200 Jahre Pfarre Christkindl 1787-1987

1787 1987 KONTAKT SONDERNUMMER 200 JAHRE PFARRE CHRISTKINDL I , , , I t '♦ - ,. ~ .. -

EIN BLICK ZURÜCK Das Mittelalter liebte die weiten und schweren Bitt- und Bußwallfahrten nach Rom, Santiago (Spanien) und in das Hl. Land. Nach der Glaubensspaltung im 16. Jahrhundert lebte in den katho l i sehen Ländern das Wallfahren wieder auf, aber man bevorzugte - aus einem neuen Heimatgefüh l heraus - nun Gnadenstätten im näheren Umkreis. So schaffen denn Stifte und Städte ihre eigene Wallfahrt als Stätten privater Andacht für das · Beten, Bitten und Danken des gläubigen Volkes . Dafür erbaut Seitenstetten die neue Kirche am Sonntagberg, Kremsmünster sein Heiligenkreuz, Lambach errichtet Stadl Paura, für Salzburg ist Maria Plain, für Linz der Pöstlingberg Wallfahrtsmittelpunkt. Für das Stift Garsten und die Stadt Steyr aber wird Christkindl nun Hauswallfahrt. Die Entfaltung einer großen Krippenbewegung und die Verehrung der Menschwerdung Jesu zu dieser Zeit begünstigen seine Entstehung. Dies erklärt auch die Festigkeit, mit der Abt Anselm Anger er von Garsten den Kirchenbau gegenüber a11 en Schwi eri gkei ten verfolgte, die ihm von der Diözese Passau bereitet wurden, wie auch den großen Zulauf und die wachsende Zahl der Pilger, die bald nach Christkindl kamen. Schenkungen wie das Mitterstei nwendnergut (heute Gasthof · Eßl) und viele Stiftungen kamen Christkindl zugute. Der Bau eines geräumigen Superioratshauses (heute Pfarrhof) sollte den seelsorglichen Notwendigkeiten abhelfen, damit dem gl äubi gen Volke erfahrene Seelsorger und gute Beichtväter zur Verfügung standen. • . IT •~, ,::.-,,,.\:1",t\r MAURUS GORDON Abt von 1764 - 1786 Christkindl entstand durch die fromme Tat Ferdinand Sertls, die herrliche Kirche verdankt ihr Entstehen der unermüdlichen Tatkraft Anselm Angerers (1683-1715), der einer der bedeutendsten Äbte des Stiftes Garsten war. Neben der Vo 11 endung der barocken Stiftskirche und dem Neubau der Stiftsgebäude ließ er alle zum Stift gehörigen Pfarrkirchen des Enns- und Steyrtales vergrößern oder verschönern. Sein Lieblingswerk aber war Christkindl, wie die Inschrift auf seinem Sarkophag bezeugt: Vom ersten Stein an hat er neben dem Geld vor allem sein Herz der Kirche des Christkinds geschenkt. ANSELM ANGERER Abt von 1683 - 1715 Die Wallfahrt nahm eine ständige Aufwärtsentwicklung und man plante auch eine Erweiterung des Superioratshauses fü r di e Unterbringung der vielen Pilge r . Das Wal lfahrtsver bot Josephs II. bereitete - wie viele seiner anderen Kirchenreformen - der zukunftsfrohen Entwicklung ein jähes Ende. Noc:h einmal setzte sich das Stift Garsten zur Wehr: Um die Sch 1i eßung oder gar einen eventuellen Abbruch der Kirche zu verhindern, wurde vom letzten Abt Maurus Gordon durch Abtrennung der Ortschaften Christkindl, Unterhimmel, Rosenegg und Tinsting aus dem Geb i et der Klosterpfarre Garsten 1785 eine eigene Lokalkap1anei Christkindl errichtet. Die Weihe des neuen Friedhofes folgte 1786. Als nach dem Tod von Abt Maurus ( + 1786) dem Stift Garsten das Schicksal der Aufhebung drohte, wei 1 den Mönchen eine Abtneuwahl verboten wurde, setzte man eine letzte Tat für Christkindl: 1787, kurz vor der endgültigen Aufhebung, wurde Christkindl zur Pfarre erhoben.

