Festschrift zur Kirchweihe Steyr-Tabor 1975
g. Die Kirchen und die Bildung Nach den beiden letzten Exkursen wollen wir nun kurz streifen , was im katholischen Steyr für die Bildung der Gläubigen geschehen ist. Schon der am 9. Mai 1875 konstituierte Kath . A r b e i t e r- v er ein hatte die Verbesserung der Lage des Arbeiter- standes auch in geistiger Beziehung zum Programm. Im Oktober 1905 bescheinigte die Oö. Statthalterei den rechtlichen Bestand des Vereines „ Volkslesehalle " in Steyr. Ihm stellte der Gesellenvereinspräses Kooperator Josef Haidinger ein Zimmer im Gesellenvereinshaus (heute Colosseum-Kino) zur Verfügung. Am 31 . Oktober 1926 wur- de ihr derzeitiges Heim, ein von Baumeister Hingerl in jenem Jahr errichteter Anbau an die Michaelerkirche (Michaelerplatz Nr. 4) eröffnet. Der 1923 gegründete Kath . V o I k s b i I d u n g s v e r e i n nahm die Bücherei in seine Obhut. Der Verein Volkslesehalle in Steyr wurde 1926 umgebildet und hieß seither Verein „ V o I k s I es eh a 11 e Steyr". 1938 enthielt diese Bibliothek an die 9000 Bände, außerdem noch eine Kinder- und eine Fernleihbücherei. 1939 erfolgte die Beschlagnahme. Die Stadtbücherei stellte 1600 Bände ein, einige hundert Bände konnten gerettet werden , der Rest wurde von der Hitlerjugend verbrannt oder eingestampft. Nach dem Kriegsende konnte die Stadt- bibliothek 1280 Bände zurückgeben. Die wiedererrichtete Volkslesehalle wurde am 14. November 1947 eröffnet. Sie verfügte 1964 wieder über 7200 Bände. Im Herbst 1960 wurde die Pfarrbücherei Münichholz er- öffnet. Die gründende Versammlung des Pi u s v e r e in es zur Förderung der kath . Presse fand am 9. Dezember 1906 statt. Bis 1925 fung ierte Dr. Eduard Hönigschmied (t 1931) als Obmann . Der Verein wurde am 12. Juni 1927 um- gestaltet. Im geistigen Leben der Stadt hatte der schon oben er- wähnte Kath . V o I k s b i I d u n g s ver e i n unter seinem Obmann Prof. Dr. Leo Schmalzer, dem späteren Di rektor des Realgymnasiums einen guten Klang. Dieser Verein bestand von 1923 bis 1938. Mitte Februar 1947 begann unter Prof. Dr. Gunther Holub das Kath . Bi I du n g s - werk seine Tätigkeit in Steyr. Von 1951 bis 1975 wurde es höchst erfolgreich von Prof. Erich Grandy geführt. Im September 1955 wurde auch in Mün ichholz ein Kath. Bi l- dungswerk geschaffen . Was wären feierliche Hochämter ohne Mitwirkung einer geeigneten K i r c h e n m u s i k? Ein wenig am Rande in die Musikgeschichte eingegangen ist der 1862 in Lam- bach geborene und seit 1888 in Steyr als Regenschori angestellte Franz X. Bayer durch seine Bekanntschaft mit Anton B r uck n er. Er starb am 16. Juli 1921. Bruck- ner, der Steyr liebte und sich hier großer Wertschätzung erfreute, spielte am 15. und 18. August 1886 beim Hoch- amt auf der Orgel. Teile seiner 8. und 9. Symphonien schrieb er im Stadtpfarrhof. Am 18. August 1892 führte Franz X. Bayer das Te Deum Bruckners in Anwesenheit des Kompon isten auf. Die Stadtpfarrki rchenorgel von 1893 bis 1895 ging weitgehend auf eine Disposition Bruckners zurück. Am 2. April 1893 spielte der Meister in einer Auf- führung seiner D-Dur-Messe die Orgel. An jenem Tag betonte er, testamentarisch verfügen zu wollen, in Steyr begraben zu werden . Übrigens wurde Bruckners Messe in D auch 1896, 1898, 1902, 1908, 1910, 1918, 1924, 1929, 1932 und öfter in Steyr aufgeführt. Franz X. Bayer war von Ostern 1888 bis 1921 Leiter beider Kirchenchöre, in Stadtpfarre und St. Michael. Ihm folgte Friedrich Cloß (t 1928). Auch der begabte Johann P r i n z (t 14. September 19B0) wirkte mit den Ki rchenchören . Mit 14 1. Jul i 1928 wurde Rudolf Pr i b i t z er Regenschori. In der schweren Zeit des letzten Krieges leitete Friedrich Brand 1 (1897-1964) beide