100 Jahre Rotes Kreuz Steyr 1908-2008

Emmerich Mungenast 100 Jahre Rotes Kreuz Steyr 1908 - 2008 Aus Lieloe 2.lffll ~enscJten Co1nright: Alle Rechte beim Herausgeber Österreichisches Rotes Kreuz Landesverband Oberösterreich Bezirksstelle Steyr-Stadt Produktion und Anzeigenverwaltung: Druckservice Muttenthaler, Ybbser Straße 14, 3252 Petzenkirchen, Telefon 07416/504-0* Cover Layout: Mag. Barbara Mungenast, Wien, www.mungenast.at Lektorat : Martin Hornhuber, Steyr Fotobearbeitung: Ralf Grabner, Steyr

Inhaltsverzeichnis Kapitel Seite 1. Z um Ge leit 4 1.1. Grußwort des Landeshauptmannes 4 1. 2. Grußwort des RK-Präsidenten von OÖ 6 1.3. Grußwort des Bürgermeisters von Steyr 8 1.4. Grußwort des MAN Steyr Vorstandes 10 1.5. Grußwort des RK-Bezirksstellenleiters 12 2. Vorwort des A utors und Danksagung 14 3. Grundsätze des Roten Kreuzes 15 4 . Kurzform der RK-Geschichte international 16 5. Kurzform der RK-Geschichte von Österreich 19 6. Das Rote Kreuz in Steyr 22 Der unfreiwilli ge Held Ludwig Riedler 31 7. Der frühe Krankentransport 34 8. Das Rote Kreuz in Steyr während des Nationalsozialismus 1938-45 42 9. Die Rotkreuz Schwesternschaft in Steyr 45 10. Steyrer Ze itzeugen berichten 48 Josef Lichtenberger 48 Maria Wiesböck 48 Marianne Höll er 51 1 1. Di e Zeit nach 1945 53 Maria Norman 54 1983, das 75-Jahr-Jubiläum 56 Liste der Bezirksstellenleiter 57 Liste der Bezirksstellensekretäre 60 Der gewählte Bezirksausschuss 62 2

Kapitel Seite 12. Geschichten, die das RK-Leben schrieb 64 Leopoldine Großalber 64 Willy Kranzl 65 Rosi Garstenauer 66 August Müllner 66 Waltraud Gumpoldsberger 67 Eugen Collognath 68 Robert Schmid 69 13. Die Aufgaben des Roten Kreuzes in Steyr heute 77 13 .1. Rettungs- und Krankentransporte 77 13 .2. Drehscheibe Leitstelle und Notruf 144 79 13.3. Freiwillig beim Roten Kreuz 83 13.4. Hauptberuflich beim Roten Kreuz 84 13 .5. Notarztwagen 85 13.6. Katastrophenhilfsdienst 87 13 .7. Wasseraufbereitung nach Katastrophen 93 13 .8. Kriesenintervention 96 13.9. Schulung 97 13.10. Jugendrotkreuz 98 13 . 11 . Betreutes Reisen 101 13 . 12. Flüchtlingsbetreuung 102 13.13. Blutspendedienst 104 13.14. Mobiles Hospiz 105 13.15. Essen aufRädem 106 13 .16. Strahlenschutz 107 13.17. Realistische Unfalldarstellung 108 13.18. Behindertenfahrdienst 109 13.19. First Responder 109 13.20. Zivildiener 110 14. Quellenmaterial 112 15. Literatur 112 3

1. Zum Geleit 1.1. Grußwort des Landeshauptmannes Seit 100 Jahren im Dienste der Mitmenschlichkeit Das Rote Kreuz ist ein wichtiges Netzwerk und leistet in all seinen Wirkungsbereichen - vom Rettungs- und Krankentransport angefangen über die Pflege- und Betreuungsdienste bis hin zur Katastrophenhilfe - hervorragende und unersetzbare Arbeit in unserem Land. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Roten Kreuzes sorgen dafür, dass sich jeder Einzelne m unserer Gesellschaft sicher und geborgen fühlen kann. Mit seiner Arbeit beweist das Rote Kreuz Tag für Tag, dass der Mensch im Vordergrund steht und damit ein Garant für Menschlichkeit und eine soziale Gesellschaft ist. In unserem Bundesland kann man sich auf ein dichtes Netzwerk an Rot-Kreuz-Bezirks- und Ortsstellen und ihren qualifizierten Einsatzkräften verlassen. So ist die Rot-Kreuz-Bezirksstelle Steyr seit 100 Jahren ein unverzichtbarer Bestandteil nicht nur für die Stadt Steyr, sondern auch für die Region und auch für das Rot-Kreuz-Netzwerk insgesamt. Ich danke daher allen Mitgliedern des Roten Kreuzes Steyr für ihren großartigen Beitrag für die Gesellschaft zur Menschlichkeit, Toleranz und Nächstenliebe in unserem Land. 4

Zum 100-jälu·igen Bestandsjubiläum gratuliere ich sehr herzlich und wünsche für die Zukunft alles Gute und viel Kraft und Engagement für die weiteren Aufgaben. Ihr Dr. Josef Pühringer Landeshauptmann 5

1.2. Grußwort des Rotkreuz Präsidenten von Oberösterreich Aus Liebe zum Menschen Vor nun genau hundert Jahren wurde die Rotkreuz-Bezirksstelle Steyr gegründet. Schon damals ging die Initiative von engagie1ien Bürgerinnen und Bürgern aus . So wie Hemy Dunant, der Gründer des Roten Kreuzes, sich der hilfesuchenden Menschen annahm, konnten auch die Steyrer Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht mehr wegsehen , denn die Hilfe des Roten Kreuzes wurde gebraucht. Seither blickt das Rote Kreuz Steyr auf ereignisreiche Jahrzehnte zurück und viele Etappensiege und Meilensteine konnten gefeiert werden. Erfreuliche Ereignisse, die zum überwiegenden Teil dem großartigen Engagement unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verdanken sind. Denn es ist jeder Einzelne, der dazu beiträgt, dass die Idee des Roten Kreuzes bis heute tief verwurzelt ist: Die Idee, für alle Menschen da zu sein und ihnen gleichermaßen zu helfen . Es sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das humanitäre Gedankengut des Roten Kreuzes nach außen tragen. Dafür an dieser Stelle ein herzliches DANKESCHÖN. Sie alle engagieren sich für das Rote Kreuz, weil sie anderen Menschen helfen wollen und weil sie wissen, dass durch ihre 6

Hilfe etwas bewirkt werden kann. Sie alle tun dies „Aus Liebe zum Menschen". Diese Grundhaltung hat eine tiefe Wahrheit, die jeder im Roten Kreuz spürt, wenn er kurz inne hält und nachdenkt, warum wir uns täglich für andere einsetzen. Und Motive, die so stark sind, können immer wieder aufs Neue begeistern. Vorausgesetzt man lebt sie wie am ersten Tag. Deshalb wünsche ich dem Rotkreuz-Team in Steyr, dass sie sich genau diesen Idealismus bewahren, denn wenn wir es spüren, dann spüren es auch die Menschen, die wir betreuen! Herzlichst Ihr Leo Pallwein-Prettner Präsident 7

1.3 Grußwort des Bürgermeisters der Stadt Steyr 100 Jahre im Dienst der Menschlichkeit Vor 100 Jahren, genau am 24. Juli 1908, riefen engagierte Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt in einer konstitui erenden Versammlung das Steyrer Rote Kreuz ins Leben. Damals nannte man die neu geg1ündete Eimichtung „Sanitätsabteilung der Freiwilligen Stadtfeuerwehr vom Roten Kreuz". Seitdem arbeiten beherzte Frauen und Männer zum großen Teil unentgeltlich und in der Freizeit für ihre Mitmenschen. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank für ihren Einsatz. Es freut mich , dass es trotz unserer sogenannten Spaß- und Konsumgesellschaft sehr viele Menschen gibt, die sich dem freiwilligen Dienst im Sinne der Menschlichkeit verschrieben haben. Ich bekenne mich auch dazu , dass wir als Stadt verpflichtet sind, die Institution Rotes Kreuz und ihre Mitarbeiter bei ihrem Einsatz im größtmöglichen Ausmaß zu unterstützen. Di e Arbeitsweise der Rotkreuz-Helfer hat sich in hundert Jahren natürlich stark verändert. Die Zeit der Pferdewagen ist lange vorbei, heute haben wir unter anderem einen modernen Notarztwagen, der rund um die Uhr binnen einer Minute startbereit und etwa 1.800 Mal pro Jahr im Einsatz ist. Es ist leider hier nicht Platz genug, alle Leistungen des Steyrer Roten Kreuzes anzuführen. Tatsache ist jedoch, dass das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung steigt und damit auch die 8

