Zwanzig Jahre Röda

spot auf Wir begannen fast zur selben Zeit in der Jugend-Subkultur unterschiedliche Landesteile zu beackern. Stand ich 1996 dem Kulturverein Avalon im Waldviertel vor, startete zur selben Zeit in einem Keller am Steyrer Hauptplatz ein Team und führte eine kleine Kulturbewegung 1997 in die alte Tischlerei im Wehrgraben. Der Kulturverein röda fand seine Heimat, die er bis heute bespielt. Ich war gleich im ersten Jahr zu Gast, kenne das Haus, seit die Musik durch dessen Venen fließt und feierte mit drei Waldviertler Bands ein rauschendes Fest beim Auswärts- spiel im Wehrgraben. Was blieb von dieser wilden Nacht waren ein schwerer Kopf und die Frage, wie man diesen riesigen Saal so gestalten könnte, dass sich die Gäste auch bei mäßigem Besuch wohl und heimelig fühlen. Das röda konnte man nicht aus dem Auge verlieren, nicht wenn man sich mit guter Musik abseits des Mainstream beschäftigte. Im Avalon Allentsteig oder Krems spielten zum Teil dieselben Bands. „Bewundernswert“, dachte ich mir, bei so einer Kulturinitiativen-Dichte, wie sie damals in Oberösterreich vorherrschte – und die Nähe zu Linz machte das Überleben auch nicht einfacher. Landespolitisch wa- ren Nieder- und Oberösterreich ident. Was Oberösterreich ausmachte war, dass es viel mehr größere Städte gab, die SPÖ regiert waren als in NÖ. Wir hatten nur St. Pölten und Wiener Neustadt, die dem mächtigen Land die Stirn boten und es war nicht überraschend, dass auch nur in diesen Städten über viele Jahre hindurch abseits des ländlichen schwarz regierten Allentsteig und der Kleinstadt Krems eine Subkultur-Szene ihre Heimat fand. Das röda rückte intensiver in meinen Fokus, als ich im Sommer 2010 die Jobausschreibung „Suchen Geschäfts- führer“ auf meinen Tisch bekam. Ich hatte ein Jahr vorher den letzten Avalon-Club geschlossen, nachdem der Hand- lungsspielraum durch Behörden so eingeschränkt worden war, dass nur massive Geldmittel und ein Generalumbau der Betriebsstätte ein Weitermachen sinnvoll gemacht hätten. Hilfe von Außen gab es keine und für uns selbst waren die Mittel begrenzt. Es war damals nicht unwesentlich, welchem Couleur eine Stadtregierung angehörte. Heute ist es ziemlich egal, das Finanzdefizit regiert die politische Arbeit. Es scheint heute undenkbar, dass eine neu gegründete, vergleichbare Initi- ative ein Kulturhaus in dieser Größe von einer Gemeinde oder Stadt zur Verfügung gestellt bekommt. Die Initiative röda war gerade noch zur rechten Zeit aktiv geworden! Mittlerweile scheint mir, sind die Wertigkeiten einer Stadtregierung mehr in Richtung Infrastruktur-Erhalt, Straßenausbau und öffentliche Verkehrsmittel verschoben worden, damit Arbeitskräfte zu Ihren Produktionsstätten kommen. Kulturarbeit ist zur Nebensache verkommen. In- flationsanpassung bleibt Theorie. Der Kulturbetrieb steht vor der Herausforderung, dass die massiv steigenden Aus- gaben mit gleich bleibenden Förderungen nicht Schritt halten. Personaleinsparungen und Qualitätsverlust sind oft die Folgen. Ich bekam also den Job im röda und freute mich auf die neue Aufgabe in einem neuen Bundesland. Das röda war in der Zwischenzeit gewachsen, die Konzerthalle sinnvoller­ weise verkleinert. Es gab drei Proberäume, ein eigenes Beisl, ein Jugendzentrum, das untertags geöffnet hatte und freie Werkstätten wo man sich als Tischler, Schmied oder als Töpfer betätigen konnte. Ein damals wie heute zeitgerechtes Konzept, produziert unsere Gesellschaft doch immer mehr Jugendliche die mit Sorge in Ihre Zukunft blicken, nicht klar kommen mit der rasenden Welt, sich ungewünscht, nicht geborgen fühlen und ihre eigenen innersten Bedürfnisse nicht zu artiku­ lieren vermögen. DAS RÖDA BLEIBT! Täglich rückt sich das röda in mein Blickfeld. Auf meiner Kaffee Tasse steht „laut seit 1997“. Auf der Rück seite prangt das röda-Logo. Seit zwanzig Jahren! Was für eine kulturpolitische Ära. 238

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2