero peregrinantium multitudo successive usque ad ultimos vitac annos M. Theresiae Tmperatricis devotissimac increvit, ita nccessario decrescere debuir a remporc, quo Reformator Univcr– salis, Josephus II. Regimen in se suscepit, unde 1783 jam ex 1010 clausa fuiss-et Capella, nisi Abbas nostcr annuisset, in Ecclesiam Capellaniae Jocalis eam transformari." ") Heute im Museo Bardini in Florenz, Sala XIV, Catalogo n. 730, Inven– tario n. 5 n. Gütige Mitteilung von Pr. Giulio Cirri, Florenz. ") Hans Tietze u. Franz Martin. Die kirchlichen Kunstdenkmale der Stadt Salz– burg, Wien 1912, S. 189. 24

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