Aufgaben des Roten Kreuzes immer vielfältiger werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Steyrer Roten Kreuzes erfüllen diese Ansprüche der Bevölkerung weit über das normale Maß hinaus. Die Arbeit, die das Rote Kreuz Tag und Nacht leistet, ist keineswegs selbstverständlich. Hier sind auch an die 200 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, die ihre Freizeit opfern, um sich für andere einzusetzen. In diesem Sinne gratuliere ich der Rotkreuz-Bezirksstelle Steyr zum 100-Jahr-Jubiläum bedanke mich noch einmal im Namen der Stadt bei allen Helferinnen und Helfern und bitte sie, auch in Zukunft mit so viel Einsatz und Engagement für unsere Mitbürger weiterzuarbeiten. David Forstenlecbner Bürgermeister der Stadt Steyr 9

1.4. Grußwort des MAN Steyr Vorstandes Hilfe leisten können, wo sie benötigt wird - seit 100 Jahren. Das Rote l<.J-euz ist da, wenn Hilfe benöti gt wird - und ist vor Ort, um Hilfe zu leisten. Dieser Anspruch erfordert Mobilität. Das hatten vie ll eicht auch bere its di e Gründungsmitglieder vor Augen, di e vo r genau einhundert Jalu·en in Steyr die örtliche Rot-Kreuz-Organisation ins Leben ri efen - die „Sanitätsabteilung der Freiwilligen Stadtfeuerwehr vom Roten Kreuz" - wie di e offizielle Bezeichnung lautete . An die Mobilität, die der E insatz des Automobil s künftig möglich machen würde, wagte damals aber noch kaum jemand zu denken. Und doch - nur eini ge Jahre danach - wird der erste Schritt dazu gesetzt. Im größten Unternehmen der Stadt, der späteren SteyrDai mler-Puch AG, fällt die Entscheidung, den Serienbau von Autos aufz unehmen. Das eröffnet der jungen Steyrer Rotl(J-euz-Organisation e ine Chance - und man versteht sie zu nutzen. Im Protoko ll der Jahreshauptversammlung von 191 8 ist zu lesen, dass dieses Unternehmen ei n Sanitäts-Automob il als Spende zugesagt hat. Einige Ze it später wird dann das erste Fahrzeug beim Steyrer Roten Kreuz in Dienst gestellt. Am Standort der KFZ-Fabrik von damals steht heute eines der modernsten LKW-Werke Europas. Und genau neunzig Jahre nach dem ersten Sanitätsfahrzeug erhält das Rote Kreuz Steyr für den Katastrophenhilfsdienst eines der modernsten Fahrzeu10

ge, di e hier am Stand01t entwickelt und gebaut werden - einen MANTGM. Wir gratulieren zum Jubiläum und freuen uns , dass ein Fahrzeug aus unserer Stadt künftig mithelfen wird, den wertvo ll en Einsatz Ihrer Organisation we iter zu verbessern. KR Dipl.-Ing. Bruno Krainz Vorstand svors itzender der MAN Nutzfahrzeuge Österre ich AG 11

1.5. Grußwort des Rotkreuz-Bezirksstellenleiters von Steyr Das Rote Kreuz hat in den 100 Jahren seines Bestehens so hohe Bedeutung für die Stadt Steyr erlangt, dass es heute nicht mehr wegzudenken ist. Die Geschichte der Stadt ist auch die Geschichte des Roten Kreuzes , weil man am gleichen Ort, zur gleichen Zeit, Gleiches erlebt hat: Den Ersten Weltkrieg, die bitteren 20er-Jahre, die Revolte am 12 . Februar 1934 und den Anschluss an Nazideutschland, die traurigen Jahre des Zweiten Weltkrieges und die entbehrungsreichen Jahre des Wiederaufbaus nach 1945. Der Neubeginn hat all e zusammemücken lassen und das Steyrer Rote Kreuz ist heute eine Gemeinschaft, die mehr denn je gefragt ist, sich dem Dienst am Nächsten zu widmen. Sei es in der Stadt und in den betreuten Gemeinden, wo die Freiwilligen, hauptberuflichen Mitarbeiter und Zivildiener für die Bewohner rund um die Ulu· da sind, sei es bei Einsätzen nach Katastrophen in fernen Ländern: Das Steyrer Rote Kreuz ist mit bestens ausgebildeten Helferinnen und Helfern präsent, was nur durch das freiwi lli ge Engagement für Menschlichkeit möglich ist. Di e vielen Angebote werden von der Bevölkerung auch honoriert, was sich im hervorragenden Image unserer Dienststelle widerspiegelt. Der im Jahr 1908 gegründete Rettungsdienst ist nach wie vor die Kernaufgabe unserer Bezirksstelle, für den mehr als 200 12

freiwillige Rotkreuz-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Teil ihrer Freizeit opfern. Der Katastrophenhilfsdienst des Steyrer Roten Kreuzes ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ebenfa ll s zu einer effizienten und professionellen Einheit geworden. Dies alles war nur möglich , wei l meine Vorgänger als Bezirksstellenleiter diese Entwicklungen nicht nur förderten , sondern auch mit persönlichem Einsatz unterstützten. Und vor allem war und ist es die Bereitschaft der Mitarbeiter, die dieses vielfältige Engagement und die umfangreichen Aufgaben mit Liebe zum Menschen erfüllen. An lässli ch der 100-Jahr-Feier gedenken wir der Höhen und Tiefen, wir blicken aber vor allem zuversichtlich nach vorne, weil sich diese positiven Entwicklungen in Zukunft fortsetzen werden. Dr. Urban Schneewe iß1 Bez irkss tellenleiter des RK-Steyr 1 Dr. Urban Schneewe iß ist 48 Jahre a lt, seit seiner Jugendzeit be im Roten Kreuz, se it 1997 Bezirks rettungskommandant und se it 2002 Bezirksstellenl eiter in Steyr. 13

2. Vorwort und Dank des Autors Die vorliegende Broschüre ist ein Beitrag zur Geschichte des Roten Kreuzes von Steyr und entstand durch Konzentration auf fo lgende Schwerpunkte ... Emmerich Mungenast2 • Festschrift und hi storische Sammlung des Kollegen Franz V ielhabe r, Bad Hall , welche er zum 75-Jahr-Jubiläum im Jahre l 983 als hauptamtlicher RK-Mitarbeiter ve rfasst hat. • Histor ische Ergänzungen zur „Geschi chte der Steyrer RotkreuzSchwesternschaft", ein Thema, das in der Literatur kaum zu finden ist. • ,,Das Rote Kreuz und der Nationalsoziali smus", ein bis heute zwiespältiges Thema, weshalb mir ei ne Standortbestimmung wichtig scheint. • Verwertung von altem Bildmaterial und Erzählungen von Steyrer Zeitzeugen mit Bezug zum Roten Kreuz. • Das Rote Kreuz in Steyr heute. Bere itschaft und Mu ltifunkt ionalität, die zuständi gen Referenten kommen zu Wort. An dieser Stelle möchte ich den folgenden Personen für die hil fre iche Unterstützung herz lich danken: Dr. Urban Schneewe iß Mag. Ing. Max Sturm Franz Vielhaber Maria Wolf Dr. Karl-Heinz Rauscher Martin Hornhuber Peter Angerbauer LI. V. 111 . 2 Emmeri ch Mungenas t, Unternehmensberater im Ruhestand, ist 71 Jahre alt, seit 2002 BEH !-Fa hrer und se it 2005 be i der Hospizgruppe des Roten Kreuzes in Steyr. 14

