Eine alte Turnerin erzählt Der Turnverein, Begleiter meines Lebens aus meiner Sicht Als eines der ältesten Mitglieder des Turnverelns Steyr will ich - etwas weit aus holend - über mein Leben mit dem Turnverein berichten. Angeregt wurde ich dazu durch die Rede bei der heurigen Sonnwendfeier, gehal ten vom neuen Dietwart Dir. Mag. Grillmayer, der sehr viel vom alten Gedanken gut der Jugend näher brachte. Im Jahre 1922 war das erste Bundesturnfest nach dem ersten Weltkrieg in Linz. Ich war noch zu jung und wurde daher nicht mitgenommen. Von 1924 - 1926 waren keine besonderen turnerischen Ereignisse, wir hatten jedes Frühjahr ein Fest in der Schafweidmühle, wo unter strenger Zucht unseres Turnlehrers Prof. PichlerTänze und Spiele gemacht wurden. Ein Höhepunkt war im Jahr 1926 das Bundesturnfest in Wien. Zum ersten Mal erlebte ich mit inniger Ergriffenheit die Größe der Gemeinschaft. Im Jahre 1928 war das Kreisturnfest in Steyr. Leider konnte ich nicht mitturnen, weil ich das Jahr zum Studium in Wien verbracht hatte und nicht üben konnte. Ich fuhr mit meinen Eltern nach Nußdorf am Attersee, wo ich die Ferien verbracht hatte. Von dort aus fuhr ich mit den dortigen Turnern nach Steyr zum Fest. Ausgerechnet unseren Nußdorfer Turnern stahlen Fanatiker die Vereinsfahne. Ziemlich be drückt kehrten wir nach Nußdorf zurück. Die Steyrer hatten aber damals unter der rührigen Obfrau Lea Hofer für eine Ersatzfahne gesorgt und im August gab es in Nußdorf wieder ein großes Fest. Irn Jahre 1929 war in Grein ein großes Turnfest. Die Feiern dauerten lange. Bei diesem Fest tanzte ich mit meinem späteren Mann, ohne ihn persönlich kennen zu lernen. Das Vorstellen im heutigen Sinn war unter Turngeschwistern nicht üb lich. Das Turnfest in Perg im Jahre 1933 war ein Frauengauturnfest. Wir traten zum Gerätewettkampf und zu den Freiübungen an. Jedes Jahr zum ersten Mai gab es eine Wanderung der verschiedenen Turnver eine, im Jahr 1931 zur Grünburgerhütte. Mein Mann kam mit den Turnern aus Sierninghofen, ich mit den Steyrern. Dort lernten wir uns kennen. Der Zufall woll te es, daß ich im Herbst 1932 als Lehrerin nach Sierninghofen berufen wurde. Ich trat dem Turnverein Sierninghofen bei und bei der Julfeier 1932 konnten uns die Turngeschwister zu unserer Verlobung gratulieren. Im Jahre 1934 hielt mein Verlobter in Gleink die Sonnwendrede, flankiert von zwei Gendarmen, damit ja kein falsches Wort gesprochen werde. Im Jahre 1938 wurde der Verein endgültig verboten. Im „Reichsbund für Leibes übungen", in den die Turnvereine übergeführt wurden, spielten die österreichi schen Turner eine völlig untergeordnete Rolle. Krieg - alle waren eingerückt - wir Frauen hofften auf einen glücklichen Aus gang und die Heimkehr unserer Männer. Kriegsende. Hoffnungslosigkeit, Not an den nötigsten Lebensmitteln. Von meinem Mann keine Spur. Im April 1947 kam er zurück und stand vor dem Nichts. Hätte ich nicht als Ver tragslehrerin arbeiten können, ich weiß nicht, was aus mir und den beiden Kin dern geworden wäre.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2