100 Jahre Höhere Technische Bundeslehranstalt

Melk (1702 bis 1726) verwendete Maß dienen. Aus seiner Tiroler Heimat brachte er das Fußmaß 32.965 cm (27,5 Millimeter je Zoll) mit und ließ damit auch ein in der Größe deutlich von den üblichen Ziegeln abweichendes Format (4 x 9 x 18 Zoll, 110 x 248 x 495 Millimeter) erzeugen. Meist arbeitete man damals mit 26,2 mm je Zoll. Die große Uneinheitlichkeit der verschiedenen Maßsysteme mit ihren kulturgeschichtlichen zusammenhängen aufzuklären wird noch lange Ziel mancher Forschungsarbeit sein. Um eine Vereinheitlichung der Maße, war z. B. Maria Theresia bemüht, wie aus einem Erlaß hervorgeht. So wird mit Erlaß v. 14. VII. 1756 das Maß des früheren Wiener Fuß mit 31.608 cm auf das ganze Reich ausgedehnt. Die restlose Durchführung gelang jedoch erst Josef II. Rechnet man nun das Format 11 x 5 ¼ x 2 '/, Zoll in das metrische Maßsystem um, so erhält man 28.974 x 13.829 x 7.006 mm. Durch Angleichung erhielt man das Format 290 x 140 x 70 mm, das Format des Fundziegels. Eine spätere Reduzierung der Höhe auf 65 mm erfolgte anscheinend um mit dem gleichen Ziegel mehr Verbandmöglichkeiten zu ermöglichen. Diese Höhe haben auch heute noch die Mauerziegel im Normformat (25 x 12 x 6.5 cm NF). Die günstigste Dicke der Stoßfuge hat bei den Überlegungen außerdem mitgespielt. Ergeben doch nunmehr 13 Scharen 1 m Mauerhöhe. Das Ziegelmaß gibt, wie festgestellt wurde, Einblick in die Entwicklung der Formate. Die Farbe des Ziegels und 120 seine Struktur geben noch Auskunft über die Qualität. Der Fundziegel besitzt rosa Farbe, ist sehr dicht, hat muscheligen Bruch und ist glatt, zeigt daher gute Qualität. Die Ziegel dieser Zeit wurden in größeren Betrieben damals im kontinuierlich arbeitenden Hoffmann·- schen Ringofen gebrannt. Über den Hersteller des Ziegels geben die auf einer Lagerfläche eingepreßten Zeichen Auskunft. Ziegel erhielten bereits zur Zeit der Römer Prägestempel. Im Raum Enns fand man z. B. Ziegel mit dem Stempel der II. ital. Legion, die im Lager Lauriacum ihren Standplatz hatte. Gekennzeichnete Ziegel findet man bei uns erst wieder in der auslaufenden Gotik. Waren die Zeichen der Römer in den Ziegel eingepreßt, also vertieft, erscheinen sie dann bis in das 17. Jhdt. erhaben auf, bedingt durch die Herstellung in Modeln (Hand geschlagene Ziegel). Man brannte die Zeichen in den Modelboden ein. Später legte man Platten in den Model (ab 17. Jhdt.) und erhielt wieder vertieft liegende Zeichen. Auch ein einzelnes stempeln muß durchgeführt worden sein, wie die Unregelmäßikgeit mancher angebrachter Stempel beweist. Der vorliegende Ziegel zeigt drei Zeichen. In der Mitte ist ein vertieft liegender Doppeladler mit einem „W" im Brustschild zu sehen. Das „W" wie die links und rechts vom Adler eingepreßten Initialen „H" und „D" sind in der Schriftart der Antiqua ausgeführt. Die Facetten um die 5 mm tief eingepreßten Zeichen sind aus der Überschneidung von Quadrat bzw. Rechteck beim Adler und vier Kreisen gebildet. Es drängt sich vor allem bei den kleinen Facetten der Vergleich mit dem Aufbau der Hüttenzeichen der Steinmetzhütte St. Stefan auf. Prof. Rziha der TH Wien hatte, wohl nicht unbestritten, Schlüssel zur Erklärung der Zeichen aufgestellt. Oder ist aus den Facetten Symbolhaftes herauszulesen? Die Zahl vier als die Zahl der Welt und der Kreis als das Vollendete nach der mittelaHerHchen Symbolik? Vielleicht hätte man auch auf die Quadratur, die Konstruktionsgesetze aus dem Quadrat, hinweisen wollen. Heißt es doch in einem alten Hüttenspruch: ,,Ein Punkt, der in den Zirkel geht, der im Quadrat und Triangel steht, kennst du den Punkt, so ist es gut, kennst du ihm nit, so ist's umbsonst." Da man Ende des 19. Jhdts., im Historismus, Vorbilder in früheren Zeitepochen sur.hte und symbolhaft dachte, wäre die angeführte Interpretation der Facetten im Bereich der Möglichkeit. Das „W" im Brustschild des Adlers zeigt, daß der Ziegel in der 1869 gegründeten Wienerberger Ziegelfabriksund Baugesellschaft geschlagen wurde. In dieser Gesellschaft war der frühere Besitzer Heinrich Drasche von Wartinberg (1811 - 1888), von dem noch die Initialen „H" und „D" stammen, tätig. Heinrich Drasche übernahm von seinem kinderlosen Onkel Alois Miesbach als Universalerbe die Ziegelfabriken. Eine geborene Miesbach war die Mutter von Heinrich Drasche. Alois Miesbach strebte bereits seit 1819 eine Monopolstellung in der 7iegelproduktion an und führte bald nach 1827 als Hoflieferant auf seinen Ziegeln eine Stempelung mit einem Adler und den Initialen „A" ,,M" ein. 