3. Die Grundsätze des Roten Kreuzes3 MENSCHLICHKEIT Aus dem Willen geboren, den Verwundeten der Schlachtfelder unterschi edslos Hilfe zu leisten, bemüht sich das Rote Kreuz im Rahmen se iner nati onal en und internati ona len Tätigkeit, menschliches Leiden übera ll und zu j eder Zeit zu ve rhüten oder zu lindern . Das Rote Kreuz ist stets bestrebt, Leben und Gesundheit zu schützen sowie die Achtung vo r der menschli chen Person hochzuhalten. Es bemüht sich, bei allen Völkern das gegenseitige Verstehen, die Freundschaft, di e Zusammenarbe it und die Bemühungen um einen dauerhaften Frieden zu fördern. lJNPARTElLICHKEIT Das Rote Kreuz fragt nicht nach der Nationalität, der Rasse , der Religion, der sozialen Stellung oder der politischen Zugehörigkeit. Es ist ausschli eß li ch bemüht, den Menschen nach der Größe ihres Le ides beizustehen und die Notstände nach ihrer Dringlichkeit zu lindern . NEUTRALITÄT Um sich das Vertrauen aller zu bewahren, hält sich das Rote Kreuz von j eder Beteiligung an Feindse li gke iten fern sowie auch von Auseinandersetzungen politischer, rassischer, religiöser oder weit-anschaulicher Art. UNABHÄNGIGKEIT Das Rote Kreuz ist unabhäng ig. Wenn nationale Rotkreuzgesellschaften die Behörde ihres Landes bei deren humanitären Tätigkeiten unterstützen und daher den Gesetzen ihres Landes unterstellt sind, so müssen sie sich dennoch j ene Selbstständigkeit bewahren, die es ihnen gestattet, jederze it nach den Grundsätzen des Roten Kreuzes zu handeln. FREIWILLIGKEIT Das Rote Kreuz ist eine Organisation fre iwilliger und uneigennütziger Hilfe. EINHE IT In jedem Land kann es nur eine einzige Rotkreuzgesellschaft geben. Sie muss all en offen stehen und ihre humanitäre Tätigkeit über das gesamte Staatsgebiet erstrecken. UNJVERSALITÄT ln j edem Land kann es nur eine einzige Rotkreuzgesellschaft geben. Sie muss allen offen stehen und ihre humanitäre Tätigkeit über das gesamte Staatsgebiet erstrecken. Die Grundsätze wurden von der XX. Internationalen Rotkreuz-Konferenz 1965 in Wien proklamiert. Der vor li egende angepasste Text ist in den Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung enthalten, die von der XXV. Internationalen Rotkreuz-Konferenz I986 in Genf angenommen wurden. 15

4. Kurzform der Rotkreuz Geschichte international 1859 führte den Schweizer Kaufmann Henry DUNANT eine Geschäftsreise nach Italien. Dort wurde der knapp 31-Jährige Zeuge der blutigen Sch lacht von Solferino zwischen Österreich auf der einen und Frankreich mit Piemont Sardinien, auf der anderen Seite. Hier starben an einem Tag mehr als 30.000 Soldaten und Zivilisten. Der Anb li ck des Grauens und die heillos überforderten militärischen Sanitätseinheiten hinterließen in dem jungen Mann einen tiefen Eindruck. U~ SOUH\ 111 SOLFERINO J. IJ~RJDCLU."f Henry Dunant 1859, Ö lgemälde' Erinnerungen an Solferino5 Sein Bestreben, auf internationaler Ebene das Leid der Verwundeten zu lindem, führte schließlich zur Gründung der größten und bedeutendsten humanitären Hilfsorganisation der Welt. In seinem Buch „Erinnerungen an Solferino", erschienen im Jahre 1862, regte er die Bi ldung von freiwilligen Hilfsorganisationen an, die sich in Friedenszeiten auf die Hilfe für Verwundete in Kriegszeiten vorbereiten so llten . 4 Ölgemälde, Leihgabe der RK-Schwes ternscha~ Steyr, Fr. Dir. Ahrer. 5 Dieses Buch rütte lte das Weltgewi ssen auf. 16

Die Schlacht von Solferino 1859 Auch sollte die Entsendung freiwilliger Pflegekräfte auf das Schlachtfeld ermöglicht werden. Eine weiße Armbinde mit rotem Kreuz stellte das Schutzzeichen dar. Krankenwagen in Solferino 1859 Ausschnitt aus einem Gemä lde Dieses Buch erweckte durch die genaue und ergreifende Schilderung der Leiden großes Aufsehen in der Öffentlichkeit. Schon ein Jahr später verfasste die „Genfer gemeinnützige Gesellschaft" die bis heute geltenden Grundsätze der Genfer Konvention. 17

1861 -1865 dient Clara BARTON im Amerikanischen Bürgerkrieg unter dem Zeichen des Roten Kreuzes. 1863 wird das internationale Komitee für die Verwundetenpflege gegründet. 1864 Unterzeichnung der 1. Genfer Konvention durch 12 europäische Staaten. Bereits 1864 kommt es zum ersten erfolgreichen Einsatz des Roten Kreuzes im Deutsch - Dänischen Krieg. 50 Jahre nach Annahme der Ersten Genfer Konvention gab es bereits 45 nationale Gesellschaften. Clara Barton 1882 1876 wird die Bezeichnung als „Internationales Komitee vom Roten Kreuz" (kurz IKRK) eingefürni. 1881 gründet Clara BARTON die "AMERICAN ASSOCIATION OF THE RED CROSS". Sie hatte die Idee von Henry DUNANT nach Amerika getragen. 18

5. Das Rote Kreuz in Österreich 1859 erfolgte in Linz, auf Grund des Krieges Öste1Teich gegen das Königreich Sardinien und Frankreich unter Napoleon III, die Gründung des „Patriotischen Hi lfsvereins" für die Dauer des Krieges. 1879 wurde in Linz das „Oberösterreichische Hilfskomitee für die k.k. Truppen" gegründet. Aus diesem Verein ging 1879 mit dem „Patriotischen Frauenhilfsverein" die oberösterreichische Rotkreuz-Organisation hervor. 1880 erfolgte die Gründung der „Österreichischen Gesellschaft vom Rothen Kreuze" unter der Schirrnhe1TSchaft von Kaiser Franz Josef und Kaiserin Elisabeth. Die Aufgaben wurden auch auf Hilfsmaßnahmen bei außergewöhnlichen Ereignissen ausgedehnt, die nicht kriegerischen Handlungen entsprangen. Dabei tauchte erstmals der Begriff der Katastrophenhilfe auf. Als Unterorganisationen bestanden die Frauenhilfsvereine weiter. 1883 wurde der „Frauenhilfsverein vom Roten Kreuz" errichtet, auch in Steyr. Dies ist das eigentliche Gründungsjahr der heutigen Rotkreuz-Bezirksstelle Steyr. 1891 - Bis dahin blieb der Österr. Patriotische Verein als geschäftsführendes Organ des ÖRK bestehen. Ab diesem Zeitpunkt übernahm diese Aufgabe die Bundesleitung des ÖRK. Hierarchisch darunter waren die Vorläufer der Landesverbände in Frauenhilfsvereinen und Landeshilfsvereinen gegliedert. Am 1.10.1908 erfolgte die Gründung der Sanitätskolonne in Steyr, als Untergruppe der zivilen, freiwilligen Feuerwehr und zur Spezialisierung auf Erste Hilfe. 1914-1918 kam es zur großen Bewährungsprobe des ÖRK im Ersten Weltkrieg. Es galt die nicht ausreichend funktionierenden Heeressanitätsdienste zu unterstützen. 1916 erreichte der Mitgliederstand den Höchststand mit 459.702 Personen. 19

OIIUllU IUCUDCHU I IUl!.lJUOI W Da 1~1• UNl61 08M A,LLl!ltt. tl.OlBKTOIATe SI. K. U K. AJ'OST. MAi DBS HULDVERSC Prämiensch uldverschreibung 19176 Das Kaiserhaus in Wien unterstützte die schulische Ausbildung und Förderung der RK-Tätigkeiten7 . Zur Finanzierung des allernotwendigsten Materia ls für Erste Hilfe wurde 191 7 von der Monarchie eine Prämienschuldverschreibung begeben. !,' • . -·-e --··••u<,nu - - -- --- ---- - --- AUFRUF u tic•·uk~J,,(ffll•r1'tlb- --~tktrmkbl forme ller Vorgang .,; ~ - ~-lnctlalc-opd,n .... ~ ................ ....:t Schulungsaufruf in der Monarchie 1917 8 1919, nach dem Ende der Monarchie, erfo lgte die Auflösung des ÖRK, die 1921 von der Bundesversammlung wieder rückgängig gemacht wurde, da die Tätigkeiten des Roten Kreuzes auch nach dem Krieg von großer Wichtigkeit waren. 6 RK-Prämiensch uldverschreibung in der Monarch ie 7 Que ll e: He imathaus Steyr 8 RK-Schu lungsaufruf in der Monarchie 19 17 20

