100 Jahre Vereinsdruckerei
bisnun allerzusehr e rl e ic hterte ,höhere Stud ium' zu e rschweren, da d ie soge- nannten gelehrten Berufszweige durch- wegs als zusehr überfül lt sind und d ie Aussichten für den Nachwuchs von Jahr zu Jahr ungünstiger, die b rod losen ,ge- bildeten Proletarier' aber von Jahr zu Jahr zah lre ic her werden ..." DIE NOT DER EISENGEWERKE Die e isenve rarbe itende Wirtschaft war anno 1887 in eine dramatische Kri se geraten - sie betraf jedoch nicht die Großindustrie, sondern das Kleinge- werbe. Die Zeit der „Eisenhe rren", der Messer- und Sensenschm ieden, die Jahrhunderte hindurch im Kremstal, im Steyrtal, im Ennstal, natürlich auch in den Städten Steyr und Wa idhofen, für Arbei t gesorgt hatten, ging unvermeid- lich zu Ende.DieGewerke kamen auf den Ruin: Handwerker, Gese ll en und Hilfs- kräfte mußten in den neuen Fabriken Arbe it suchen. In der Petition, die am 3. Dezember 1887 dem Landtag zwecks Förderung des Eisenbahnprojektes im Steyrta l über- re ic ht wurde, hieß es: ,,Es ist bekannt, daß die Klein-Ei sen industrie durch die fabriksmäßige Erzeugung d e r Eisen- waren immer mehr in den Hintergrund gedrängt wurde und daß der Concur- renzkampf zum Nachtheil der Ersteren ausfällt. Im Steyrtha le sind vie le Eisen- gewerke, welc he heute mit knapper Noth ihr Leben fristen und zwar insbeson- dere deshalb, we il die Frachtspesen für die Zufuhr des Rohmaterial s und d ie Ausfu hr der fertigen Waare den kle inen Erzeugungsgewinn völlig verschlingen." Seit Jahresbeginn hatte d ie Kle in - Ei sen industrie Behörden und Gewerbe- kammer mit Petitionen für Schutzzölle ge- gen das bi lligere Ausland und für Maß- nahmen gegen den Markenmißbrauch überhäuft. Im Sommer 1887 unternahm der Sachverständ ige Dr. von Bazant im Auftrag des k.k. Handelsmini steriums (Handelsmini ster war damals der Mar- quis von Bacquehem) eine Inspekti ons- re ise, um die Lage der Kle in-Eisenindu- stri e in der Eisenwurzen, besonders aber der Messer-Industrie in Steyr und Umge- bung, sowie die Mög li c hke iten eines Sonderförderungsprogrammes für die Region - wie sic h d ie Zeiten g leichen ! - zu sond ie ren. Das Ergebnis, das das k.k. Handelsm ini - sterium zusammenfaßte und auch der Stattha ltere i in Linz übermittelte, war nie- derschmetternd : ni c ht nur die Industrie, sondern auch das traditione ll e Ver- triebssystem hatte das Ei sengewerbe auf den Ruin gebracht, wobei die Zustände in Steyr, Grünburg und Neuzeug beson- ders genannt wurden. Die Kle inbetriebe sollten, so wu rde ihnen geraten, die unrentable Handarbeit re- 10 duzieren und sic h Maschinen und neue Techniken anei gnen, um die Produktiv i- tät zu verbessern, wie man es in Solingen und anderen Konkurrenzorten gemacht hätte. Die k.k.techn ische Versuc hsanstalt in Steyr (die spätere HTL Steyr) li efere For- schungsergebn isse zu neuen Praktiken genug, wenn di ese von der Klein- Ei senindustrie nur auch übernommen würden. Die Gewerbetreibenden aber hatten zu wen ig flüssige Mittel, um mit Innovatio- nen (wie man he ute sagt) im Konkurrenz- kampf besser bestehen zu können , denn sie wurden von den ,Verlegern", die den Verkauf der Ei senwaren besorg ten, zum Großte il nicht mit Geld, sondern „an Zah- lungsstatt mit diversen Waaren" bezahlt; das wäre, so entschied das Handelsmini- sterium, e in gesetzwidriger Mißbrauch und müsse abgestellt werden . Also hat- ten d ie ,Verl eger" damalsdie Gewerbe- treibenden zu Kompensat ionsgeschäf- ten mit Naturalien und sonstiger Han- delsware gezwungen, - ein System, das man heute al s „Barter-Geschäft" be- ze ic hnet und zu dem sich auch die VOEST-Alpine (,,lntertrading") entsch lie- ßen mußte. DIE RADIKALE ARBEITERSCHAFT Im Jahre 1887 tobte auch die Auseinan- dersetzung um d ie Arbeiterkammern, die - so grotesk dies heute ersche inen mag - von den Bü rger lic h-Libe ra len ge- fo rde rt und von den sozialdemokrati - schen Arbe itern mehrheitlich abgelehnt wu rden. Im Oktober 1887 fand in St. Ga llen/ Schwe iz e in Kongreß der deutschen So- zia ldemokraten statt, dessen Zwec k es war, d ie verschiedenen Ric htungen un- ter den Sozialdemokraten auszuglei- chen; dabei b li eben die Gemäßigten, d ie e ine „Zu rückdrängung der revolutio- nären Elemente" verfolgten, in der Min- derheit. An d iesem Kong reß nahm a uc h der (,,j üdische") Arbeiterführer Dr. Adler aus Wien teil. Dr. Ad ler unterstützte die Propaganda zur Gründung von Arbeiterkammern , mußte sich aber von e inem Teil der Arbeiter- schaft den Vorwurf gefa llen lassen, e r wä re von den Li beralen „gekauft" wor- den; es se i doch deutl ich genug, daß d iese „He rren d ie Arbeiter nur für ihre Zwecke ausnützen wo llen". DieseGegensätzlichkeiten in der großen Po liti k hatten schon am 8. Februar 1887 in Steyr, bei e iner Volksversammlung, die der pol it ische Arbei terverein ,,Wahrheit" in die Puntigamer Bie rha lle e inberufen hatte, e inen beze ichnenden Nieder- sch lag gefunden . Thema: Arbeiterkam- mern - ja oder nein? Der Referent, e in gewisser Pichler, betrachtete d ie Einfüh- rung von Arbeiterkammern „Im Princ ipe a lsförderl ich", stießaber auf heftigen Wi- derspruc h. Zu bemerken ist, daß diese „Arbeiterkammern" nicht als berufliche Der Weg von den Eisengewerken zur industriellen Arbeitswelt ist im Raum Steyr besonders dramatisch verlaufen. Heute kann man ihn aufgrund der musealen Bewahrung historisch nachvollziehen. Vor hundert Jahren ging die große Tradi tion des Eisen-Kleingewerbes endgültig zu Ende. Die Auswirkungen mit dem Zustrom von Arbeitskräften in die neue Industrie und der Entstehung des „Arbeiterproletariats" sind aus der jüngsten Geschichte Steyrs besonders anschaulich herauszulesen. Abbildung: Altes Hammerwerk im „Museum Arbeitswelt''.
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