100 Jahre Höhere Technische Bundeslehranstalt

PHYSIKALISCHE VERSUCHE - GRUNDLAGE FOR DAS TECHNISCHE VERSTÄNDNIS Die Technik hat sich aus den Naturwissenschaften, im besonderen aus der Physik entwickelt. Somit stellt die Physik einen wesentlichen Pfeiler der Technik dar. Sie hat auch im Unterricht eine große allgemeinbildende Aufgabe zu erfüllen und bildet zugleich die Grundlage für die technischen Fachgegenstände. Jeder Schüler einer technischen Lehranstalt muß deshalb eine intensive Ausbildung im Gegenstand „Physik und angewandte Physik" erhalten. Besondere Bedeutung kommt daher der Pflege dieses Unterrichtes an unserem Schultyp zu. Der Physikunterricht soll zwar an allen Schultypen experimentell geführt werden, an den technischen Ausbildungsstätten ist diese Art der Durchführung wohl am dringendsten. Der zukünftige Techniker muß nicht nur in den einzelnen Disziplinen Fakten wissen, sondern sich auch den Ablauf der physikalischen Vorgänge innerhalb verschiedener Prozesse vorstellen können. Zur Förderung dieses Vorstellungsvermögens ist der experimentelle Physikunterricht von unschätzbarem Wert. Mit Grundversuchen beginnend, sollte dort Schritt für Schritt der physikalische Aspekt eines Fachgebietes erarbeitet werden. wobei die funktionellen Zusammenhänge mit einfachen Mitteln dargestellt werden müßten. Nur so kann in den unteren Jahrgängen, wohin der Physikunterricht der technischen Schulen hauptsächlich verlagert wurde, ein wünschenswerter Erfolg erzielt werden. Die im technischen Anwendungsbereich vorkommenden physikalischen Abläufe sind äußerst komplex. Im Unterricht können vorerst nur Einzelfakten erarbeitet und festgehalten werden, die aber, aneinandergereiht, ein größeres Wissensbild, ähnlich einem Mosaikbild, 54 ergeben. Dieses muß den lernenden befähigen, in den Fachgegenständen die technischen zusammenhänge leichter verstehen und dann in der Praxis die nötigen umfangreichen und breitgefächerten Physikkenntnisse anwenden zu können. Der HTL-lngenieur wird im Beruf vielfach das Bindeglied von der Praxis zur Theorie sein müssen. Als solches benötigt er Verständnis für physikalischtechnische Vorgänge. Aufgabe des Unterrichtes ist es, dieses Verständnis zu entwickeln und zu fördern. Die gegenseitige Abhängigkeit von Ursache und Wirkung soll der Schüler dabei im Physikunterricht beim experimentellen Ablauf von geplanten Vorgängen, den sogenannten Versuchen, die den Mittelpunkt dieses Unterrichtes darstellen sollen, erleben. Ein derartiger Versuch kann in Form einer Demonstration, d. h. einer anschaulichen Darstellung von Vorgängen, erfolgen. Bei ihr werden mit Geräten Geschehnisfolgen simuliert, an denen die Ursache und die daraus folgende Wirkung, wenn notwendig auch mehrmals, beobachtet werden können. Unmittelbares Erleben der experimentell ablaufenden Vorgänge prägt diese dauerhaft in das Erinnerungsvermögen ein. Auch 'prägnanteste 'Worte, gute Zeichnungen oder Filme können diese Art der Darbietung nicht ersetzen. Die direkte Beziehung zum physikalischen Ablauf ist das Wesentliche. Zwei Vergleiche seien angeführt: Beste Inszenierungen von Musik-oder Sprechstücken können im Fernsehen niemals eine Originalaufführung ersetzen. Es fehlen der menschliche, persönliche Kontakt und das unmittelbare Erleben. Ausgezeichnete Fernsehlehrfilme, mit großem Aufwand und technischem Einsatz gestaltet, sowie wohlüberlegte Erklärungen haben nicht denselben nachhaltigen Erfolg wie der direkte Anschauungsunterricht. Als Ergänzung zum experimentellen Unterricht können auch Filme eine wertvolle Hilfe darstellen. Sie sollen sogar im Unterricht eingesetzt werden, wenn die für Versuche benötigten Apparate in der Schule nicht bereitgestellt werden können. Eine besondere Form der Versuche stellen jene Experimente dar, in denen die physikalischen zusammenhänge durch Messungen erfaßt werden. Aus diesen werden die Gesetzmäßigkeiten teils in graphische und teils in mathematische Form gebracht. Dadurch gewinnt der Unterricht besonders an Wert, da er sich auf die aus den Versuchen gewonnenen Ergebnisse stützen kann. Der Schüler wird außerdem zum kritischen Beobachten und Urteilen angeregt und lernt Zusammenhänge erfassen. Dabei erlebt er, daß auf Grund der begrenzten Genauigkeit der Meßinstrumente und anderer Einflüsse keine Idealwerte, sondern mit Mängel behaftete Ergebnisse zustande kommen. Diese Realwerte führen dem Schüler vor Augen, welche Schwankungsbereiche, bedingt durch zahlenmäßig nicht erfaßbare Einflüsse bzw. Meßfehlerquellen, zu erwarten sind und einkalkuliert werden müssen. Eine sinnvolle Genauigkeit der