Durch die Zunahme des Straßenverkehrs wurde der Ausbau des zivilen Rettungs- und Krankentranspo1tdienstes vorangetrieben . Auf der Strecke „Schärding - Eferding - Linz - Enns - St. Pölten - Wien - Hainburg" wurde ein Landstraßen Rettungs-Dienst mit 21 gut funktionierenden Rettungsstellen eingerichtet. Oberösterreich erweiterte dieses System um 135 Rettungs- bzw. Meldestell en im eigenen Straßennetz. Ehrung der Rotkreuz-Schwestern durch die NSDAP 1938 - Mit dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland am 12. März hörte das ÖRK auf zu existieren. Alle Führungspositionen wurden mit verläss li chen Parteigenossen, SS- oder SA-Männern besetzt. Die Begriffe „neutral" und „human" gab es offiziell nicht mehr. Auszeichnung für den Einsatz bei Bombenangriffen du rch General Schuhmann und Gaul eiter Eigru bc r im Schloss Lamberg 21

1945 kam es zum Wiederaufbau des Österreichischen Roten Kreuzes. 1962 wurde das Österreichische Rotkreuzschutzgesetz beschlossen. Die missbräuchliche Verwendung des roten Kreuzes auf weißem Grund wurde untersagt. 6. Das Rote Kreuz in Steyr Die Geschichte des Steyrer Sanitätswesens geht bis in das 16. Jahrhundert zurück. Da sind es vor allem die „heiltuenden Thätigkeiten" der Ärzte und Bader, die der Bevölkerung ihre Kunst angedeihen lassen9 . Krankenhaus St. Anna Die Stadt Steyr benutzte seit 1313 das Bürgerspital, um 1500 dürfte das Bruderhaus erbaut worden sein. 10 Daneben bestanden ein Sondersiechenhaus und das Lazaretthaus zur Behandlung von Verwundeten und Kranken. Außerdem gab es noch den Plauzenhof in Aichet (jetzt Annaberg Nr. 4!) , der für di e Aufnahme bedürftiger, erkrankter Mitbürger bestimmt war. Diese Einrichtungen stellten nach Dr. Grumböck11 di e Vorstufe für ein geordnetes Spitalswesen in Steyr dar. 1847 übertrug der Magistrat die Krankenpflege und Führung des Plautzenhofes an die hochlöblichen Schwestern zum St. Paul. Ab diesem Zeitpunkt hieß das Spital „St. Anna". 9 Geschichte des Steyrer Sanitätswesens, Dir. .Josefüfner, Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Nov.1950. Dr. Ofiier g ilt a ls ein profunder Kenner der Steyrer Geschichte IO Zitat lng. Dr. Raimund Locicnik 11 Dr. Grumböck, Festschrift des 75 Jahre Jubiläum des Krankenhauses Steyr von 19161991 22

Die Jahre von 1892-1916 waren durch das Wirken des Primararztes Dr. Klotz, des späteren Mitbegründers der Sanitätskolonne Steyr, geprägt. ln seiner Amtszeit erlangte St. Anna als Spital Öffentlichkeitsrecht. Er war es auch, der in seiner wichtigen Position den Neubau des Krankenhauses in der Sierningerstaße vorantrieb, nachdem die Platzverhältnisse untragbar geworden waren. Der Mäzen Haratzmüller So schrieb die Steyrer Zeitung vom 4. August 1913: ,. Unsere Spitalsnot schreit zum Himmel. Als gestern abends die Rettungsgesellschaft einen Schwerverletzten nach St . Anna brachte, war dieser Zeuge, wie erst ein Bett geräumt wurden mußte, um Platz zu schaffen. Dem Kranken, der vertrieben wurde, kann man seinen Unmut nicht übel nehmen. " Die beengten, unhaltbaren Zustände zwangen Dr. Klotz, gemeinsam mit der Oberin, einen Aufruf an die Öffentlichkeit zu verfassen . Haratzmüller spendete ca. ein Viertel der Bausumme, weshalb der Magistrat die Lange Gasse in Haratzmüllerstraße umbenannte. Zuwendungen der Waffenfabriksgesellschaft und Einkünfte aus diversen Veranstaltungen, sowie Spenden, erbrachten die nötige Bausumme von 699 .728 Kronen. 23

KH-Stcyr 1916 Der Entwurf des Wiener Architekten Ing. Schimitzek, der auch nach der bislang letzten, großen Erweiterung des heutigen Steyrer Krankenhauses erhalten blieb, wurde von der Steyrer Bevölkerung nicht goutiert. Die Freiwillige Feuerwehr Steyr wurde im Jahre 1864 gegründet. Wie aus den vorliegenden Protokollen der FF Steyr hervorgeht, hatten sich schon bald Aktivitäten in Richtung Sanitätsspezialisierung formiert. Corpsärzte hatten die Aufgabe, Erste Hilfe zu leisten. Steyr Krankenhaus 1991 Diese forde1ten auch bald gut ausgebildete Sanitäter als Helfer. Bis zu diesem Zeitpunkt waren sie von Feuerwehrmännern, genannt „S teiger" unterstützt worden . Es wurde vennehrt Sanitätsmaterial beschafft und bereitgestellt, wie Einkaufsrechnungen und Dokumentationen belegen. 24

Der Stadthistoriker M. Brandl 12 schreibt: .,Der Vorläufer des Roten Kreuzes, Zweigverein Steyr und Umgebung des Patriotischen Landes-Hil.fs-Vereines für das Herzogtum Österreich ob der Enns. Er konstituierte sich am 14. Dezember 1882 unter dem Vorsitz von Bürgermeister Pointner. Der Zweigverein des Frauen-Hilfsvereins vom Rathen Kreuz wurde J 883 errichtet; später war Prinzess in Anna von Sachsen-Coburg-Gotha eine zeitlang Vors teherin. 189 J wurde der Name des Patriotischen Landes-Hil.fs-Vereines geändert in Zweigverein vom Roten Kreuz. " Wälu·end des Ersten Weltkrieges 1914-1918 hat es in Steyr einen Rotkreuz-Frauenhilfsverein gegeben. Im Museum von Steyr gibt es eine Sammlung von Postkarten, die von Frauenvereinen zu Zeiten von Musterungen und Benefizveranstaltungen zum Verkauf angeboten wurden. Frauenvercinsstandl Musterung Steyr 1914 Am 1. Feber 1908 kommt es in der Steyrer Feuerwehr13 zu folgendem Beschluss , der am Sonntag, dem 2. Feber, wie folgt in der Steyrer Zeitung zu lesen war14 : Errichtung einer Rettungs - Abteilung der freiw. Feuerwehr. Der Ausschuß der Freiw. Feuerwehr hat in seiner letzten Sitzung am 1. Feber 1908, einen längst empfundenem Bedürfnis unserer Stadt 12 Manfred Brand! ,,Neue Geschi chte von Steyr, vom Biederma ier bi s Heute", Steyr 1980. Sein Werk g ilt a ls umfassenste, moderne und neueste Stadthistorie. 13 Quelle: Stadtarchi v Steyr 14 Que lle: Steyrerzeitung v. 2.2. 1908 25