1 1 Abt Anse lm hat gegenüber dem Bischöflichen Ordinariat Passau al s Wallfahrtszie l für Christkindl die "Vermehrung der Ehre Gottes und die Förderung des Seelenheiles" der Menschen angegeben. In der neuen Pfarre Christkindl haben zuerst Benediktiner von Garsten und dann vor a11 em Weltpriester, die als Pfarrer hier wirkten, zusammen mit vielen gläubigen Christen versucht, diesem Anliegen Abt Anselms als Auftrag in den jetzt 200 Jahren des Bestehens der Pfarre Christkindl gerecht zu werden. Adolf Berka Literatur: Prof. Josef Perndl, 250 Jahre Christkindl, Jahresbericht des Kollegiums Petrinum 1957/58 Pergamentbild von J.G. Prechler um 1715 (Ausschnitt) AUS DER CHRONIK DER 200 JAHRE Di e Pfarre Christkindl blickt heuer auf eine Entwicklung von 200 Jahren zurück. Das erscheint manchen zuviel, anderen zuwenig. Wer Christkindl als Wallfahrtsort kennt, weiß, daß es auf das Jahr 1695 zurückgeht, a1so fast 300 Jahre alt ist. Wem der Name Christkindl allerdings erst durch das Weihnachtspostamt bekannt wurde (zum ersten Mal 1950 abgehalten), der schätzt es viel jünger ein. Christkindl, ursprünglich eine Tochter von Garsten, stand 1787 bei der Aufhebung des Klosters plötzTTcll verwaist da. Die neu entstandene Pfarre war nicht sehr groß und man entzog ihr durch den Verkauf der Besitzungen - 1788 Schloß Rosenegg samt Meierhof und 1794 das Mittersteinwendnergut; die Einsiedelei wurde um 50 Gulden zur Errichtung efnes Gasthauses (heute 'Baumgartner') verkauft - alle Unterha l tsmöglichkeiten. So k1agen die ersten drei Pfarrer von Christkindl, die noch Patres aus Garsten waren, daß es durch das Kirchen- und Pfarrhofdach regne Cl 793), daß der Pfarrer "vom Pferd auf einen Esel avanciert" sei (1794), und daß sogar die Obstbäume verheizt werden müßten (1791). P. Leander Kremser, der dritte Pfarrer von Christkindl, bemühte sieh, eine eigene "Ökonomie" aufzubauen, die dem Pfarrer und dem ebenfalls im Pfarrhof wohnenden Mesner das Auskommen sicherte. 1793: "Vom Misthaufen kam ich in mein Sch1af zimmer." Dort war "der Fußboden eingebrochen und Gruben zum Hals- und Beinbrechen". Auch war kein Ofen im Raum. Doch kaum wuchsen die ersten Obstbäume im "Zwetschkenparadies" und die ersten "böhmi sehen Kartoffe1n" im Garten, forderten die Franzosendurchzüge in den Jahren 1800, 1805 und 1809 ihren Tribut. Kirche und Pfarrhof wurden geplündert, Pfarrer Kremser übel mitgespielt, sodaß sie 1809 "keinen Bissen Brot am Weihnachtstag" gehabt hätten, wenn sie nicht einen ha1ben Laib erbeten hätten. Auch die eigene Regierung forderte Silberablieferungen (1807, 1810) zur Deckung der in den napo 1eoni sehen Kriegen entstandenen Schu1den. Man konnte die hei 1i gen Gefäße dadurch retten, daß man ihren Wert in Geld ablöste. Deshalb erging 1807 eine "Proklamation an das Pfarrvolk", die Kirchenstuhlgebühren einführte. Man konnte sich in der Kirche einen "Sperrsitz" mit eigenem Sch 1üs se1 erwerben. So ge1ang es zumindest teilweise, das Kircheninventar zu erhalten. Die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts wird in der Chronik etwas stiefmütterlich behandelt. Mit dem Aufschwung der Werndlschen Betriebe erstarkte die Wirtschaft. In Unterhimmel gab es Papierer- und Messerergewerbe, und "Pfarrkinder" stifteten Fahnen, Ministrantengewänder und später sogar Glocken. Zweimal wurden in Kriegsjahren (1916 und 1941) die Glocken abgeholt und ei ngeschmo 1zen, das zweite Mal "zwei Tage vor Weihnachten". Doch dazwi sehen konnte die Kirche auch ausgebessert und sogar erweitert werden. 1880 wurden die Türme vom Linzer Dombaumeister Otto Schirmer erhöht, 1876 die Loreto-Kapelle neu gebaut und 1922