Kirchenchöre. An der Stadt- pfarre folgte ihm der am 29. Juni 1957 verstorbene Wil- helm E. H ü b 1, worauf Friedrich Brand! bis zu seinem Tod wieder den Stadtpfarrkirchenchor leitete. In St. Mi- chael wirkten vom 1. Jänner 1946 bis April 1950 Dr. Franz Kau I ich, nachher bis 1965 Alo is Brandstetter, seit 1961 auch Emmo Die m, seit 1964 Josef Hack 1. Während die Kirchenchöre in St. Michael und in der Stadt- pfarrkirche heute nicht vereinsmäßig konstituiert sind , be- stand von 1924 an der 1941 weiterbelassene Kirchen- m u s i k v e r e i n, der vom Messerfabrikanten Josef Hack sen . (1893-1964) angeregt worden war. So war es mög- lich, die vorhandenen Kräfte auf wirksamste Weise an beiden Pfarrkirchen der Stadt einzusetzen . Damals waren Aufführung sakraler Musik häufiger als heute: So führte der Verein etwa im Jahr 1929/30 124 Ämter, 29 Requien , ~- Litaneien und 9 Vespern auf. Schwierige Werke wie Beethovens Messe in C, Bruckners Te Deum und Messe in d-Moll konnten durchaus aufgeführt werden . Postamts- d i rektor Anton Sighart (t 1950) war lange Jah re Obmann des Vereins. Die Generalversammlung des Kirchenmusik- vereins vom 19. Ap ril 1953 beschloß neben der Stillegung des Vere ins, beide Kirchenchöre als freie Vereinigung fortzuführen und sich gegenseitig auszuhelfen. - Nicht unerwähnt bleiben soll auch das jahrelange Wirken von Franz X. Bayers Sohn Julius Bayer, einem ausgezeich- neten Orgelexperten , an der Kön igin der Instrumente. Vielleicht darf man hier das kirchliche Bauschaffen an- fügen , ist dieses ja Ausdruck religiösen wie auch kultu- rellen Wollens. In einer längeren Abhandlung im Jahres- ber icht 1967-68 des Bundesgymnasiums und Bundesreal- gymnasiums Steyr habe ich bereits die jahrzehntelangen Arbeiten (1855-1914) für die Erneuerung der Stadt- p f a r r k i r c h e in neugotischem Sinn beschrieben. Dies und die häufigen Arbeiten an den anderen alten Kirchen will ich übergehen und mich neueren Bauten zuwenden. 19'35 erbaut und am 30. November 1935 geweiht wurde d ie von Dombaumeister Schlager ausgeführte Kran k e n- h a u s k a p e 11 e, ein schlichter, intimer Raum. Der Herz- Jesu-Altar darin wurde 1936 geweiht. Die große Pfarre M ü n i c h h o I z hatte anfangs in einer Baracke ihren Gottesdienst feiern müssen, dann in der 1945/46 notdürftig erbauten , am 15. Dezember 1946 ge- weihten Christkön igskirche. Von Anfang an war die Errich- tung eines Seelsorgezentrums wichtig. Diözese und Pfar re schrieben einen Architektenwettbewerb aus. Am 11. Okto- ber 1964 konnte für die neue Christkönigskirche der Grundstein gelegt werden . Schon am 27. Juni 1965 er- fo lgte die Turmkreuzsteckung. Am 30. Oktober 1966 wurde die Kirche eingeweiht. Sie ist 31 m lan~. 23 m breit (Feier- tagskirche), verfügt über 606 und 64 Sitzplätze sowie über 96 in der Werktagskapelle. Auch rein optisch wird durch den schlanken Turm und die zentrale Lage der Kirche die Gegenwart der Kirche in diesem Stadtteil unterstrichen. 1967 ermög l ichte eine großzügige Spende der Stadtge- meinde den Ankauf einer Orgel. Das Seelsorgezentrum auf der E n n s I e i t e entstand seit 1960. Das erste fertiggestellte Stück, der Pfarrsaal , wurde am 15. Dezember 1961 in Betrieb genommen. Die Planung des betont fortschritt lichen und vielbeachteten Baues lag bei J. G. Gsteu und der „ Arbeitsgruppe 4". Gegen Ende der 60er-Jahre wurde dann der Bau der Kirche in Angriff genommen und am 4. Oktober 1970 konnte auf der Enns- leite Kirchweihe gefeiert werden. Besonders die Jugend- messen des FIO finden über den Bereich der Pfarre weit hinaus großen Zustrom - ein religiöses Kraftzentrum in einem früher praktisch abgeschriebenen Gebiet.
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