100 Jahre Höhere Technische Bundeslehranstalt

DER KATHOLISCHE RELIGIONSUNTERRICHT AN DER HTBLA STEYR Gegenwärtig unterrichten an unserer Schule zwei vollbeschäftigte und ein teilbeschäftigter Religionslehrer; zwei von ihnen sind Priester, einer ist Laie. In zwei Wochenstunden pro Klasse werden 1053 Schüler unterrichtet. Die Abmeldungen vom Religionsunterricht betragen 14,9 Prozent. Dies erscheint angesichts der Tatsache, daß die Schüler sich in Eigenverantwortung am Anfang des Jahres vom Religionsuntrericht abmelden können, ein relativ geringer Prozentsatz. Im Unterricht wird u. a. versucht, durch Einsatz von Film, Dia, Tonband, Overhead-Projektor, Rundfunk und Fernsehen (Schulfunksendungen) die Aktualität zu erhöhen und die Stunden interessant zu gestalten. Ein weiteres Mittel, den Unterricht lebendig zu gestalten und gleichzeitig die Schüler zu aktivieren, stellt die Behandlung eines Themas durch die Gruppenarbeit und das Gruppengespräch dar. Damit Christentum nicht nur theoretisch betrachtet, sondern auch existentiell erlebt wird, wird der Besuch der Jugendmessen angeregt. Zu Beginn des Schuljahres, zu Weihnachten, zu Ostern und RELIGIONSUNTERRICHT - ERZIEHUNG ZUM GLAUBEN Mit kaum einem anderen Unterrichtsgegenstand werden so verschiedenartige Vorstellungen und Erwartungen verknüpft wie gerade mit dem Religionsunterricht. Manche Eltern erwarten, daß hier ein festgefügtes Glaubensgebäude tradiert oder daß die abnehmende Religiosität ihrer Kinder aufgehalten wird. Andere wiederum verlangen von ihm die Vermittlung von Anstand und sozialem Verhalten, eine Vorbereitung auf das Leben, wobei sie keinen Wert auf persönliche Religiosität oder gar Kirchlichkeit legen. Eine dritte Gruppe dagegen wünscht eine unengagierte und unverbindliche Darlegung von Weltanschauungen, Religionen und Denkmodellen zur Erweiterung des Bildungshorizonts. Es ist kaum möglich, alle diese Erwartungen auf einen Nenner zu bringen. 60 Vor allem eine neutrale Darstellung der christlichen Religion ist nicht durchführbar. Einerseits steht dagegen der Sendungsauflrag Christi, andererseits ruft seine Botschaft an und für sich zur Entscheidung dafür oder dagegen auf. Freilich ist soziales Verhalten ein wesentlicher Bestandteil christlicher Lehre und christlichen Lebens, jedoch erhält die mitmenschliche Komponente erst durch die Bindung an Gott ihre letzte Begründung. Bloßer Humanismus wäre verkürztes Christentum. Wenn schließlich vom lleligionsunterricht Glaubenstradierung verlangt wird, so muß zunächst gefragt werden, was unter Glauben verstanden wird. Versteht man darunter ein bloßes Wissen um die Glaubensinhalte der christlichen Religion, so kann dies zweifellos verwirklicht werden. Wird aber unter dem Wort zum Schulschluß finden Schülergottesdienste statt, die von den Schülern mitgestaltet werden. Für die Absolventen der höheren Abteilungen und der Fachschulklassen trägt ein Besinnungstag, der vom Elternverein gefördert wird, dazu bei, daß die ins Berufsleben eintretenden jungen Erwachsenen durch qualifizierte Referenten noch einmal auf die Probleme, die Chancen und die Verantwortung, die ihr neuer Lebensabschnitt mit sich bringt, hingewiesen werden. W. Hingerl „Glauben" nach einer Definition des Zweiten Vatikanums die Übereignung des ganzen Menschen - nicht nur des Verstandes, sondern auch des Herzens und des Willens - an den sich offenbarenden Gott verstanden, so wird es dem Religionsunterricht nur in den seltensten Fällen möglich sein, diesen Glauben zu vermitteln. Ein personaler Glaube setzt personale Begegnung voraus, denn glauben heißt ja nicht etwas glauben, sondern jemandem glauben. In zwei Wochenstunden. hci durchschnittlichen Kla~se11!>IÜ1 ku11 von 30 Schülern und in der Schul:1t111osphäre ist diese Begegnung nicht 111ellr möglich. Vor allem ist sie dann :111sgeschlossen, wenn das Elternhaus des einzelnen Schülers areligiös oder indifferent ist. Wenn jemand gclnhten Glauben in seiner Umgebunn 11id11 mehr erfährt, so wird ihn die Religionsstunde kaum in seiner Tiefenschicht erreichen oder gar umgestalten. Wo allerdings religiöse Substanz in der Familie eines Schülers tradiert und echter Glaube vorgelebt und miterlebt wird, kann der Religionsunterricht sehr wohl zur Vertiefung und Festigung dieses Glaubens beitragen. Ist nun der Religionsunterricht für alle anderen umsonst, oder was darf von ihm konkret erwartet werden? Wer bloß Allgemeinbildung oder Vermittlung ethischer Werte erwartet. wird sicherlich zum größten Teil seine Wünsche erfüllt sehen. Wer aber religiöse Erwartungen an ihn knüpft, wird sich oft damit zufrieden geben müssen, daß die Schüler beim Verlassen der Schule Religion und Glauben zumindest nicht für überflüssig oder gar unsinnig halten, daß sie Religion und Glauben als mögliche Bereicherung des Menschen, als mögliche Kraft für die Entfaltung seiner Persönlichkeit, als möglichen Antrieb für die Realisierung von Freiheit begreifen, daß die Schüler Respekt vor der Überzeugung anderer gewonnen haben, daß die Entscheidungsfähigkeit und Entscheidungswilligkeit so gefördert wurde, daß sie imstande sind, ihre persönliche Glaubenseinstellung zu überprüfen, zu vertiefen oder zu revidieren und so eine gewissenhafte Glaubensentscheidung zu treffen, daß die Schüler, je nach Möglichkeit, angestoßen von diesem Unterricht, zu einer engagierten Begegnung mit der Wirklichkeit des Glaubens einschließlich der konkreten Kirche bereit und fähig sind. Mehr kann man in unserer Zeit vom Religionsunterricht wohl kaum verlangen. Manchmal wird man aber auch hier noch Abstriche machen müssen. Trotzdem erscheint der Religionsunterricht als Ort der Konfrontation des Schülers mit dem christlichen Modell der Lösung des Lebensproblems gerade heute in einer Zeit des Pluralismus, Materialismus und Indifferentismus wichtiger denn je, auch wenn Erziehung zum Glauben dabei nur mehr in Ansätzen geschieht. W. Hingerl LITERATURHINWEISE: Belz 0., Die Zumutung des Glaubens, München 1968 Bibel heule, 197411, Stuttgart Dreissen J ., Grundlinien heutiger Katechese, München 1969 Rahner K., Vorgrimler H., Kleines Konzilskompendium, Freiburg 1966 61

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