Rechnung tragend, einstimmig beschlossen, eine Rettungs-Abteilung als Bestandteil ihrer Wehr ins Leben zu rufen. Diese Abteilung, mit einem Sanitätswagen und den übrigen Behelfen ausgerüstet, wird bei Unglücksfällen und Bränden intervenieren und auf Anruf den Transport von Kranken übernehmen. Zur Aujbringung der hiezu nötigen Geldmittel wurde gleichzeitig ein Fond gegründet und werden Spenden für diese humanitäre Institution beim Oberkommando und Kassier Herrn Franz Hafer entgegengenommen. Die Bevölkerung wird den Beschluß unserer wackeren Feuerwehr gewiß mit lebhafter Genugtuung begrüßen. Erstes Gründungsteam der Rettungsabteilung der FF Steyr 1908 im Stadtgarten 15 1. R. sitzend v. L: Emil Pichlcr. Dr. Viktor Klotz, Fran z Vogt, D r. Ulrich Furrcr 2. R. stehend : Novo1ny, Jose f Lutzcnbcrgcr, Anton Slatny. Karl Mcnschik, Franz Kinderl c, Juli us Gschna idcr. 1-lans Pichl cr. Josc f Sammwa ld, Josef Lcchncr 3 . R. Hadrava. Emil Göpp l, Jose f A lbrecht , Karl Göppl. Rückwiirts stehend: Karl Lettner, Juli us Kmcl Am 24 .7.1908 wurde die Rettungsabtei lung (Rettungskolonne) der FF Steyr gegründet. Zu dieser Gründung schreibt die Steyrer Zeitung am 30. Ju li 1908: Sanitäts-Abteilung der freiw. Feuerwehr in Steyr. Am 24. ds. Monats fand die konstituierende Versammlung der Sanitätsabteilung unter dem Oberkommando der f reiw. Feuerwehr statt, und zwar ·wurden gewählt: Obmann Franz Kinderle; Obmann Stellvertreter Karl Menschik; Zeugwart Emil Göppl; Schriftführer Karl Göppl; Korpsärzte Doktor Viktor Klotz und Doktor Ulrich Furrer. · 15 Aus dem Bestand des RK Steyr, mit Namensli ste 26

Die Abteilung, lange Zeit durch die beiden Herren Korpsärzte tüchtig geschult, tritt mit 1. Oktober d. J. in den Dienst der Öffentlichkeit und ist selbe von diesem Zeitpunkte an j ederzeit bereit, wenn angerufen, Hilfe zu bringen. Möge diese, von der FF neu gegründete humanitäre Einrichtung, von Seite der Bevölkerung Steyrs die nötige Unterstützung und Förderung finden, gilt es ja j edem Verunglückten, ob arm oder reich, Hilfe angedeihen zu lassen. Dr. Ulrich Furrer Gründer RK-Chcfarzt Gründer Prim. Dr. Viktor Klotz Dem Aufruf zur Mitarbeit in dieser Sanitätsabteilung folgte vorerst nur eine kleine Gruppe von Menschenfreunden, durchwegs Angehörige der Steyrer Feuerwehr. Der Arzt Dr. Ulrich Furrer trat ebenfalls tatkräftig für die Idee ein und sagte seine volle Unterstützung und Mitarbeit zu. Er wurde Hofrat und war Mitbegründer sowie erster Chefarzt der Steyrer Rettung. Erster Obmann war 1908 Franz KINDERLE. Die Dienstleistung des Roten Kreuzes wurde damals von der Bevölkerung nur sehr zögernd angenommen. Standen doch die Menschen dem Gedanken der Fürsorge noch sehr zurückhaltend gegenüber. Es waren damals nur wenige Bürger anzutreffen , die diese Gründung für gut und förderungswert hielten . 27

Gründungsobmann Franz Kinderle, 1908 bis 1909 Zweiter Obmann Karl Menschik 1909 bis 1928 Erst nach und nach, durch Zähigkeit, Opfermut und Uneigennützigkeit im Streben, den Menschen hilfreich beizustehen, setzte sich die Erkenntnis in der Bevölkenmg durch, dass diese Gründung der Sanitätsabteilung ein Werk edler Menschenliebe war. Ihr Wirken trat immer augenfälliger zutage. Erster Chefarzt Dr. Karl Barchetti u. dritter Obmann v. 1928-1929 Vierter Obmann Ludwig Riedler 1929-1958 Auf Franz Kinderle folgte als Obmann 1909-1928 Karl Menschik. Dritter Obmann wurde 1928-1929 der Korpsarzt Dr. Karl Barchetti. Ilun folgte 1929-1958 der langjährige, opferbereite und stets um Ausgleich bemühte Ludwig Riedler. Er gilt als eine der bedeutendsten, historischen Persön li chkeiten in Kreisen des 28

Steyrer Roten Kreuzes. Ihm werden wir daher weiter hinten noch mehr Aufmerksamkeit widmen. 1935 fanden in Steyr am 29. und 30. Juni der 6. Österreichische Rettungstag und die Feier zum 27-jährigen Bestand der Sanitätsabteilung der freiw illi gen Feuerwehr Steyr statt. Die Steyrer Zeitung schrieb : An diesen beiden Tagen ging in unserer f estlich geschmückten Stadt für all den Edelsinn und die aufgebotene Nächstenliebe ein herzlicher Dank von Mund zu Mund. Die Bevölkerung folgte mit Aufmerksamkeit den einzelnen Veranstaltungen. [n der im Juni/Juli 1935 erschienenen Festnummer16 der Ze itschrift „Österr. Rettungswesen" schreibt Reg. Rat. Prim. Dr. Oser, der damalige Leiter des LKH Steyr u. a.: ,,Wie die exakte Ausführung der ersten Hilfe bei Unglücksfällen aller Art, Knochenbrüchen, Blutungen, Anlegen der Esmarchschen Binde, Schienen, das Verbinden und die Lagerung der Verwundeten gut gehandhabt wird, das wirft nicht nur das beste Licht auf die Sanitätsmannschaft, sondern auch auf die Korpsärzte, die in der freiwilligen Rettungsmannschaft immer wieder Kurse abhalten und sie aufeine solche Höhe gebracht haben. Noch vieles wäre zu sagen über die segensreiche Einrichtung der freiwilligen Rettungsgesellschaft in Steyr und ihre Tätigkeit, über die zahlreichen Transporte, die sich Tag und Nacht, oft und oft wiederholen. Durch die schnelle Einlief erung der Kranken ins Spital, wie bei drohender Verblutung, Erstickungsgefahr, Vergifiung und anderen Erkrankungen, hat die Steyrer Rettungsgesellschaft mitgeholfen, so manches Menschenleben zu erhalten. Ausbi ldung 1927 16 Diese Festschrift befindet sich im Archiv des RK Steyr 29

1935 schrieb der bekannte Steyrer Heimatdichter Prof. Gregor Goldbacher ein Gedicht als Prolog und Horatio zum 27. Bestandsjubiläum der Sanitätsabteilung der FF Steyr: Edet., in.n und .N äcli:,tmlie6.e, J.eMmcifJ.emud,uf,e,ui, s c/luneJvun, fuuwm, fidf,en,, tJtij,., ten, Willig, ~ und fµJUI,- 5 ag und .N aciit, -zu pwt Stwule, Stwt.tn und Wetwt,, euwdei! So. eJtfiill,t d« .Mami d« ,,:fudlung," s eiae :J> f1iclitw-, "c1if.ielit und l!teu. s i.e&nw~ 'J.afvt.e =cfuen S eit/lwt, in. den S tltoni d« Zcit Jnmwt, wa,i, dem WoM d« Men,.,c/ien .NWI, affwi ;ivt, We,Ji g.ewcilit. 'Un.gMäf,fte fj 'l,(J,jW66twulen Sclienfien "ie in. l:,ei,d und Scfmwvz :i)a,,uun 6Wiml au6 lau<lmd ~ Jleif,e1t :l)an.fi lie.ut~- :ßei 60. mam:/iem wäfmt Mt, fj o.d 6cfwa, :l)a,.," die :ßeuu ilun <JWJ-i6"; s cfmdf.elt, WWI, Mt, .Mann, Mt, :ludlung, :l)elt 6ie WW,CJt, ifun envti<," . :i)a,,uun 61,eüiet, w.acfme .Miimwt., g 'l-eUe ~ wi.e &.,fang,. s ciui.,i6 Wt l:.o.fm Mt, .N äc1i:, tmlie6e Wolui im :Jwvz, dtl<l "idi fuv:w.tang! Goldbachers Lob 1938 wurden sämtliche Sanitätsabteilungen dem Deutschen Roten Kreuz einverl eibt. 30