das elektrische Licht eingeleitet. 1908, zur 200-Jahr-Fei er der Kirche, erfolgte unter Pfarrer MÜh 1 böck eine Innenrestaurierung sowie die Anschaffung einer Orgel (Mauracher). Pfarrer Alois David (1916 - 1938) berichtet von zunehmender Arbeits los i gkeit in Steyr und vom Beschenken armer Familien zur Weihnachtszeit. Im Jahr 1939 übernahm Al oi s Hartl die Leitung der Pfarre. Er klagt über "die schwierige Situation beim Religionsunterricht" und das "rücksichtslose Benehmen" des Flakstabes, der zu Kriegsende in der ehemaligen Schule Christkindl einquartiert war. Doch immer wieder ist auch von den "vielen privaten Betern" die Rede, die Christkindl die Treue hielten. Von Kriegsschäden wurden Kirche und Pfarrhof verschont, obwohl bei den großen Fliegerangriffen im Februar 1944 zwei Bomben "auf Christkindler Pfarrgebiet" fielen. Der Pfarrhof hatte wieder eine kleine Wirtschaft eingerichtet (eine Kuh, eine Ziege, etliche Schweine), um die Bewohner und die einquartierten Flüchtlinge zu erhalten. Am 6. Mai 1945, genau am Tage der Erstkommunion, trafen die ersten amerikanischen Besatzungssoldaten in Christkindl ein und nahmen die Flakoffiziere gefangen. Nach dem Kriege begannen trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage sofort Renovi erungsarbeiten an der Kirche (die letzten waren 1908 gewesen). Durch private Spenden wurde die Neuvergoldung des Tabernakels ermöglicht, 1950 fand die feierliche Glockenweihe statt. Doch Pfarrer Hartl hat auch Zukunftsweisendes für die Pfarre Christkindl geleistet: seit 1954 steht die bewegliche Krippe v.on Karl Klauda in Christkindl, die sich bis heute als ein Besuchermagnet ersten Ranges erweist. Eine zweite von ihm erworbene Krippe, die Tiroler Pöttmesser-Kri ppe, harrt noch der Aufste 11 ung. Es handelt sich dabei um 40 cm hohe Holzfiguren, die phantasievoll bekleidet sind; insgesamt umfaßt diese Krippe rund 800 Schnitzwerke verschiedenster Art. In jüngster Zeit griffen auch außerkirchliche Stellen den Namen "Christkindl" auf. Ministerialrat Dr. Rudolf Groß regte die Schaffung eines Sonderpostamtes an, das in der Weihnachtszeit 1950 zum ersten Mal Briefe mit dem Sonderpoststempel versah. Zuerst im Pfarrhof untergebracht, mußte dieses Postamt wegen der wachsenden Zahl der Sendungen schon im nächsten Jahr ins Gasthaus "David" übersiedeln. Zum 10-jähri gen Bestehen gab es schon eine Mi 11 i on Sendungen. Die 250-Jahr-Feier der Kirche (1958) wurde mit einem großen Festspiel von Prof. Georg Rendl begangen, in dem viele Christkindler Laienspieler mitwirkten. AMBROS VON FREUDENPICHL l. Wallfahrtssuperior in Christkindl Abt des Stiftes Garsten (1715-1729) SEELSORGER IN CHRISTKINDL Superior P. Ambras v. Freudenpichl 1709 - 1715 p. Hieronymus Troschl 1715 - 1725 P. Bernhard Stelzer 1725 - 1736 P. Virgil Kleinmayr 1736 - 1757 P. Christoph R. v. Royach 1757 - 1764 P. Laurenz Pöck 1764 - 1773 P. Johann Gg. v. Mantelli 1773 - 1775 P. Sebastian Enderl 1775 - 1777 P. Martin Höller 1777 - 1787 Pfarrer P. Martin Höller 1787 - 1788 P. Kajetan Straßer 1788 - 1793 P. Leander Kremser 1793 - 1829 Franz Xaver Ranninger 1829 - 1851 Josef Abendfund 1852 - 1858 Johann Moser 1859 - 1865 Michael Gast 1866 - 1885 Anton Punzenberger 1886 - 1904 Josef Mühlböck 1905 - 1916 Alois David 1916 - 1938 Alois Hartl 1939 - 1976 Pfarradm. Prof. Alois Dinböck seit 1976

