100 Jahre Vereinsdruckerei

Die Geschichte der Vereinsdruckerei Steyr Die Entstehung der Vere insdruckerei Steyr steht in engstem Zusammenhang mit der „Steyrer Zeitung": beide Unter- nehmungen sind Produkte der weltanschau lich-politischen Konfli kte in der zwei ten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Wie in den meisten Städten und Märkten war auch in Steyrdas liberale Bürgertum, das d ie Rothausmehrheit ste ll te, tonan- gebend. Die beherrschende Eminenz der Stadt aber war Josef Wernd l, selbst eine zeitlang libera ler Gemeinderat und Landtagsabgeordneter - ein industriel- ler mit Weitblick und Fortschrittsdenken, derauch die neueTechnik der Elektrizität in das Werksprogramm aufgenommen und an läßli c h der Weltausstell ung anno 1884 in Steyr dafür gesorgt hatte, daß Steyr - a ls erste Stadt der We lt, wie es he ißt -, e ine elektrische Straßenbe- leuchtung bekam; diese re ichte vom Bahnhof zum Stadtp latz und weiter bis zur Promenade. Nach den privatkapital i- stischen Praktiken seiner Zeit hatte Josef Wernd l keine Bedenken, ein ige hundert oder auch tausend Arbeiter zu entlas- sen, wenn es an Aufträgen mangelte, doch er war auch der erste Unternehmer, der für d ie Gekündigten e ine Über- brückungshi lfe, eine Art Abfertigung oder Arbeitslosengeld, auszah lte; der Werkswohnungen baute und mit der „Schwimmschule" amWeh rg raben auch e in Freizeit- und Erho lungsgelände für d ie Bevölkerung schuf. Das persön liche Profil JosefWernd lsträg t in seiner Widersprüch lichkeit d ie Züge seiner Zei t. Von der liberalen Einstel lung her war er ein ausgesprochener„ Pfaffen- fresser'', der auch den Werktät igen, die sic h zum katholischen Arbe ite rverei n be- kannten, ihre Hör igkeit gegenüber dem Klerus übelnahm. We rndl s Meinungen und Maßnahmen fanden daher beim katho lisch gebliebenen Bevölkerungs- teil keineswegs immer Zustimmung. Das Leibblatt der liberalen Rothausmehrheit und des Fabriksherrn Josef Werndl war der „Alpenbote", der in echt- libera lem Geiste gegen Kirche, Re lig ion und Papst- tum zu Felde zog und daher von den Kle ri ka l-Konservativen als „übles Hetz- blatt" betrachtet wu rd e. „Als in der Mitte der Siebziger-Jahre der relig iöse, politische und volkswirthschaft- lic he Li berali smus auf dem Gipfel seine r Macht stand und von derselben rück- sichtslosen Gebrauch machte, als d ie 12 Angriffe der Presse gegen die katho- lische Rel igion und ihr ehrwü rd iges Oberhaupt auch hier in Steyr unerträg- lich zu werden schienen, da reifte in echt katholischen Männern derEntschluß,der kirchenfeind lichen Presse durch ein echt kathol isches Organ entgegenzuwirken, und so entstand in schwerer Ze it, unter d en denkbar schwie ri gsten Verhältni s- sen dieSteyrer Zeitung" : So steht es in der „Steyrer Zei tung" vom 10. Apri l 1887 aus An laß der Eröffnung e ine r eigenen Druckerei - der ,,Vereinsdruckerei Steyr" - zu lesen . Die „Steyrer Zeitung", a lserste katholische Zei tung Oberöste rreichs außerhalb von Linzam 5. Jänner 1876 mit der e rsten Aus- gabe e rsc hienen, war a ls Sprac hrohr des katho lischen Bevölkerungstei ls und a ls Widerpart zum „Alpenboten" ge- dacht. Es gab a lso von Anfang an heftige Mit Overall undStehkra- gen präsentiert sich der Lehrling Franz Moser an der Tiegel-Druckpresse dem Fotografen - ein Bild aus längstvergon - genen Togen, da zwar schon die Maschinen elektrisch betrieben wurden, ober die Be- leuchtung noch auf Gas eingestellt war. In hundert Jahren hoben ganze Generationen von Setzern und Druckern in der Vereins- druckerei gearbeitet und in guten Togen, ober auch in Notzeiten, ihr Teil dazu beigetra- gen, daß das Unterneh- men in diesem Jahr seinen hundertjähri- gen Bestand begehen kann. Polemiken. Die Herausgeber und Schrift- leiter wa ren zunächst Pr iester : der Stadt- pfarrkooperator Dr. Franz Mayböck und der Vorstadtkaplan Dr. Franz Maria Dop- pelbauer - zwei streitbare Theologen, die nachmalsnoch zu hohen kirch lichen Ehren kamen. Sie folgten den Intentionen des ebenso kämpferisch e ingeste llten Bischofs Joseph Rud igier, zu dessen Zeit der „politische Katholizismus" geprägt wurde. Angesichtsder atheistischen Pro- paganda der kirchenfe indlich einge- stell ten und politi sch mächtigen Libera- len hätte man e inen Rückzug der Kleriker aus den Verflechtungen des politischen Tageskampfes damals als verräteri sche Preisgabe des öffentli c hen Wi rkens für Kirche, Volk und Vaterland verstanden. Man war eben überzeugt, d ie Libera len wü rden das Fe ld vö lli g zum Schaden von Kirc he und Re ligion beherrschen, wenn sic h d ie Priester, d ie Wortfü hrer des noch

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