Der unfreiwillige Steyrer Held Ludwig Riedler Obmann der Dienststelle Steyr blieb 1938 Ludwig Riedler, obwohl er nicht der NSDAP angehörte. Er kann als Steyrer Held bezeichnet werden, obwohl er dies zu Lebze iten vehement abgelehnt hätte. Seine Tätigkeit und Opferbereitschaft sind legendär. Geboren wurde Ludwig Riedler am 3.5.1891 in Steyr. In seinem Zivilberuf war er Friseurmeister auf dem Wieserfeldplatz. Einen Zweig seiner Familie gibt es noch heute in Steyr. Ludwig Riedler 1934 Ludwig Ricdler in DRK-Uniform Ludwig Riedler war mit Leib und Seele beim Roten Kreuz. So ist uns bekannt, dass er viele junge Leute beim Gespräch am Friseursessel zum freiwilligen Dienst motiviert hat. Seine Grundausbildung beim RK absolvierte Ludwig Riedler mit 22 Jahren 1913 . Er erhielt . .. 1924 das bronzene Elu·enzeichen vom RK 1934 das silberne Ehenzeichen der Republik 1953 das silberne Ehrenzeichen der Republik 1958 das goldene Ehrenzeichen vom RK 1959 das goldene Ehrenzeichen der Republik. Seine Tochter, die Zeitzeugin Frau Anna Bauernfeind, geboren 1927 in Steyr, berichtet im Interv iew 2006: 31

Ich kann mich noch gut erinnern, als Kind mit ca. 6 Jahren habe ich schon in den Häusern altes Brot für das RK-Pferd gesammelt. Das RK hielt noch lange, auch als ab I 92 I ein Kraftwagen vorhanden war, ein Pferdefi1hrwerk als Bergefahrz eug im Jnnerbergerstadl in Reserve. 1934 ·während des Bürgerkrieges in Steyr, als Schutzbund und Heimwehr gegeneinander kämpften, hat mein Vater, ohne Rücksicht ai!fLeben und Gesundheit, Verwundete zwischen den Fronten Tabor und Ennsleite geborgen und damit viele Leben gerettet. Artillerie im Februar 1934 17 Ludwig Riedler Nach 3 Tagen ununterbrochener Heljerarbeit erlitt er einen Kollaps ai!fgrund der Übermüdung und Überlastung. Er half und rettete ohne Ansehen der Person und Parteizugehörigkeit. Er wurde Kraft seiner Persönlichkeit und seines neutralen Amtes von beiden Seiten respektiert und angefordert. Die enge Verbundenheit Ludwig Riedlers mit der Steyrer Bevölkerung dürfte auch der Grund sein, dass die Nationalsozialisten 1938 es nicht wagten , ihn von seiner Führungsposition zu entfernen und durch einen willfährigen Parteigenossen zu ersetzen. In der Fo lgezeit diente Ludwig Riedler auch als Bezirkssekretär unter dem vom DRK eingesetzten Obmann Dr. Hain. 17 Fotogalerie der Ereigni sse im Februar 1934, Soz ial isti sche Jugend Vorarlberg 32

Ludwig Riedlers letzte RK-Weihnachtsfeicr be i Fr. Berta Norman s Ehrung 1970 Nach Kriegsende übernahm er wieder die Rotkreuz-Leitung als Bezirkssekretär bis zu seiner ehrenvollen Pensionierung im Jahre 1958. Hier in Steyr ist er auch nach langem, schwerem Leiden am 14.11.1971 verstorben. Die Rotkreuz-Dienststelle Steyr wird seiner immer in ehrender Anerkennung gedenken. 33

7. Der frühe Krankentransport Der Gebrauch von Rettungstransportgeräten begann schon im Mittelalter. Leute, die es sich leisten konnten , wurden mit der Sänfte 18 getragen. Trage für arme Leute, Museum Bad Hall19 Trage für reiche Leute'0 im Minclaltcr bis ca . 1900 in Verwendung Ärmere Leute wurden in offenen Tragesesseln transporti ert, wi e im Museum Bad Hall zu sehen ist. 15 Kreuzer kostete im 19. Jh . ein Transport in Bad Hall. Die renovierte Rädertrage, vor 1914 " 18 Quelle Heimathaus Steyr 19 Wurden auch für Krankentransporte eingesetzt 20 Sänl-le i111 Hei111athaus Steyr 2 1 Aus de111 Bestand und 111it Geneh111i gung der FF St. Ulrich . Di ese !-Mann Tragen waren zusa111111enlegbar und sehr le icht. Sie wurden von der Fa. Rosenbauer, Leonding herges tellt. Für den 1. We ltkri eg wurden di e neuen Seri en gu111111ibereil-l. 34

Mit der Gründung von Rettungsgesellschaften kamen besonders die Tragen (Tragbahren) zur Anwendung. Eine Weiterentwicklung der Tragen waren die weniger bekannten Rädertragen, die besonders im Felde angewandt wurden, weil sie von nur einem Mann bedient werden konnten. Es gab einrädrige (ähnlich den Schubkarren) und zweirädrige Rädertragen. Diese Tragen waren auch zusammenlegbar und wurden von der Fa. Rosenbauer, Linz Leonding, zwischen 1898 und 1902 gebaut. RK-Fahrzeug Leiterwagen und Kutsche Gummibereifter Pferdewagen" Hinterachse gefedcn Solche Tragen wurden bis 1918 eingesetzt. Später waren diese Rädertragen mit Metallrädern und Gummiüberzügen ausgestattet. Parallel dazu wurden aber auch immer Handleiterwagen, Karren und Pferdewagen eingesetzt. Besonders in größeren Rettungsgesellschaften wurden die Tragen und Rädertragen abgelöst von Leiterwagen und Kutschen, die von Pferden gezogen wurden. Dazu wurden örtliche Fuhrwerksunternehmen herangezogen. Die Rotkreuz-Pferde 22 19 14 wurde dieser Wagen vo ll ausgestattet von der Fa . SCHRANGL in Steyr um 1.93 0 Kronen angekauft. Der bevorstehende Krieg war der Auslöser dieser teuren Inves titi on. Quelle : Walter TAGINI, 140 Jahre Freiw. Feuerwehr der Stadt Steyr, 18642004. 35

wurden von der Bevölkerung besonders liebevoll gefüttert23 . Krankentransporte in Steyr um 1830 bis l 908 Mit der Weiterentwicklung traten gesch lossene, hölzerne Rettungswagen (Kastenwagen) an die Stelle von Leiterwagen und Kutschen. Krankentransporte in Steyr um 1908 bis 1938 Die Verletzten wurden in Steyr stets in das St. Anna Spital gebracht. Erst 1916 wurde das heutige Landeskrankenhaus errichtet. 23 S iehe dazu auch da s Ze itzeugen-Inte rview mit Frau Anna Baue rnfeind geb. Ri edl er. 36

In der Steyrer Zeitung vom 23. August 1908 war zu lesen : Einen großen Fortschritt hat unsere wackere städt. Feuerwehr durch die Gründung einer Sanitätsabteilung e,jahren. Sonntags wurde der neue Sanitätswagen (Preis 2000 Kr.) anläßlich der FeuerwehrMusterung vorgeführt. Zum erstenmale sahen wir die Sanitätstruppe in ihren schmucken Uniformen in Aktion. Seit Monaten haben die Herren ,-frzte Dr. Furrer und Dr. Klotz die aus 15 Mitgliedern der Feuerwehr bestehende Sanitätsmannschaft trefflich geschult. Man sah es deutlich bei der Probe am Sonntag, wie da alles klappte und mit welch eiserner Ruhe unter der kundigen Leitung des Herrn ObmannStellvertreters Menschick sich die Leistung der ersten Hilfe und der Transport vollzog. v ~ i1c6 Ollmllkhiln IICoo - . der Sodt Setyr. Zahlungsbeleg für die Behandlung im KH St. Anna am 27.2.1916 Die Schaffimg einer Sanitätsabteilung, ihre Schulung und die Beschaffimg eines Sanitätswagens, ist eine außerordentlich rühmenswerte Tat, zu der der Herr Bürgermeister Lang mit Recht Herrn Oberkommandanten Vogt und der Feuerwehr herzlich gratulierte. Die Abteilung nimmt mit 1. Oktober ihren Dienst auf Stets werden drei bis vier Mann zur Verfügung stehen. Auch für die Umgebung der Stadt wird die neue Sanitätsabteilung von großem Vorteil sein. Endlich werden Verunglückte menschenwürdig und schonungsvoll von ihren Wohnungen nach St. Anna oder fremde Spitäler gebracht, oder Transporte von Irrsinnigen vollzogen werden können. Ein herzliches „ Gut Heil" unserer wackeren Feuerwehr zu ihrem neuen, dankenswerten Fortschritte! 37