'Miesbach besaß unter anderem zahlreiche Ziegelerzeugungsstätten am Wienerberg. Nach der Übernahme der Ziegeleien änderte Drasche nur die lnitialen. Der Adler hielt in seinen Fängen Zepter oder Schwert und Reichsapfel. Beides entfiel bei der Übernahme durch die „Wienerberger" und es wurde auch neu die Facette in der vorgefundenen Form eingeführt. Mit einer regen Bautätigkeit, bedingt durch die 1857 verfügte Schleifung der Stadtbefestigung in Wien und dem Beginn der Bauten an der Ringstraße war ein großer Ziegelbedarf entstanden. Heinrich Drasche war in der Lage, größere Mengen an Ziegeln zu liefern, wie aus seinem Bittgesuch (1870) um die Erhebung in den Ritterstand hervorgeht. Darin heißt es, daß er neben 12 Ziegelfabriken auch 15 Kohlengruben besaß und eine jährliche Gesamterzeugungsfähigkeit von 188 Mill. Stk. Ziegel hatte. Heinrich Drasche war eine große Persönlichkeit seiner Zeit. So wurde er 1867 auf der Pariser Weltausstellung mit der gold. Medaille für die Einführung der Ringöfen in der Ziegelwarenfabrikation ausgezeichnet. Ererhielt dort aber ebenfalls die „humanitäre Medaille" in Anerkennung seiner mustergültigen Sozialeinrichtungen. Einen zeitgeschichtlichen Einblick gibt weiter sein Bittgesuch um die Erhebung in den Ritterstand, worin es heißt: .,Heinrich Drasche hat ferner für das Baufach in Wien, Pest und Ofen nicht allein durch die Erzeugung des massenhaftes Ziegelbedarfes, sondern auch direkt dadurch gewirkt, daß er mit dem Ankauf der Stadterweiterungsplätze Wiens begonnen und zehn Baustellen auf denselben selbst verbaut, worunter insbesondere der Heinrichtshof durch seine Größe, durch seinen geläuterten Baustil und durch die reiche Ornamentik von seinen diesfälligen Leistungen Zeugnis abgelegt". Ferner vermerkt Herr H. Drasche: ,,Der alluntertänigst gefertigte besitzt einen Sohn und eine Tochter, deren allfällige Verbindung mit hochadeligen Kreisen ihm die Erfüllung seiner Bitte um Standeserhöhung wünschenswert macht." Die Transportmöglichkeit von Ziegeln über größere Entfernungen wurde erst durch die Eröffnung der Bahnstrecke Wien - Linz am 15.12.1858 und der ,,Kronprinz-Rudolf-Bahn" SI. Valentin - Steyr am 18.8.1868 für Oberösterreich möglich. Ein Beweis für den Transport von Ziegeln von Wien nach dem Westen stellt nicht nur der Fundziegel dar. (ZN 2 der Ziegelsammlung des Verfassers). Weitere Beweise sind Ziegel vom Bahnhof Asten (ZN 1) und von einem Nebengebäude des Bahnhofes Enns (ZN 150), die nach Angabe der 088 1889 fertiggestellt wurden. Ein einfacher Mauerziegel, in Wien erzeugt, in Oberösterreich vermauert, gibt somit Einblick in Technik, Wirtschaft und Gesellschaft vor ungefähr 100 Jahren. Einblick in die Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs, in der sich Wien auch für die Weltausstellung 1873 rüstete. Hiebei schlugen wohl auch Spekulation und Geldgier einige Kapriolen. Eine Ernüchterung kam mit dem Börsenkrach am Freitag, den 9. 8. 1873, 8 Tage nach Eröffnung der Weltausstellung. Die Bautätigkeit und auch die Ziegelerzeugung in Wien ging jedoch weiter. Othmar Slatkovsky LITERATURNACHWEIS: Hennings Fred: Ringstraßensymphonie 1. Satz 1857 - 1870. 1963 Mentschl Josef und Otruba Gustav: Osterr. industrielle und Bankiers 1965 J. K. Merinsky: Bauhütten und Zünfte, Heraklith-Rundschau 1954 Ofner Josef: Die Eisenstadt Steyr 1956 Osterr. Normenausschuß Schirmböck Anton: Die chronologische Formate-Tabelle des Wiener Mauerziegels und das Herkommen ihrer Maßgrundlagen in den Jahrtausenden. 1973 Verdenhalven Fritz: Alte Maße, Münzen und Gewichte aus dem deutschen Sprachraum 1968 „Die Wienerberger·· Informationsschrift 4/1963 121

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