Festschrift zur Kirchweihe Steyr-Tabor 1975

Oktober d. J. richtete der Bischof von Linz, Gregorius Thomas Ziegler, ein von Hofkreisen befürwortetes Gesuch um Rückgabe des ehemaligen Steyrer Kollegs, Michaeler- platz Nr. 6, zugunsten des Jesuitenordens an den Kaiser Franz 1. Doch war die öffentl iche Stimmung in Steyr eher gegen diesen Plan . Als im April 1848 der Bischof von Linz die Jesuiten vom Freinberg (Linz) nach Gleink als einen sicheren und ruhigen Ort bringen wollte, stachelten die Steyrer „ Zwanglosen Blätter " die Bevölkerung gegen diese Absicht auf, sodaß diese „ Gefahr " schließlich ab- gewendet wurde. Die Jesuiten waren ja der Kirchengegner liebstes Angriffsziel seit jeher gewesen . Vom 10. bis zum 24. April 1853 wirkten Jesuiten erstmals mit einer Mission wieder seelsorglich in Steyr. 1857 mißlang ein neuerlicher Rückkehrversuch . Als am 22. April 1865 die ersten beiden Jesuitenpatres ihren Einzug in Steyr hielten, war der Gemeinderat heftig dagegen. Allein die ehemalige Dominikanerkirche, welche man dem Orden zur Benützung zugewiesen hatte, war Filialkirche gewesen, dem Religionsfonds gehörig und dem Zugriff des Gemeinderates entzogen. Die Verrechnung des Kirchenvermögens, der Einnahmen und die Erhaltungs- kosten des Gotteshauses sollten weiterhin beim Stadt- pfarrer bleiben . Bis 1911 war die Niederlassung ein Mis- sionshaus, ein Stützpunkt im Dienst der katholischen Volksmissionen. Bis zu 17 Patres hielten sich in Steyr auf. Männer wie Seharier, Wieser und Zehengruber haben von Steyr aus bis zum Jahre 1911 2545 Volksmissionen ab- gehalten. Seit 1911 beschränken sich die Arbeiten auf die Seelsorgehilfe in der Stadt und die Kongregationen ; seit- her sind vier bis sechs Patres der Sozietät Jesu in Steyr anwesend . 1901 wurde die marianische Kongregation der Männer, Fräulein, Dienenden und Jünglinge, wie man damals sagte, gegründet, am 25. Mai 1904 die Marianische Frauenkongregation , 1910 die am 1. April 1941 verbotene und bis Kriegsende eingestellte Studentenkongregation , die nach dem zweiten Weltkrieg besonders im unvergeß- lichen P. Schwarz einen begeisternden Leiter hatte. Die Studentinnenkongregation wurde von P. Dinkhauser SJ gegründet, der von 1930 bis 1935 in Steyr wirkte. P. Vitus Loinger SJ (1844--1930) hat sich um die erstgenannten Organisationen verdient gemacht. Heute ist die Jesu itenkirche besonders als Beichtkirche beim Stadt- und Landvolk beliebt. Als um 1965 der Orden aus Personalmangel die Auflassung d ieser Niederlassung erwog , war die Meinung de r katholischen Bevölkerung sehr entschieden für den Weiterbestand der Jesuiten- residenz. Am 10. Mai 1928 wurde das Schloß Vogelsang, Preven- hubergasse Nr. 14, im herabgeminderten Schätzwert von insgesamt 343.424 Schilling versteigert, nachdem Prinz Ludwig von Sachsen-Coburg-Gotha finanziell zusammen- gebrochen war. Die T i r o I e r F r a n z i s k an e r - P r o- v i n z erwarb die ganze Liegenschaft mit etwa 40.000 m 2 um den Ausrufpreis von 171 .712 Schilling, nachdem die daran interessierte Stadtgemeinde die Mittel zur Erwer- bung nicht hatte aufbringen können . Besonders Dr. Hubert Messenböck hatte sich sehr für die Übernahme der Liegen- schaft durch den Orden eingesetzt. Die Franziskaner er- öffneten bereits im Herbst 1928 ein Knabenkonvikt samt Hauptschule. P. Ernst Moser OFM, der Konvikt und Haupt- schule eingerichtet hatte, wirkte bis August 1930 in Steyr. 