250 Jahre Christkindl - 1708-1958

stukkiert. Sie ist ein kleiner, verhältnismäßig hoher Raum und zeigt im Grund– riß ein reines Oval. Sie wird erst interessant durch einen mehr bildhauerischen als architektonischen Kniff. Indem in den Diagonalpunkten Pilasterpaare auf– fallend spitz in den Raum vorstoßen, wird der Eindruck einer Bewegtheit der Raumkurve erreidu 58 ). Das führt in die Nähe ßorrominis, von dem sich Carl• antonio Carlone fernhält. Und borrominesk isr ja auch Christkindl durch das Ineinandergreifen der Räume im Gegensatz zur bewußten Nebcneinandersetzung der Räume in der Salzburger Universitätskirche Fischers von Erlach, die der Garstner Chronist P. Ernst Kod, als Vorbild für Christkindl ansieh,.,). Ober ßorromini hinaus führt jedod1 in Christkindl die schwierige Konsiruktion sphäri– „dlcr Bögen in den breiten Aussd1nittcn der Seitenräume, die über fast ein Viertel des Hauptraumkreises reid'len. Wir wissen, daß die Carlone fast jeden Winter nach dem Süden gewandert 1;ind und von dort immer wieder neue Anregungen mitbrachten. So konnte Giovanni Bauisra leicht Kenntnis von den Arbeiten Guarinis haben, der diese von der Antike her nie verlorene Konstruktion in größerem Ausmaß ins Barock ein– führte. Es ist aber auch möglich, daß für Christkindl der Einfluß aus einer ganz .,ndcren Richtung kommt. Giovanni ßattista hat 1695-1698 die Stiftskird1e von Waldsassen, Obcrpf., ~tuckicrt. Baumeister dieser Kirche war der aus Oberösterrcid, stammende Prager Stadtarchitekt Abraham 1.euthner von Grund,. Dieser veröffeotlichte 1677 ein Werk, in dem er sich mit kompltzierten Zentralbauproblemen befaßt..). Er wie .1ud1 sein Palier und Mitarbeiter in Waldsassen, Georg Dientzcnhofcr, der Er– oauer des kühn über einem Dreipaß errichteten Kappl (dessen Konstruktion Jo– hann Michael Prunner für Stadl-Paura übernahm), haben wohl den Franzosen Philibert de l'Orme gekannt, der sd,on 100 Jahre früher diesen barocken Bau– gedanken vorwegnahm und im Schloß Anet und in der für Heinrich lf. im Schloßpark von ViJlers•Cotterets errichteten Kirche den weitgespannten sph:iri– sd1en Bogen verwandte. Villers-Cotterets ist nicht mehr erhalten. Aber eine Zeidrnung Ducerceaus im Britischen Museum io London, auf die Ehler v. Grosholf aufmerksam machtet), zeigt einen Grundriß und eine Außenansicht, die fast gleid,lautend in Christkindl aufscheinen. Der Unterschied besteht nur darin, daß an Stelle der Eingangskonche eine antike Eingangshalle tritt. Nach dem Wunsche des Abtes Ansclm sollte die Kirche in Christkindl nad, dem Vorbild des Pantheons (Santa Maria Rotonda) erbaut werden. Das hätte bedeutet, daß es ein nad1 außen gesd1lossener Rundbau werden sollte, dessen Innenwände durch Nischen aufgegliedert sind. Carlone hat aber im Gegensatz zu . ..,) Zu einer wirklich bewegten Kurvenführung gelangt erst Prandtaucr bei der Umarbeitung dieses Grundrisses für einen Encwurf zur Prälatensakristei in Kremsmünster. Siehe Abb. 69 in Hugo Hanrsch, Jakob Prandtauer, der Klosterarchitekt der österreichischen Stifte, Wien 1926. ") Koch Ernst, Compendiosa Notitia de Parochia Garsten, 1808, S. 77: .Ecclesia haec fuit exstructa inter duorurn annorum Spatium ad modellam Ecclcsiae insignis Universicatis benedictinae Salisburgensis, licet in parva tarnen dimcn– sione." LA-Stiftsarchiv Garsten, Hs. Nr. 77. ••) Gründlid-te Oarsrellung Der Fünff Seyllen durch Abraham Leuthner von Grunde, Burger und Maurer Meisrer der König!. Neuen Stadt Pr,g. Prag 1677. ") Ehler v. Grashoff, Die Schloßkapelle von Anct und die deutsche Barock– ard1itekrur. Zeitschr. d. Deutsch. Ver. f. Kunstwissenschaft, Bd. 7, Heft 2/ 3, Berlin 1940, S. 123 lf 18

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