Steyrer Zeitung vom Donnerstag, 8. Oktober 1908: Die erste Ausfahrt unseres Rettungswagens24 erfolgte gestern abends. Ein Zimmermann aus Sierning namens Johann Kielinger erlitt beim Baue in Zwischenbrücken, durch einen Sturz innere Verletzung. Herr Stadtarzt Doktor Klunzinger leistete ihm ärztliche Hi(fe, worauf er über seinen Wunsch, durch den Rettungswagen in seine Wohnung nach Hausleiten bei Sierning überführt wurde. 2 Dokumente von 1916 belegen einen Rotkreuz-Transport. Transportbeleg von St. Ulri ch zum St. Anna Spital 24 Ein geschlossener von Pferden gezogener Wagen 38

Das erste Dokument vom 30. Jänner 1916 bezieht sich auf eine Krankentranspo1i-Abrechnung über 21 Kronen , der Schülerin Maria Mayrhofer, später verheiratete Pichelbaumgartner und Mutter der Ulricher Bäuerin Maria Felbauer. Sie wurde mit dem Pferdewagen vom Grabnergut, Steyrerweg 4 in St. Ulrich (fälschlich wurde „Unterwald" als Adresse aufgeschrieben!), mit Blinddanndurchbruch nach St. Anna gebracht. Im zwe iten Dokument vom 27. Februar 1916 verrechnete St. Anna für den Krankenhausaufenthalt von 6 Wochen 80 Kronen. Gemessen an den Aufenthaltskosten war der Transport extrem teuer. Folglich wurde bei der Entlassung zu Fuß gegangen .25 Das Team 1916 mit Pferdewagen Nach mündlicher Überlieferung hieß der Transport „Muli Transport". Scheinbar hieß der Kutscher des RK-Pferdewagens „Muli ", da niemals Maultiere als Zugtiere beim Roten Kreuz eingesetzt wurden. Rechts oben sieht man die Anzahl der Transporte mit 3. 134 seit Gründung 1908. Da die Rettung nur zögerlich von der Bevölkerung angenommen wurde, hielt sich anfänglich die Anzahl der Einsätze in Grenzen. 1914: Durch Rekrutierungen und vermehrten Sanitätseinssatz bei Verwundetentransporten musste die Feuerwehr aus ihren Reihen die Sanitätsabteilung laufend aufstocken. Zitat: Schon in den ersten Kriegsmonaten musste die Sanitätsabteilung 7 25 Beide Dokumente sind im Besitz der Famili e Felbauer vom Grabnergul in St. Ulri ch, Steyrerweg Nr. 4. 39

Verwundetentransporte mit 1. 780 Mann übernehmen und in die umliegenden Spitäler abtransportieren. 26 1914-1918 war Krieg im Lande und der Bedarf nach einem Rettungsauto wurde immer dringender. Dies bezeugen auch die Annalen der freiwilligen Feuerwehr Steyr. 1918: Zum 10-jährigen Bestandsjubiläum der Sanitätsabteilung hat die Direktion der damaligen Österr. Waffenfabrik über die Stadtgemeinde die Sanitätsabtei lung verständigt, dass sie aus der neuen Autofabrik ein Auto spenden werde.27 Zur Übergabe des 1. Rettungsautos kam es am 6.11.191928 . Für die Bereifung ist die Stadtgemeinde aufgekommen. Erstes Rettungs-KFZ um 1919 26 Anna len de r Feue rwehr von 1914. 27 S iehe M. Brand) ,,Neue Geschichte von Steyr" : Der Hinwe is von Bürgerme ister und Ne ffe n von Wernd l, He rrn Gscheide r ist ungenau , de r besagt, dass 191 8 e in erstes Auto übe rgeben worden se i. Nach jüngsten Recherchen , die Mag. Dr. Karl-He inz Rau scher und Walte r Tag ini dankenswerterwe ise für un s gemacht haben, wurde von der Steyr Wa tle nfa brik 19 18 ein Versprechen abgege ben. Das 1. Auto wurde dann im November 19 19 von der neuen Automobi lfabrik übe rgeben. S iehe auch FF-Annal en. 28 Siehe Archiv de r FF Steyr, Annalen 19 14-1 924 und Tagespos t Linz vom 14. 11. 19 19. 19 14 gründete man e inen Sanitätsa utomobil- Fond zur Finanz ie rung des erhofften Automobil s. Z itat: Diesem Reltungsautofond sind unter häuptsächlicher Mi twirkung des Großindustriellen Herrn Josef Reithojfer bisher 15.203 Kronen an Spenden zugeflossen. 40

Gerüchte besagen, dass mit diesem neuartigen Transportmittel Anlaufschwierigkeiten aufgetreten sind, vermutlich war es ein Prototyp oder Versuchswagen. Es ist eine typische Zwischenlösung von Kutschenkasten und Nutzfahrzeug. 3 Mann Besatzung, Rechtslenker, Fahrer- und Beifahrersitz im Freien aber überdacht, mit Windschutzscheibe und seitlichem und hinterem Trittbrett, als Aufstieghilfe in die Patientenkabine. Sanitätsabteilung vom „Roten Kreuz" der Frelw. städt. Feuerwehr In Steyr. Anteilschem ;Ng 75 Die Sanitätsab~e ilun om „Roten Kreuz" der fr~iw. städLFeu~rw~hr in Steyr bestätigt. d rag: von Krwn 50.000~ ~en: f '.Z,zigtauscnd Kronen, v ~~U .#.atc/au. ~~~~ ~ zum Ankaufe des neu en Rt4tungsaut os erhalten zu ha~n. und wird dieser Betrag ehetunlichst rückbezahlt. Für die Sanldtsabtellunr vom „Roten Kreuz11 In Steyr: . ~ ~ ~±:,~;-; ~-!,::,d:f hlm / Anteilschein Nr. 75 Durch die kriegsbedingte, fortschreitende Geldentwertung, schreibt der Chronist der Feuerwehr, mussten immer wieder Spendenaufrufe erfolgen, die zur Bestreitung der laufenden Ausgaben vorgenommen wurden. Es gab auch sehr großzügige Spenden von Privatpersonen, die entgegengenommen werden konnten . Der 3. Rettungskraftwagen nach 1924 Wie aus den Archiven der FF Steyr hervorgeht, erfolgte am 3.3.1924 die Übergabe des 2. Rettungsautos, mit 45 PS und komplett als Sanitätsfahrzeug ausgerüstet, von Gräf u. Stift. 4l

8. Das Rote Kreuz in Steyr während des Nationalsozialismus 1938-1945 Das Österreichische Rote Kreuz wurde 1938, mit dem Anschluss Österreichs an Deutschland, in das Deutsche Rote Kreuz eingegliedert und das Gebot der Neutralität und Humanität den Zielsetzungen der nationalsozialistischen Heeressanität untergeordnet. ~ienftuorfd)rift fllrbu ~eutfd)e !Jtote ßreua 64111ffttruorf•lft DRK-Dienstvorschrift 1937 Diese Zielsetzungen hießen Aufrüstung und Kriegsvorbereitung, wie sie Hitler in seinem Buch „Mein Kampf" vorangekündigt hatte. Es durfte keine Doppelfunktionen von Vereinen geben, daher wurde das Rote Kreuz von der Organisation der Feuerwehr ausgegliede1i. Die Fülu·ungspositionen wurden überwiegend mit SA-Leuten und fanatischen Nazis besetzt, darunter auch zahlreiche Medizmer. Jeder Rotkreuz Mitarbeiter musste den Treueeid auf den NaziFührer ablegen. 42

Machtübernahme der Nationalsozialisten in Steyr Rettungswagen Steyrer Baby um 1940 Im Laufe des Zweiten Weltkrieges weitete das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) seine Tätigkeit auf dem Gebiet des Informationsaustausches, der Überwachung von Kriegsgefangenenlagern und die Hilfe für die Zivilbevölkerung aus. Zirka 3.000 Menschen waren in dieser Zeit beim IKRK beschäftigt. Rotkreuz-Nazi-Fahne" So konnte das IKRK Beobachter in verschiedene KZ ' s entsenden. Heute wird dieser „nur diplomatisch konekte" Standpunkt des IKRK gegenüber Nazi-Deutschland von vielen Menschen verurteilt und als fragwürdig eingestuft30 . Das IKRK und die politische Führung der Schweiz haben gleichermaßen den Standpunkt der Alliierten eingenommen : ?9 - Sammlung Hud ec, RK Enn s 30 Si ehe Literaturverze ichni s Be rnd Biege, Hitlers Helfer 43

