125 Jahre Gesellschaft der Musikfreunde Steyr 1838-1963

Denn Schuberts ganzes Lebenselement bestand im Komponieren - ,,zum Komponieren und zu nichts anderem hat mich Gott geschaffen" -, und Mayrhofer betätigte sich als Dichter und freier Schriftsteller; eine köstliche Probe seiner klassisch anmutenden, fast möchte man sagen, pathetisch einherschreitenden Sprache ist das bei Paumgartner (Seite 163 f) ab- gedruckte Triptychon „An Franz". Kein Wunder, daß die Ähnlichkeit dieses Schicksals die beiden eng miteinander verband. So entstand die jahrelange Wohn- und Schaffensgemeinschaft, die in nicht weniger als 47 Vertonungen Mayrhoferscher Gedichte ihren Niederschlag fand. Leider ist es wie bei den Opern, wenn dabei auch meist mit großem Recht: Melodie ist alles, wer achtet schon viel auf den Text? Geistige Vertiefung fand der Freundschaftsbund zwischen Schubert und Mayrhofer durch die hingebende Verehrung beider gegenüber dem reifen Goethe. Leider fand der Altmeister von Weimar nicht den Impuls, sich näher mit den Perlen der Schubertschen Lyrik zu befassen, obwohl Spaun und einmal sogar - befangen und ungeschickt - Schubert selbst sich an ihn wandten. Trotzdem, Goethe war und blieb das poetische Ideal. Was hat Mayrhofer wieder von Schubert weggeführt? Es war der von Jugend auf erkenn- bare unglückliche Zwiespalt im Wesen des begabten Mannes: zuerst die dem Wunsch des Vaters entgegenstrebenden eigenen Interessen, später der Konflikt der äußeren Erfordernisse und der inneren Ideale. Während es Schuberts glücklicherer Konstitution gelang, sich entweder von Lasten und Banden, wie z. B. Schuldienst, energisch und entschieden zu lösen oder wiederum sich in eine schwer zu vermeidende Situation mit der berühmten, so echt österreichischen Resignation zu finden: ,,Es war mir halt nicht anders bestimmt!", mußte sich Mayrhofer in echter Lebenstragik intensiv in die ihm so verhaßte Tätigkeit verbeißen und wurde gemäß dem Wort „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers!" ein Prüfer von besonderer Strenge und Pflichterfüllung, aber gerade dadurch immer zerrissener, bald ausgelassen, bald um so mehr mit der Welt zerfallen und grimmiger Verächter des Lebens. Als zutiefst wahrhaftige und ehrliche Persönlichkeit konnte es nicht ausbleiben, daß er schließlich, von der Melancholie überwältigt, den Freitod suchte, indem er sich am 5. Februar 1836 vom obersten Stock seines Amtsgebäudes auf die Straße stürzte. Mayrhofer und Schubert hatten ein dieser Seelenstimmung sehr entsprechendes, düsteres Zimmer bewohnt. Die Trennung der Wohnungsgemeinschaft erfolgte im Jahre 1821. Wer le (siehe Literaturverzeichnis am Schluß) stellt dazu fest: ,,Als Mayrhofer das Tischtuch zerschneidet, ist Schubert in Wahrheit längst von ihm gegangen. Weniger vielleicht aus menschlicher Einsicht denn unterm Zwang schöpferischer, schicksalhafter Bestimmung. Auch dies ist das Recht des Größeren." Wenn somit auch nicht ungetrübt, blieb die freundschaft- liche Gesinnung im tieferen Wesen doch bis zu Schuberts Tod und darüber hinaus erhalten.

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