125 Jahre Gesellschaft der Musikfreunde Steyr 1838-1963
angesehen. Diese Annahme mag vielleicht für die eine oder andere Singschule zutreffen. In den Ratsprotokollen der Jahre 1599 und 1601 jedoch wird ausdrücklich das Rathaus als Veranstaltungsort angegeben . Meist fanden die Singschulen, von denen sich in der Zeit von 1599 bis 1624 in Steyr 35 nachweisen lassen, um Ostern und Weihnachten statt. Ab und zu dürften sich Unzukömmlichkeiten zugetragen haben, denn der Rat forderte von den Veranstaltern „gebührende Bescheidenheit" und „Enthaltung ärgerlicher Gsang", ja er ließ sogar, wenn er es für nötig erachtete, diese Zusammenkünfte durch Deputierte über- wachen.68 Mit der Singschule, die Hans Rhattmair noch zu Weihnachten des Jahres 1624 veranstalten durfte, verhallte in Steyr für immer der Meistergesang. Nicht aber schwand, wie noch gezeigt werden wird, die Freude der Handwerker an der Musik. Die Musik bei Festlichkeiten der Bürgerschaft und bei offiziellen Anlässen (Empfang des Landesfürsten, Eröffnung des Jahrmarktes, Bürgermeister-, Richter- und Ratswahlen, Musterungen, Schulfeiern u. dgl.) besorgte schon im 15. Jahrhundert eine eigene Stadt- kapelle . Vermutlich war sie aus einer schon im Mittelalter vorhandenen Stadtpfeiferei entstanden. Den kleinen Musikerverband leitete der Stadtturn ermeister, dem drei bis vier Gesellen und einige Lehrlinge unterstanden. Neben seinen musikalischen Obliegenheiten hatte er auch die Turmwache zu versehen. Er bewohnte daher das um 1480 erbaute Wacht- haus am Tabor und übersiedelte 1528 in die Turmstube der Stadtpfarrkirche. 69 Die vom Rat 1589 genehmigte Turnermeister-Instruktion ist leider nicht mehr vorhanden. 70 Aus den Pfarrkirchenrechnungen ist ersichtlich, daß auch die Mitwirkung bei feierlichen Gottesdiensten und das Choralblasen zu den Aufgaben des Turnermeisters gehörten. Bescheiden war die instrumentale Ausstattung der privilegierten Musikkapelle. Man unter- schied stille und laute Instrumente. 71 Zu diesen zählten Trommeln, Pauken, Zinken, Trompeten und Posaunen, zu jenen Geigen, Zwergpfeifen und flöten. Die lauten Instru- mente waren den Adeligen vorbehalten. Ließ sich der Turnermeister verleiten, feste bürger- licher Leute mit Trompetenschall zu verschönern, dann rügte der Magistrat solche übergriffe und drohte mit Strafen. 72 War die Hochzeitsmusik in der Reformationszeit noch ein unan- tastbares Privileg der Turner, so gestattete die Stadtobrigkeit im 17. Jahrhundert schon fall- weise auch den Organisten, Schulmeistern und anderen Spielleuten das „Aufspielen" bei Hochzeiten und anderen Anlässen. Bis zum Jahre 1582 wurde der Saal im alten Rathaus nicht allein den Schulrektoren 73 und Meistersingern für theatralische und musikalische Darbietungen, sondern auch ausnahmslos den Stadtbewohnern für den Hochzeitstanz zur Verfügung gestellt. Im genannten Jahr jedoch faßte der Stadtrat den Beschluß, ,,gemeinen Bürgersleuten den Tanz auf dem Rat- haus" einzustellen, da er befürchtete, es könnten die in den Stuben neben dem Saal ver-
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