Zwanzig Jahre Röda

Für mich persönlich war die Werkstatt gewissermaßen „der ideale Raum“. Jener nämlich, in dem die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit und auch die zwischen Sinn und Unsinn verschwimmen, ein Lebens-Raum also. Ich baue Figuren aus Stahl, und dieses Bauen ist mitunter eine feurig-laute Angelegenheit. Unterstützend tönende Beschallung habe ich dabei meist als überaus befruchtend empfunden. Im Gaswerk war das möglich, auch ohne Beschwerden aus der Nachbarschaft – und auch, wann immer es nötig war. Ich vermisse das. Anfänglich wurden wir bestenfalls milde belächelt, nach zwei Jahren wär der Spuk ohnehin wieder vorbei. Fünfzehn Jahre später trifft man sich mit Anrainern und Stadtver- waltung auf Augenhöhe, manche haben den Anspruch auf diesen Freiraum verstehen gelernt und akzeptiert, anderen wars irgendwann einfach egal (oder zu viel). Immer wieder waren BesucherInnen aus Nah und Fern derart enzückt vom Charme dieses Ortes, dass nachfolgende Verpflichtungen oft, wenn überhaupt, nur stark verspätet wahrgenommen werden konnten (you’re welcome, Dead Brothers! …). Nach seiner mäßig gut besuchten Show in röda, an einem schwülen Sommerabend, den viele lieber draußen ver- bringen wollten, verlegten wir das DJ-Set von Slack Hippie kurzerhand ins Gaswerk. Es war laut und es war gut. Alle haben getanzt – durch die Nacht und durch den nächsten (Regen-)Tag. Der Nachbar, der uns Nachmittags besuchte, wollte sich wider Erwarten nicht des Lärms wegen be- schweren, er wollte nur sehen, wo denn die gute Musik herkommt. Am Ende hat er selbst getanzt. 2016 sollte dann Schluss sein. Die Werkstatt und der ganze übriggebliebene Rest des ehemaligen Gaswerkgeländes wird dem Ausbau der Fachhochschule weichen. Bislang ist davon noch wenig zu sehen – außer Brachland. Die gesellschaftspolitische Relevanz eines „Spielplatzes“ ver- blasst naturgemäß angesichts dieses millionenschweren Bauprojektes für junge Wirtschafts-HoffnungsträgerInnen. Die Brightoner Musiker der „chamber-pop“-Band The Mi- serable Rich haben den Gaswerk-Steg auf dem Cover ihres Albums „Of Flight & Fury“ verewigt. Nachdem sie, einige Zeit später wieder in Steyr konzertierend, den vom Hoch- wasser gestohlenen Steg vermissten, fand sich auf ihrer Gesichtsbuch-Seite der Kommentar: „All good things must come to an end.“ Und so ließe sich hier noch Vieles hintexten über ein flui- des Konglomerat wie der Gaswerkstatt, über Projektarbeit im Allgemeinen, über Not und Drang und über Müßig­ gang, über das Feiern und das „Fetzen“ oder darüber, einfach nur stundenlang in den Fluss zu schauen. Dies ist nur eine Geschichte übers Gaswerk. Es gibt viele. Und sie alle haben ihre eigene Stimmung, und ihre Berechtigung. Also verlasse ich zum Schluss die Textebene und zeichne meine Gaswerk-Stimmung mit einem Bild, einem Track und einer Szene: u #1 aus dem Kinder-(„Wimmel“-)Buch von Ali Mit- gutsch: „ Wir spielen Abenteuer “, Seite 8 und 9 (die mit dem Schrottplatz, auf dem die Kinder sich Raumschiffe und Rennautos bauen …) u #2 „A Three-legged Workhorse“ von der texanischen Band This Will Destroy You u #3 Alex (R.I.P.) kommt ins Gaswerk und springt mit An- lauf voll bekleidet in die Steyr – taucht auf, zieht sich aus, legt sich auf dem Steg in die Sonne und schläft mit einem Ständer ein. Am 26. März 2016 bespielte die Jazz-Noise-Band Ni in der leergeräumten Schmiede das Ende der Gaswerkstatt. Schon zuvor, am Freitag den 13. November, also exakt fünf- zehn Jahre nach Vertragsunterzeichnung, gabs ein kleines Abschlussfest in der endlich zum Wohnzimmer umfunk- tionierten Metallwerkstatt. Auszug aus dem Gästebuch dieser Nacht: All work and no play makes Jack a dull boy. All work and no play makes Jack a dull boy. All work and no play makes Jack a dull boy. All work and no play makes Jack a dull boy. All work and no play makes Jack a dull boy. All work and no play makes Jack a dull boy. All work and no play makes Jack a dull boy. All work and no play makes Jack a dull boy. All work and no play makes Jack a dull boy. All work and no play makes Jack a dull boy. Andreas Schönangerer z Sommerprojekt eins t Cover-Artwork von den The Miserable Rich mit dem Gaswerksteg 159

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