Zwanzig Jahre Röda

… Körperliche, soziale und kulturelle Grenzen finden, über- schreiten und sich den Kopf an irgendwelchen Türrahmen stoßen und rücklings umfallen, um alsdann in den psyche­ delischen Deckenmalereien (wobei die Decke diesbezüg- lich kaum von Wänden, Boden und Mobiliar zu unterschei- den war) umfassende Klarheit über die Beschaffenheit der Welt und seiner eigenen Nicht-Rolle darin zu erlangen. Natürlich: eine dieser Adoleszenz-Geschichten, wie ALLE sie erlebt haben. Aber NUR WIR haben sie WIRKLICH er- lebt. Wer mit 15/16 Jahren schon die gesammelten poli- tischen wie religiösen Weltbilder überwunden und Philo- sophie und Esoterik gegeneinander ausgespielt hat, wer in dieser „besten“ Zeit seines Lebens, den Schlüssel zum Glück in der gleichzeitigen Gültigkeit aller Gegensätze ge- funden und erkannt hat, dass die Lösung der Lösung die Lösung ist (!), kann mit Fug und Recht von sich behaupten, „enorm“, „speziell“, oder wie wir damals zu sagen pfleg- ten, „schräg“ zu sein. Selbst das irreparable Flackern der Stiegenhausbeleuchtung gab Anlass zur Bewusstseinserweiterung. Nach dem Auftritt einer Band mit bezeichnendem Namen „Overdrive“ oder so ähnlich (bis heute begreife ich nicht, wie H. damals mit an die Lautsprecherbox gelehntem Kopf das halbe Konzert verschlafen konnte), spielte die Hauselektrik endgültig verrückt. Irgendwie beruhigend fand ich trotzdem, dass mir ein Bandmitglied nach dem Konzert versicherte, sie würden im Proberaum eh wesentlich lauter aufdrehen. Mit den Füßen im entglasten Oberlichtfenster der Gang- türe eingehakt hängend, ließ sich bei dem so entstandenen arhythmisch blinkendem Effektlicht wunderbar Nicht-Denken. 61

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