Nazi-Deutschland sei so schnell wie möglich zu besiegen, um die unmenschliche Behandlung und Ennordung von Juden und politisch Verfolgten zu beenden. Das IKRK wurde im Jahre 1944 mit dem Friedensnobelpreis geehrt und erhielt somit den einzigen Nobelpreis, der seit dem Ausbruch des Krieges vergeben wurde. Einflugschneisen Karte eines Alliierten Angiffes auf Steyr 194231 In Steyr war das Rote Kreuz der Luftschutzpolizei (LuPo) angegliedert. Dadurch war es im Bombenkrieg immerhin möglich , Sanitätsmaßnahmen rechtzeitig vorzubereiten, sobald die Einflugschneisen der alliierten Kampfverbände bekannt waren. Es war auch Aufgabe der LuPo die entstandenen Schäden zu ermitteln und an die zuständigen Armeedienststellen weiterzuleiten. In der Steyrer Zeitung von 194132 ist folgender Rechenschaftsbericht des zivilen DRK zu lesen: 1.890 Einsatzfälle, davon 66 Straßenunfälle und J 2 Brandeinsätze. Die Sanitätsabteilung der Steyrwerke als Rüstungsbetrieb dagegen war größer: 12.524 Einsätze, davon 7. 102 der Ersten Hilfe. 3 1 Spende von Kali. Maria Wieh sböck 32 Siehe Stadtarchiv 44

9. Die Rotkreuz-Schwesternschaft in Steyr von 1944 bis 1992 Die Geschichte der RK-Schwestern reicht bis in die Zeit von Solferino zurück, genauer auf Florance NIGTHINGALE und die nachfo lgenden patriotischen Frauenhilfsvereine, die sich in unseren Gegenden zu Kriegszeiten gebildet hatten. Florance NIGTHINGALE (1820-1910) organisierte während des Krimkrieges die Versorgung und Betreuung von Verwundeten und Kranken. Sie gründete 1860 die 1. Pflegeschule am St. Thomas Hospital in London. Zur gleichen Zeit unternahm auch Henry DUNANT (1818-1910) erste Schritte für die Gründung einer internationalen Rettungs- und Pflegeorganisation. 1882 gründete Dr. Thomas BILLROTH die erste Pflegeschule in Wien. Alle diese Schulen bildeten Schwestern für das Rote Kreuz aus . 1938 kam es zur Gründung der 1. Krankenpflegeschule im Landeskrankenhaus Steyr durch das DRK. Der Orden der Barmherzigen Schwestern zu St. Paul hatte Nachwuchssorgen. Am 1. Jänner 1939 wurde in Steyr mit der ersten RKSchwesternausbildung durch das deutsche RK im Waisenhaus von St. Anna begonnen. Der damalige Leiter des Krankenhauses , Reg. -Rat. Primarius der Chirurgie Dr. Oser, war sehr um die Ausbildung der Schwestern bemüht. Die Reihe der Oberinnen: Gertrud Mayr 1939-1940 Ingrid Ellison 1945-1971 Helga Freidhager 1988-1992 Maria Lippert Stefanie Zechner J 940-1945 197 1-1988 Die in Steyr diplomierten Schwestern arbeiteten im Flüchtlingsheim Gleink, im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz und europaweit im Sanitätsdienst des Heeres . Eine starke Frau, welche die Steyrer Rotkreuz-Schwesternschaft 26 Jahre lang geleitet hatte, war Baronin Ingeborg Ellison33 von Nidlef. Zu ihrem Tod in Graz schreibt das Steyrer 33 Auszug aus de r Steyrer Zeitung vom 24 .9. 1949: Die Steyrer Rotkreuz-Schwester Bundesoberin Ingeborg Nidle/ Ellison erhielt aus Genf die Florance Nigthingale 45

Amtsblatt im Jahre 1982: ,,Die Oberin Ellison hat in Steyr einen geradezu legendären Ruf erlangt. Sie ist von 1945 bis 1971 Leiterin der Steyrer RK-Schwesternschafi gewesen. Allen war sie ein Vorbild an Pflichterfiillung und Nächstenliebe. Wegen ihrer fachlichen und charakterlichen Qualifikation war sie 1948 auch Bundesoberin der Rotkreuz-Schwesternschaft des Österreichischen Roten Kreuzes geworden". Sr. Oberin Ingeborg Ell ison von Nidlef Nun ein Zitat zur strengen Lebenshaltung der RK-Schwestem. „Die Schwesterntracht, die Unterbringung im Schwesternheim, die Heimordnung, die Führung der Ausgangstafel und die Verhaltensregeln waren streng und gehen auf die damalige strenge Auffassung von Beruß;ehre zurück ", sagt die Bereichsleiterin und stellvertretende Pflegedirektorin 1111 KH Steyr DGKS Maria Ahrer34 . Medaille als erste Österreicherin. 1902 in Trient geboren, 1931 Diplompriifimg im Rudolfinerhaus, /939 im Schwerverwundeten-Lazarell Krakau, 1941 Armeeoberin im Fe/dlazare/1 in Russland, /942 Feldoberin in Finnland, seil /944 Oberin im KH Steyr. 34 DGKS Mar ia Ahre r ist 5 1 Jahre a lt, hat 1973 mit der RK-Schwesternausb ildung begonnen und hat a ls Bereichs leiterin di e Auflösung der R.K-Schwesternscbaft 1992 miter lebt. 46

DGKS Maria Ahrer 1992 Hat eine Steyrer Schwester keine eigene Familie, wird sie im Grab der Schwesternschaft am Steyrer Friedhof bestattet. Wie am Grabstein zu lesen, spannt sich der Bogen von Schwester Paula Seifriedsberger, Rotkreuz-Lernschwester (1923-1941 ), bis zu Schwester Marianne Höller ( 1920-2007). Der Grabstein der Steyrer Rotkreuz-Schwesternschaft Die Auflösung der Rotkreuz-Schwesternschaft in Steyr erfolgt 1992 . 47

10. Steyrer Zeitzeugen berichten Ein Zeitzeugen-Intervi ew35 mit Herrn Josef Lichtenberger, Magistratsdirektor i. R. aus der Ahl schmidgasse in Steyr: Mein Bruder Max Lichtenberger war 1944 in der Gastgewerbe/ehre im Hotel Minichmayr in Steyr und hatte sich 4 Wochen vor Ostern an verdorbenen Nahrungsmitteln mit Typhus vergiftet. Nach einem zweiwöchigen Krankenstandsau/enthalt zuhause wurde er vom Hausarz t Dr. Hugo Holub nach St. Anna ins Spital eingewiesen. Er wurde auf einem Leiterwagen von einem sehr kleinen Rotkreuz-Helfer zum Spital gebracht. Dort wurde er zu Ostern von mir in der geschlossenen Anstalt besucht. Nach dem Krieg wanderte mein Bruder Max Lichtenberger nach USA aus und lebt heute im Stadtteil Pacific Palisades in Los Angeles. Die Zeitzeugin Frau Maria Wiesböck (1918-2007) in Steyr, war RK-Schwester und hat 36 Jahre beim Roten Kreuz gearbeitet. 1936 war ich zuerst am Blümlhuberberg im Objekt 13, das war die Abteilung für Fahrräder, tätig, später im Kugellagerwerk. 1939 machte ich eine Ausbildung fürs Rote Kreuz. Maria Wiesböck 1938 und 2007 Sichtli ch bewegt, erzählt sie, wie sie von der Luftschutzpolizei (LuPo) angefordert und in der Hauptschule Promenade, ehemals Bürgerschule, kaserniert wurde. Sie wohnte mit anderen 35 Diese folgenden Interviews wurden vom Autor im Somme r 2006 ge führt. Die ausgewählten Pe rsonen haben e inen besonderen Bezug zum Roten Kreu z in Steyr. 48

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