- ;:...=-'-----=-•--;~~;-. ':" -.-._·:_:_ :-:c..: ..- .--:-.-....:-: ______ ___ , ·; . --.- :: . . - ' ·- . 8 - -- -~c:·;_;~~:'~~ -~~=~-:'~"~- _C -·· 0~:c;, . •_· -ii-17:-c';j - . , 1 1 Ansicht von Christkindl, 1877 Auch die Medien schalteten sieh ein und machten Christkindl vielen Menschen in aller Welt bekannt. 1953 gab es im Radio eine vielbeachtete Übertragung der Mette mit der Uraufführung der "Chri stki ndlmesse" von Prof. Joseph Kronsteiner, eine TV-Übertragung der Mitternachtsmesse folgte in den 70er-Jahren. Seit 1976 leitet Prof. Alois Dinböck als Pfarradministrator die Geschicke der Pfarre. Voll Tatkraft nahm er die schwierige Aufgabe der gründlichen Renovierung von Pfarrhof und Kirche in Angriff. 1979 wurde unter Mithilfe der Diözese Linz, des Landes OÖ, des Bundesdenkma1amtes und der Stadt Steyr die Außenrestaurierung der Kirche abgeschlossen, 1985 die Innenrenovierung. Am 16. Juni 1985 konnte die feierliche Eröffnung der Kirche durch Bischof Maximilian Ai ehern vorgenommen werden. Manche der alten Probleme scheinen nun gelöst, z.B. die in der Chronik immer wieder be klagte Kälte des Kirchenraumes (bis -13° ). Festlich ertönt die erneuerte Orgel an den Sonntagen, und der sanierte Pfarrhof ist Zentrum für viele Aktivitäten. Der Christkindlmarkt im Untergeschoß des Pfarrhofes setzt eine alte Tradition des 18. Jahrhunderts fort, als in der sogenannten 'Wachsstube' Brot, Getränke und Kerzen verkauft wurden. Manche Anliegen der Pfarre sind in all den Jahren gleich geblieben, so die stete Sorge um die würdige Erhaltung des Gotteshauses, andere sind dazugekommen. Der Ansturm der Besucher in der Advent- und Weihnachtszeit nimmt zu, durch die internationale Touristik kommen heute viel mehr Menschen in den kl einen Ort als in früheren Zeiten. Sie alle will die Pfarre al s Gäste willkommen heißen und betreuen. So bemüht sich Christkindl, unter fleißiger Mithilfe der Pfarrangehörigen, seinen Besuchern die Sehenswürdigkeiten zu ersch 1i eßen und sie zuletzt mit einem Hauch des Mysteriums zu entlassen, dem unsere Kirche geweiht ist. Ilse Neumann Marianne Ecker Alle Zitate aus der Pfarrchronik 1708 - 1937, 1793 - 1810, 1939 - 1957 FESTPROGRAMM zur 200-Jahrfeier der Pfarre Christkindl Sonntag, 8. November 1987 9.30 Uhr: MESSFEIER zum Thema "Gemeinschaft" gestaltet von der Jugend Donnerstag, 12. Nov. 1987 19.00 Uhr: FESTAKADEMIE in der Kirche: Vortrag von Uni v. -Prof. Dr. Rudolf Zinnhobler, Theol. Hochschule Linz, zum Thema: "Christkindl 1695 - 1787" Lesungen aus der Pfarrchronik Musikalische Gestaltung mit Werken von W. A. Mozart und Joseph Haydn Sonntag, 15. November 1987 9.30 Uhr: FESTGOTTESDIENST "200 Jahre Pfarre Christkindl" Missa in B, Orgelsolomesse von Joseph Fierlinger Kirchenchor Christkindl Kirche braucht zum Leben und Wachsen WIND der an den Mauem rüttelt und in Frage stellt SONNE die das Innere erwärmt und nicht alles dem Verstand überläßt LICHT das dunkle Ecken ausleuchtet und den Blick auf Unscheinbares lenkt WURZELN die tief im Boden verankert sind und sicheren Halt geben

Das Gnadenbild von Christkindl IMPRESSUM: PFARRBLATT CHRISTKINDL Medieninhaber: r. k. Pfarramt Steyr-Christkindl. - Verlagsort: 4400 Steyr. Christkindlweg 69. - Redaktion: Adolf Berka und Gerhard Meid!. - Titelbild: Kolorier ter Plan von Christkind l um 1732, aus einer Handschrift des Stiftes Garsten (Landesarchiv Linz). - Druck: Vereinsdruckerei Steyr

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