1&32 erhielt die Schule das Öffentlichkeitsrecht. Olga Reit- hoffer-Hochhauser (t 7. Juli 1933) machte die Tiroler Fran- ziskaner-Provinz zum Erben ihres Besitzes Neulust samt den umliegenden Gründen im Ausmaß von 20 Joch. Nun zu den weiblichen Orden. Bereits 1844 gelangte ein Gesuch der Stadt Steyr um Berufung der B a r m h e r z i- g e n S c h w e s t e r n vom Orden des HI. Vinzenz von 12 Paul an den Hof in Wien. Die Sache wurde jedoch von der Stadt nicht sonderlich intensiv betrieben. Am 14. Au- gust 1847 erst genehmigte Kaiser Ferdinand den Antrag . Hierauf ließ die Gemeinde den Plauzenhof {heute St. Anna) um 12.500 II C. M. umgestalten. Die Stadtgemeinde schloß am 5. Juni 1849 mit dem Orden einen Vertrag , in welchem ein jährlicher Pauschalbetrag von 2310 fl für die Betreuung des städtischen Spitals zugesichert wurde und der Orden sich verpflichtete, die übernommenen 39 Betten auf 50 zu vermehren . Am 22. Dezember 1849 wurde somit das städtische Krankenhaus von den Barmherzigen Schwestern übernommen. Sie kamen vom Wiener Mutterhaus. Seit 1861 führen sie auch das Waisenhaus St. Anna. Seit dem 1. November 1865 wirkten sie im Sondersiechenhaus (Bru- derhaus) in der Sierninger Straße Nr. 55. Von 1883 bis 1954 betreuten sie das Städtische Versorgungshaus (Sier- ninger Straße Nr. 156). In den ersten 20 Jahren des Bestandes des Spitals, bis 1870, verpflegten die Schwestern bereits 15.091 Kranke, von denen 1391 starben , das gab 338.684 Verpflegstage. Zwölf Barmherzige Schwestern und 5 Kandidatinnen star- ben in diesem Zeitraum im Dienste der Nächstenliebe. 1924 kam es im Gemeinderat zum Wunsch , die geistlichen durch weltliche Schwestern zu ersetzen , was aber nicht zuletzt wegen der dadu rch erforderten hohen Kosten ab- gelehnt wurde (Gemeindeprot. 5. Juni 1924) . Mit dem 31. Dezember 1967 mußten die Barmherzigen Schwestern - 21 an der Zahl - das Landeskranken- haus in Steyr verlassen , da sie für Ordensspitäler benötigt wurden. Der Nachwuchsmangel bei den Orden ist ein trauriges Zeichen unserer Zeit. Der Katholische Frauenverein in Steyr berief die Bar m- h e r z i g e n Sc h w e s t e r n vom hl. Kreuz (K r e u z- s c h wes t e r n) , die seit 1863 in der Privatkrankenpflege und in der Schutzanstalt (Wieserfeldplatz Nr. 18-22), seit 1875 in der Kinderbewahranstalt {Wieserfeldplatz Nr. 4-6, 1973 in die Schutzanstal t übersiedelt) tätig sind. Im Jahre 1867 kauften sie das Haus Berggasse {alt) Nr. 137. Seit 1932 besitzen und führen sie die Rudig ierschule, Hoch- hauserstraße Nr. 1. e . Die Ev.angelische Kirche A. B. in Steyr Joseph II. hatte 1781 dem Augsburgischen Bekenntnis beschränkte Duldung im sogenannten Toleranzpatent ge- währt. Wir müssen aber bestürzt erkennen, daß im Vor- märz {der Zeit zwischen 1815-48) Duldung der Protestan- ten nicht sehr groß geschrieben war. Als um 1838 beson- ders unter den Drahtziehergesellen im Aichet „ Proselyten- macherei " vorkam, also für den Protestantismus gewo rben wurde, und acht Eheleute ihren Übertritt anmeldeten , wurden „viele gerichtliche Vernehmungen . . . auf Betrei- ben des Vorstadtpfarramtes und des Kreisamtes im ge- heimen, jedoch ohne Erfolg , gepflogen " {Steyrer Kalender 1913 s. 98). Erst mit dem Entstehen der Steyrer Waffenindustrie, in den 1860er-Jahren, geriet Bewegung in die Reihen der Protestanten, die sich am Anfang ja meist aus Arbeitern und Angestellten der Waffenfabrik zusammensetzten. Der Aufschwung der Werndl 'schen Fabrik verursachte durch fremden Zuzug ein Ansteigen der Protestanten. Wollten sie Gottesdienst feiern , so mußten sie aber zunächst nach Kematen an der Krems wandern. Manchmal besuchte der dortige ev. Pfarrer auch Steyr. Senior K ü h n e suchte durch die Wahl eines (1873 neugebildeten) provisorischen Vorstandes die Evangelischen zu erfassen. 1872 wurde der Gallneukirchner evang. Pfarrer L. Schwarz beauf- tragt, die kirchlichen Aufgaben in Steyr mit Hilfe der Zinsen des vom Gustav-Adolf-Vereines ins Leben gerufe- nen Reisepredigerfonds zu führen. 1873 hielt er sechsmal Gottesdienst mit Abendmahl in Steyr. Am 22. Juni 1873

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