ALLGEMEINES Nachdem das aufkommende Bürgertum auf die mittelalterliche Stadtschule seinen Einfluß geltend gemacht hatte, erfuhr sie durch die Reformation eine weitere sehr bedeutende Umgestaltung. Die neuen Lateinschulen und die etwas später entstandenen „deutschen Schulen" bedeuteten den Beginn eines Volksunterrichtes. Daneben bestanden zeitweise sog. Winkelschulen, die aber von den Stadtschulen heftig bekämpft wurden. 1732 errichteten die Jesuiten im Zuge der Gegenreformation ein Gymnasium, das jedoch mit der Aufhebung des Ordens im Jahre 1773 aufgelöst wurde. Im 18. Jahrhundert führte die allgemeine Unzulänglichkeit des niederen Schulwesens zu einer ernsten Bedrohung durch die Winkelschulen, derer es schon in der Zeit der protestantischen Schulen einige gegeben hatte. Die Sagan'sche Schulreform unter Maria Theresia stellte diese Mißstände ab, indem die bisherigen fünf Stadtschulen in ein- od. zweiklassige Trivialschulen umgewandelt wurden. Gemäß dem neuen Gesetz eröffnete der Magistrat 1775 eine dreiklassige k. k. Hauptschule, die nun im früheren Gymnasialgebäude der Jesuiten untergebracht wurde. Der von den Ursuliner Nonnen aufgenommene Unterricht für Mädchen schloß die neue Ordnung ab. Inzwischen bahnte sich in der Wirtschaft eine umwälzende Entwicklung an. Seit eh und jeh hatte das Eisen die Hauptquelle des zeitweilig beträchtlichen Reichtums der Steyrer Bürgerschaft gebildet. Sie hatte durch ihren Handel die Roheisen produzierenden Radmeister ebenso wie die Hammermeister, die Weicheisen und verschiedene Stahlsorten herstellten, von sich abhängig ge2 macht. Die Grobschmiede, Klingenschmiede, Schleifer und Messerer, deren mit dem Bindenschildwappen geschlagene Erzeugnisse im ganzen Reich und darüber hinaus sehr begehrt waren, die Büchsenmacher und Büchsensehiller, die Feil- und Zirkelschmiede und das Handwerk der Zweckschmiede, Lederer, Schuhmacher und Seiler prägten das Bild der Eisenstadt. 1511 kam es zu einem Aufstand gegen die Handel treibenden Ratsbürger, in dem letztere jedoch die Oberhand behielten. Nur gegen Ende des Jahrhunderts wurden die Ratsbürger durch das Eingreifen von landesfürstlichen Behörden und durch die Gründung der „Steyrer Eisenkompagnie" etwas eingeschränkt. Schließlich wurde zur Zeit des größten wirtschaftlichen Tiefstandes während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts das gesamte Eisenwesen in der „lnnerberger Hauptgewerkschaft" vereinigt. Einzelne Handelsherren gelangten zu einem Riesenvermögen. Die aus Tirol stammenden Mittermayr, durch die Steyr auch zur Niederlagsstadt für Quecksilber wurde, erhob der Kaiser 1718 sogar in den Grafenstand. Die Kleineisenindustrie blühte erst wieder unter Maria Theresia und Josef II. auf, gleichzeitig entstanden die ersten Fabrikbetriebe: die Gewehrfabrik des Herrn Penzenstein in Unterhimmel und die Manchester-Fabrik des Daniel Pellet und Anton Schaitter im Dominikanerkloster. Die Erzeugung von Gewehrbestandteilen, die Leopold Werndl im Werk von Letten 1830 aufnahm, gab der Eisenindustrie wohl den bedeutendsten Anstoß. Viele Handwerker, Meister wie Gesellen, zogen in die Fabriken an den Wehrgräben entlang des Steyr-Flusses. Im Donner der schweren Hämmer und vor rastlos schmetternden kleineren Hämmern erwarben sie nun ihren Lebensunterhalt, im Getöse der dumpfen Papiermühlen und zahlloser Hämmerchen, die klirrend und klappernd, an größeren hängend, Pfannen und Kupfer trieben. Die Gewerbeordnung von 1859 brachte schließlich die fällige Aufhebung der Innungen und die Gewerbefreiheit. Die Vergesellschaftung des Handwerks beeinträchtigte andererseits den früher oft ausgeprägten Kunstsinn. Die geänderte Form des Gewerbes fand ihren Niederschlag in der Gründung von Industrieschulen und gewerblichen Vereinigungen. Das Institut für Büchsenmacher-Lehrlinge im ehemaligen Kolleg der Jesuiten nahm 60 Knaben auf, die durch 6 Jahre hindurch unter der Leitung eines Artillerie-Hauptmannes ausgebildet wurden. Auf Grund der gebesserten wirtschaftlichen Verhältnisse konnte 1841 eine angesehene industrielle Lehranstalt eröffnet werden, aus der 1849 die zuerst unselbständige zweiklassige, ab 1863 dreiklassige Unterrealschule hervorging, eine Schulart, die auf deutschen Erfahrungen fußte. Mit der Bewilligung einer Staatsoberrealschule wurde die Schulzeit 1872 von sechs auf sieben Jahre verlängert, womit