aus den Messungen zu errechnenden physikalischen Größenwerte ist anzustreben. Die von Schülern oft gutgemeinten, völlig wertlosen Berechnungen auf mehr als aus den Zahlen mit begrenzter Genauigkeit möglichen Dezimalstellen sind vielleicht als Übung des Zahlenrechnens geeignet, für das physikalische Verständnis bringen sie nichts ein. Rechenschieber sollten ehestmöglich eingesetzt werden, da sie bei geringem Zeitaufwand hinreichend genaue, für die Praxis durchaus brauchbare Werte liefern. Die Versuche sollten nicht zurechtgemachte Scheinabläufe darstellen, sondern auf jeden Fall ehrlich sein. Dennoch wird und muß jeder Physiker durch sorgfältige Vorbereitung den Versuch so gestalten, daß er jenen Zusammenhang erfassen und wiedergeben wird, der geplant ist. Nicht einzelne Experimente für sich allein ergeben die physikalische Grundlage für den Beruf, alle Erkenntnisse aus den Versuchen und Vorträgen zusammengenommen bilden erst das Gerüst des .technischen Wissensgebäudes, das dann durch die Fachgegenstände ausgebaut werden muß. Die Voraussetzungen für die Durchführbarkeit der notwendigen Experimente sind verschiedenartig. Räumliche Gegebenheiten, hinreichende Ausstattung, notwendiges Stundenausmaß und Einsatzbereitschaft des Lehrers müssen vorhanden sein. Die Ausstattung der Lehrmittelsammlung sollte immer den neuesten Erkenntnissen der Physik angepaßt werden, da nur auf diese Weise das zeitgemäße physikalische Wissen vermittelt werden kann. Eine optimale Ausnützung der zur Verfügung stehenden Zeit durch richtige Kombination von Versuch und Vortrag sollte erzielt werden. Versuche sind einerseits zeitaufwendig, ersparen andererseits wertvolle Minuten, da sie viele erklärende Worte ersetzen. Jeder pflichtbewußte Lehrer bildet sich durch Fachliteratur weiter. Bei einem Physiklehrer genügt dies allein nicht. Will er auf dem laufenden bleiben, benötigt er auch Fortbildung im experimentellen Bereich. Dies ist nur durch gezielte Weiterbildungskurse möglich. Das Maßsystemproblem, das seit ehedem Schwierigkeiten bereitet hat, wird durch die Alleinverwendung des „ Internationalen Systems" in Zukunft die Schüler nicht mehr belasten. Diese vernünftige Lösung bedeutet eine Befreiung von einer nicht notwendigen Hürde, wie sie die nebeneinander verwendeten Maßsysteme darstellten. Versuche sollen also dem Schüler Erfahrungen vermitteln, die ihn befähigen, bei technischen Entwicklungen und Verfahren über den Ablauf physikalischer Vorgänge jeweils im vorhinein Aussagen machen zu können. Wird dieses Ziel erreicht, so hat sich der Einsatz an Mitteln und Zeit gelohnt. Josef Eichlseder BILDUNGSBERATUNG - AUCH AN UNSERER ANSTALT Seit dem Jahre 1969 besteht der Ministerauftrag, an jeder Höheren Schule Österreichs einen Bildungsberater zu bestellen. Im angelsächsischen Schulwesen ist der Posten eines "counsellor" seit Jahren eine bewährte Einrichtung. In unserer heutigen Leistungsgesellschaft sollen unsere Schüler neben allgemeinen menschlichen Attributen vor allem eine optimale Leistungsfähigkeit erreichen, um ihren späteren Aufgaben möglichst gerecht zu werden. Es versteht sich von selbst, daß es zum Erreichen dieses Zieles einer engen Zusammenarbeit von Schülern, Eltern und Lehrern bedarf. Wegen des sukzessiven Abbaues der Autoritäten ergeben sich hiebei des öfteren Schwierigkeiten, die der Bidungsberater durch Sammeln und Bereitstellen von Informationen mildern kann. Der Bildungsberater soll wohl beraten, entscheiden muß der Schüler jedoch letztlich selbst. Wir leben in einer Zeit. in der der Mensch mit Informationen förmlich überschüttet wird. Pausenlos prasseln sie aus den verschiedensten Gebieten auf uns ein, und ohne geeignete Filtersysteme sind wir gar nicht mehr in der Lage uns LUred1lLufind1m. Zu viele Medien informieren bereits, und vielfach ist heute schon überholt, was gestern noch gegolten hat. So bauen wir selbst Abwehr- und Schutzmechanismen bewußt oder unbewußt ein, um uns vor dieser Flut von Informationen abzuschirmen. Dabei wäre trotzdem ein gezieltes Wissen in dieser oder jenen speziellen Situation wichtig. Bildungsberatung an der Schule soll die Berufsberatung der Arbeitsämter in keiner Weise beeinträchtigen oder den Klassenvorstand in seinen Aufgaben einengen. Unsere Schüler und Eltern sollen vielmehr wissen. daß sie beim Auftreten irgendwelcher Schwierigkeiten während des Studienganges jederzeit die Möglichkeit einer individuellen, vertraulichen Aussprache haben mit der maximalen Gewähr, in ihrer Meinung nicht manipuliert zu werden. Kurt Kunze 55

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