250 Jahre Christkindl - 1708-1958
anderen Nachahmungen der Rotonda (z. ß. Westerndorf bei Pang, Obb.) auch im l\ußercn den Vicrpaß des Grundrisses klar hervortreten lassen, und gerade darin trifft er sich mit Villers-Coucrcts. Nun weist neuestens A1uhony Plunt nad,, daß Dclorme dabei auf den italienisd,cn Architekturtheoretiker Sebastiano Serlio zurückgreift°'). Dieser bringt am Beginn seines dritten Buches..) das Pantheon und später eine Forccntwicklung dieses Schemas durch Abschälung der Außenwand des geschlossenen Runds, so daß die sechs Konchen des Innern aud, außen sichtbar werden. Die Eingangshalle, eine Vereinfachung derjenigen des Pantheons, wird getreu in Villers-Cotterets übernommen. Auch Abraham Leuthncr kennt Serlio gut, wie ein Vergleich der beiden Druckwerke ergibt, und ebenso kennt ihn Carlone. Dieser kennt aud, sicher die Mariahilfkird,e in Innsbruck (1647-1649), die auch von Serlio abhängt. Doch ' weise die Einfügung der Trom• mel in Christkindl so sehr•auf Villers•Cotterers, daß es unwahrscheinlich isr, daß Carlone selbständig zu einer gleichen Lösung wie de l'Orme gekommen ist"). Wir dürfen also in Christkindl die barocke Bearbeitung eines französisd,en Renaissanccgcdankcns erkennen, der dann durd1 Prandu.ucr eine öscerreichischc Färbung erhielt. Wir kennen das Todesjahr Giovanni Battista Carlones nicht. Er erscheint zu• letzt 1702-1707 als Stuckator in der Wallfahmkirche Mariahilf zu Amberg, und dann hören wir nichu mehr von ihm. Am 1. Mai 1708 starb auch sein Bruder Carlo Antonio und wurde zu St. Nikola in Passau begraben"). Abt Anselm ver• sicherte sid, sofort mit Jakob Prandrnuer eines Nadlfolgers für den Stiftsbau. fn Christkindl waren bis zur ßaueinsrellung im Jahre 1703 die Mauern bis zur Höhe des Gewölbeansatzes der Seitenräume gediehen. Prandiauer übernahm damit ein gegebenes Programm, und es verblieb ihm im wesentlidten nur die Vollendung der Gewölbe, Trommel und Kuppel, die [nnenausstattung und die Gescalcung der Fassade. Wie eine offene ßaunaht und zwei Türausnchmungcn an der Außenseite der Hochaltarapsis zeigen, dürfte Carlone eine Sakristei in der Ecke zwischen der West• und Südkonche mit einem die Westapsis einfassenden Umgang geplant haben. Prandtauer entwarf eine wesentlich größere Sakristei (siehe Abb. 2), die aber dann nicht zur Ausführung kam, da das Gelände bedeutende Subkonstruk• tionen erfordert hätte. Die Westseite der Kirche hätte damit c:n völlig verändertes Aussehen erhalten, da die V!erpaßwirkung nach außen verlorengegangen wäre. Die Stuckausstattung des Kircheninnern stammt wohl von dem am Garstncr Stiftsbau tätigen Francesco oder Thoma Ferrara. Sie ist von auffallender Schlicht• heit und als früheste Antithese gegen die bis zur Obersättigung gesteigerte Deko– r:uion der Carlone•ßauten von "Prandtaucr bewußt auf die ardtirekronische Strenge des Raumes abgestimmt. Die nackten Wände waren für das farbige Ornament der Opfergab<:n und Votivtafeln bestimmt, die unter der Einwirkung ") Anthony Plunt. Philibert de l'Orme, London 1958, Abb. 48 u. 49 a. '°) II terzo libro di Sebastiano Serlio Bolognese in Vinegia 1562, S. 7 und S. 30; dazu 5. Buch S. 3 v, un templo con quattro capelle fuori. ••) De l'Orme fand mit seinen Zentralbauten in Frankreid, keine Nachfolge. Die 1560 begonnene königliche Grabkapelle Notrc-Dame-la-Rotonde in St. Denis mit einer zentralen Reihung von acht Kapellen schließt sich wieder enger an das Pantheon. " ) Rochus Kohlbach, a. a. 0., S. 292. 19
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