das Ziel der Steyrer Bestrebungen nach einer vollwertigen Mittelschule erreicht war, obwohl das ursprünglich angestrebte Realgymnasium abgelehnt worden war. Nach einem vorübergehenden Rückgang der Schülerzahl um 1890 nahm die Staatsoberrealschule einen anhaltenden Aufschwung. Ihre Nachfolge trat um 1924 das Bundesrealgymnasrum an, dem das seit 1910 bestehende Mädchenlyzeum angegliedert wurde. Die industrielle Revolution schritt indessen rüstig voran. Steyr brachte zu dieser Zeit einige weltberühmte Männer der Technik hervor: Ferdinand Redtenbacher führte als Direktor das Polytechnikum in Karlsruhe zu großem Ansehen, indem er dort die Vorausberechnung des Wirkungsgrades einer Maschine lehrte und sich den Ruf eines .. Schöpfers des wissenschaftlichen Maschinenbaues" erwarb. - Josef Werndl widmete seine umfangreichen Fachkenntnisse, die er in Thüringen und in den Vereinigten Staaten abrundete, seiner Heimatstadt, die durch ihn eine Blüte erleben sollte wie selten zuvor. Zusammen mit seinem Werkmeister Karl Holub, erfand er einen Verschluß für Hinterladergewehre, der ihm nach der Schlacht von Königgrätz gewaltige Aufträge der österreichischen Heeresverwaltung und einen einträglichen Export in viele andere Staaten sicherte. Durch sein Unternehmen stieg Steyr schließlich zur „Waffenschmiede des Kontinents" empor.') Und als um 1882 der Absatz von Gewehren zu stocken begann, wandte er sich ohne Zögern der Erzeugung elektrischer Geräte zu. Steyr wurde die erste Stadt Europas, in der Bogenlampen als Straßenbeleuchtungskörper Verwendung fanden. Josef Werndl machte schon 1884 darauf aufmerksam, daß die Produktion elektrischer Energie durch Wasserkräfte unserem Land ungeheure Möglichkeiten eröffnen könne. Im selben Jahr veranstaltete er in Steyr seine berühmte Elektrizitätsausstellung, die nach Paris, München und Wien die vierte ihrer Art auf dem ganzen Erdkreis darstellte. Die so hoch entwickelte Industrie benötigte dringend geschulte Kräfte. Schon seit 1837 hatte man in Steyr die Errichtung einer technischen Schule geplant. Die schon genannten Vorläufer gehen auf die Initiative des 1837 von Erzherzog Johann gegründeten lnnerösterreichischen Gewerbevereines zurück. Oberösterreich war diesem angeschlossen und bildete unter dem Steyrer Eisenhändler Josef v. Koller eine eigene Zweiggruppe. Seit 1864 gab es an Abenden Fortbildungskurse für Gewerbetreibende. Gleichzeitig entstanden die sogenannten Wiederholungs-(Fortbildungs-)Schulen und Fachschulen in den Räumen der Volksschulen. Die Wiederholungsschulen boten Lehrlingen nach Verlassen der Volksschule an Sonntagen drei Stunden Unterricht, während die Fachschule zwei Klassen Unterrealschule oder eine gute Absolvierung der Wiederholungsschule voraussetzte. Um 1870 wurden in der Monarchie allgemein viele Fachschulen gegründet, davon jedoch nur in Klagenfurt und Komotau je eine für das Metallbearbeitende Gewerbe. Erstaunlicherweise mußte Bürgermeister Moritz Crammer aus Briefantworten erfahr.en, daß selbst Altona, Remscheid, Solingen, Iserlohn, Nürnberg und andere Städte keine Schulen dieser Art besaßen und daher keine Ratschläge geben konnten, wie das berufsbildende Schulwesen in Steyr zu fördern sei. 1872 richtete die Stadtgemeinde eine Petition an den oberösterreichischen Landtag, worin darauf hingewiesen wurde, daß sich Steyr immer mehr zum Mittelpunkt der Eisenindustrie in diesem Land entwickle und eine entsprechende Schule dringend benötigt werde; selber wolle man .,die Kosten für Beheizung, Beleuchtung und Wartung übernehmen und die zum Unterrricht notwendigen Lokalitäten beistellen" .2) Die daraufhin beschlossene Enquete von Fachleuten, der unter anderen Josef Werndl und Karl v. Koller angehörten, ermunterte die Stadt, um Bewilligung der Schuleröffnung anzusuchen. Schon am 23. Jänner 1874 konnte der rege Bürgermeister Crammer die bevorstehende Eröffnung einer Fachschule für Eisenindustrie bekanntmachen. In zwei Abteilungen sollte der unentgeltliche Unterricht im Gebäude der Staatsoberrealschule an Sonn- und Feiertagen von 7.30 bis 11.30 Uhr und von 13.00 bis 16.00 Uhr für alle jene aufgenommen werden, die schon eine Lehre in einem metallbearbeitenden Beruf begonnen hatten und Interesse zeigten. Die Eröffnung fand am Sonntag, den 8. Februar 1874, um 10.00 Uhr statt. 3
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